Für eine Analgesie scheinen niedrigere Dosen Opioide nötig zu sein, als zum Erreichen eines sedativen Effekts (
Dugdale 2010a).
Vorsichtsmassnahmen
Intravenöse Applikation
Morphin ist bei intravenöser Anwendung langsam zu injizieren, um eine starke Hypotonie zu vermeiden (
Plumb 2011a). Ausserdem sollte der Wirkstoff bei gegen Histaminfreisetzung empfindlichen Spezies (v.a. Hund) vorsichtig oder gar nicht intravenös injiziert werden, weil die Gefahr einer anaphylaktischen Reaktionen mit Kreislaufkollaps besteht (
Johnson 1999b;
Löscher 1999e).
Kombination mit Phenothiazinderivaten
Bei einer Neuroleptanalgesie ist zu beachten, dass die blutdrucksenkende Wirkung von Morphin durch Neuroleptika, v.a. Phenothiazinderivate (z.B.
Acepromazin) verstärkt wird (
Löscher 2010a).
Epidurale und intraartikuläre Applikation
Bei epiduraler (
Lamont 2007b;
Bennett 2007a;
Nolan 2000a) und intraartikulärer (
Lindegaard 2010a;
Lindegaard 2010b) Applikation muss ein Präparat ohne Konservierungsmittel verwendet werden. Bei epiduraler Applikation wird die Wirkung verbessert wenn der Wirkstoff vor dem Schmerzeintritt verabreicht wird (
Skarda 2007b). Es ist zu beachten, dass die Dura mater nicht punktiert wird, da es sonst zu gefährlich hohen Konzentrationen in der zerebrospinalen Flüssigkeit kommen kann und eine Hypoventilation und Hypoxämie auftritt (
George 2003a).
Pferd
Bei dieser Tierart kann es schon bei niedrigen Dosierungen zu einer motorischen Stimulation kommen. Dieser Effekt wird missbräuchlich beim Doping ausgenutzt (
Löscher 1999e). Ausserdem kann Morphin bei dieser Spezies Verhaltensveränderungen und kardiovaskuläre Symptome bei milder Kolik maskieren (
Plumb 1995a).
Hund
Wegen der schlechten oralen und rektalen Bioverfügbarkeit werden diese Applikationsarten nicht empfohlen (
Kukanich 2005b). Um therapeutische Konzentrationen zu erreichen sollte Morphin bei Hunden parenteral, jedoch nur mit äusserster Vorsicht oder gar nicht intravenös verabreicht werden (
Kukanich 2009a;
Johnson 1999b;
Löscher 1999e).
Katze
Da Katzen bezüglich Morphin-induzierten exzitatorischen Effekten empfindlicher reagieren, sind die bei dieser Spezies empfohlenen Dosierungen etwas niedriger als beim Hund. Die analgetische Wirkung ist jedoch vergleichbar (
Kukanich 2009a). Um sie nicht zu erschrecken, sollte man sich den mit Opioiden behandelten Katzen langsam nähern und sie dabei ansprechen. Ausserdem sollte man die Tiere beim Vorliegen einer Mydriasis nicht hellem Licht aussetzen (
Robertson 2004a).
Vögel
Wird der Wirkstoff in hohen Dosen appliziert, kann es zu starken respiratorischen Depressionen, Bradykardien und einer Hypotension kommen. Ein intravöser Bolus sollte langsam injiziert werden (
Heard 1997a).
Anwendungsarten
Morphin wird subkutan, intramuskulär, intravenös, intraartikulär, epi-/extradural, topisch und oral appliziert (
Kerr 2007b).
Retardformulierungen
Für die längerfristige Behandlung chronischer Schmerzen stehen aus der Humanmedizin geeignete Retardformulierungen zur Verfügung (
Ammer 2010a).
Hund
Aufgrund der unvorhersehbaren Absorption und der schlechten oralen Bioverfügbarkeit (
Nolan 2000a) wurden verschiedene orale Präparate mit kontinuierlicher, langanhaltender Wirkstofffreigabe untersucht. Diese scheinen insbesondere für das Management von chronischen Schmerzen geeignet zu sein (
Dohoo 1997a). In anderen Studien mit ähnlichen Präparaten konnten jedoch keine signifikanten Unterschiede und Vorteile gegenüber den Standardprodukten gezeigt werden (
Dohoo 1997b;
Aragon 2008a). Ausserdem wurden spezielle Granula mit einer kontinuierlichen, langanhaltenden Wirkstofffreisetzung zur oralen Applikation entwickelt. Sie basieren auf einem Schichtsystem einer Polymerverbindung in deren Kern sich Morphinhydrochlorid befindet. In neutraler Umgebung wird der Wirkstoff schneller abgegeben als im sauren Milieu. Die relative Bioverfügbarkeit dieser Darreichungsform ist, verglichen mit der üblichen Formulierung mit einer kontinuierlicher Abgaberate um 30,9% höher (
Nakamura 2007a).
Rektale Anwendung
Hund
Die rektale Applikation zeigt keine deutlichen Vorteile gegenüber der oralen oder intramuskulären Anwendung. Nach der rektalen Verabreichung wird der Wirkstoff zwar resorbiert, allerdings ist er nur in geringem Mass bioverfügbar, die Plasmakonzentrationen sind niedrig und unterscheiden sich stark. Bei Dosierungen, die zu einer therapeutischen Plasmakonzentration führen, ist mit denselben unerwünschten Wirkungen wie bei den anderen Applikationsarten zu rechnen (
Barnhart 2000a).
Parenterale Anwendung
Hund
Um eine analgetisch wirksame Plasmakonzentration aufrecht zu erhalten, kann Morphin perioperativ als konstante intravenöse Infusion angewendet werden (
Guedes 2007b). Die Wirkung ist mit der intramuskulären Injektion alle 4 Stunden vergleichbar. Durch die kontinuierliche Infusion können die bei Bolusinjektionen auftretenden Serumkonzentrations-Maxima sowie unerwünschte Wirkungen, wie z.B. kardiovaskuläre Depression minimiert werden (
Lucas 2001a).
Epidurale Anwendung
Rind
Zur Schmerzlinderung im Schwanz- und Perinealbereich kann Morphin epidural zwischen dem zweiten und dritten Schwanzwirbel appliziert werden. Um Schmerzen im Abdomen oder der Hintergliedmassen zu stillen, sollte der Wirkstoff zwischen dem sechsten Lumbal- und dem ersten Sakralwirbel injiziert werden (
George 2003a).
Prämedikation mit Atropin
Da Morphin eine starke Salivation, Emesis und Bronchialsekretion auslöst, ist eine Prämedikation mit
Atropin (0,05 mg/kg, s.c., i.m.) angezeigt (
Ammer 2010a).
Dosisreduktion Anästhetika
Hund
Die intravenöse Applikation von Morphin führt zu einer Reduktion des MAC (Minimum Alvolar Concentration) von Halothan und Isofluran (
Ko 2009a;
Steffey 1993b). Die konstante Infusion von niedrigen Morphindosen (3,3 μg/kg/min) senkt den MAC von Isofluran um 48% (
Muir 2003a). Auch die konstante Infusion von Morphin zusammen mit Lidocain und Ketamin kann den MAC von Isofluran um fast 50% senken (
Aguado 2011a;
Muir 2003a). Die intravenöse Gabe von Morphin allein (1 mg/kg) führt zu einer MAC-Reduktion von Isofluran von 34,0 ± 10,7%, nach der kombinierten Gabe zusammen mit Carprofen (2,2 mg/kg peroral) wird eine Reduktion von 43,9 ± 20,1% erreicht. Dies ist die Folge eines additiven Effekts (
Ko 2009a). Auch die kombinierte epidurale Anwendung von Morphin und Bupivacain senkt den MAC von Isofluran (
Kona-Boun 2006a;
Troncy 2002a). Die epidurale Gabe des Wirkstoffs reduziert ausserdem den MAC von Halothan (
Valverde 1989a).
Katze
Die intravenöse Applikation von Morphin führt zu einer signifikanten Reduktion des MAC von Isofluran (
Ilkiw 2002b). Nach epiduraler Gabe konnte kein signifikanter Effekt auf den MAC dieses Narkosegases festgestellt werden (
Pypendop 2006a). Verglichen mit der alleinigen Applikation von Morphin zeigt eine retrospektive Studie, dass mit der kombinierten epiduralen Applikation von Morphin und Bupivacain eine signifikant niedrigere Dosis von Isofluran benötigt wird (
Troncy 2002a). Nach der Applikation einer Kombination von Morphin und Acepromazin wird bis zu 30% weniger Propofol zur Narkoseeinleitung benötigt (
Hall 1999a).
Pferd
Mit der zusätzlichen Gabe von Morphin zu Xylazin kann keine weitere Reduktion des MAC von Halothan erreicht werden (
Bennett 2004a). Auch mit der Zugabe von Morphin zu einer konstanten Infusion von Lidocain und Ketamin wird keine Verminderung des MAC von Isofluran erzielt (
Villalba 2011a).
Schwein
Die epidurale Gabe von Morphin reduziert den MAC von Isofluran um 33% (
Malavasi 2008a). Schweine, die präoperativ extradural Morphin erhalten, erreichen eine genügende Anästhesietiefe bei niedrigerer Isofluran-Konzentration (
Malavasi 2006a).