2. Beispiele toxischer Stoffgruppen
Atropin, Scopolamin: | Tollkirsche, Stechapfel, Engelstrompete, Krainer Tollkraut und andere Pflanzen enthalten ein Gemisch aus Atropin und Scopolamin. Bei Vergiftungen richtet sich die Symptomatik nach der hauptsächlichen Giftkomponente. In Tollkirsche und Krainer Tollkraut überwiegt die zentral erregende Wirkung von Atropin (Tobsucht, Krämpfe gefolgt von Koma). Die übrigen Species enthalten mehr Scopolamin, das sich zentral dämpfend auswirken kann (Atemlähmung). |
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Colchicin: | Colchicin ist das Hauptalkaloid der Herbstzeitlose und ist besonders reichlich in den Samen und Blüten enthalten. Das Vergiftungsbild ist von einer hämorrhagischen Enteritis mit Erbrechen, Kolik und Durchfall geprägt. Ferner treten Schluckbeschwerden und Atemlähmung auf. |
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Pyrrolizidine: | Folgende Pflanzen enthalten Pyrrolizidinalkaloide: Jakobskreuzkraut, Alpenkreuzkraut, Echte Hundszunge und tropische Heliotropiumarten. Das Weidevieh meidet pyrrolizidinhaltige Pflanzen: bei wiederholter Verfütterung von Heu oder Silage mit hohem Kreuzkrautanteil treten Rektumprolaps, Leberzirrhosen und Ascites auf. Pyrrolizidinrückstände in der Milch laktierender Kühe gefährden den Verbraucher. |
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Solanin: | Solanin schädigt lokal die Schleimhäute und führt zu Durchfall, Krämpfen, Paresen und Atemlähmung. Dieses Alkaloid ist in Nachtschattengewächsen (auch Kartoffel) enthalten. Besonders hoch ist die Konzentration in den Beeren. Nur bei wenigen Arten, wie Tomate und Aubergine, werden die Alkaloide während der Fruchtreifung so weitgehend entgiftet, dass die Früchte essbar werden. Gefährlich sind auch die unreifen, grün gewordenen oder auskeimenden Kartoffelknollen, hier besonders in der Rinde. Solanin ist hitzestabil, wird also beim Kochen nicht zerstört. |
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Strychnin: | Das Krampfgift Strychnin ist ein Alkaloid aus der Brechnuss. Strychnin ist sehr stabil und konnte in exhumierten Leichen noch mehrere Jahre nach dem Tode nachgewiesen werden. Vergiftungssymptome: Unruhe, Krämpfe, Hyperthermie. |
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Taxin: | Taxin ist für die Toxizität der Eibe verantwortlich und besteht aus einem komplizierten Gemisch von verschiedenen Alkaloiden. Alle Pflanzenteile ausser das Fleisch der Beeren sind toxisch. Die Hauptwirkung geht in erster Linie auf eine kardiotoxische Komponente zurück: diese führt zu Bradykardie und Herzstillstand. |
Viele Pflanzen enthalten Cyanid in gebundener Form als cyanogene Glycoside, so beispielsweise der
Kirschlorbeer, die Keime anderer Prunusarten (Bittermandeln, Aprikosen-, Pfirsich-, Pflaumen-, Kirschkerne) sowie der
Flachs. Die cyanogene Glycoside werden durch pflanzliche Enzyme - im Pansen der Wiederkäuer auch durch mikrobielle Enzyme - unter Freisetzung von Cyanid gespalten. Symptome: Dyspnoe, Krämpfe, hellrotes Blut. Die Fruchtkerne sind nur toxisch, wenn diese aufgebissen werden. So können zum Beispiel Schweine nach dem Verzehr von grossen Mengen an Kirschen sterben, weil sie fähig sind, die Kerne zu knacken.
Farngewächse (zum Beispiel
Adlerfarn) und Schachtelhalmgewächse (vor allem Vertreter der Gattung Equisetum:
Equisetum palustre und
Equisetum arvense) enthalten hohe Mengen an Thiaminase. Wegen der Zerstörung von Vitamin B
1 führt die Aufnahme dieser Pflanzen zur "Taumelkrankheit". Symptome: Erregbarkeit, Ataxie, Lähmung der Hinterextremitäten. Bei Wiederkäuern, die Vitamin B
1 selbst synthetisieren, kommen andere - weniger gut erforschte - Giftstoffe des Adlerfarns zum Vorschein. Diese manifestieren sich mit Hämaturie, Gastroenteritis und Schleimhautblutungen ("Blutschwitzen").
Psoralen und andere Furocumarine (Synonym Furanocumarine) sind phototoxische Stoffe, die die Empfindlichkeit der Haut gegenüber Sonnenlicht steigern. Diese Giftstoffe lagern sich zuerst in die DNS ein und sind dann fähig, unter Einwirkung von langwelligem UV-Licht kovalente Basenaddukte zu bilden. Die Schwere der cytotoxischen Reaktion hängt demnach nicht nur von der Konzentration und der Einwirkungszeit der phototoxischen Substanz, sondern auch von der Intensität der Sonnenbestrahlung ab. Furocumarine sind in besonders hoher Konzentration im
Riesenbärenklau zu finden.
Die Herzglycoside der Digitalis- und Strophantusarten (
Fingerhut) werden therapeutisch genutzt. Gleichartig wirkende Glycoside kommen auch in anderen Pflanzen vor. Dazu gehören die Meerzwiebel, der
Oleander, das
Maiglöckchen oder das
Pfaffenhütchen. Symptome: Gastroenteritis, Erbrechen, Durchfall, Herzfunktionsstörungen, Arrhythmien, Herzstillstand.
Bei Herbivoren führt der hohe Vitamin D-Gehalt von gewissen Pflanzen - zum Beispiel dem
Goldhafer - zu Vergiftungen (enzootische Kalzinose). Eine einzelne toxische Dosis kann den Calciumstoffwechsel so fehlleiten, dass multiple Mineralisationsherde (Calciumphosphatablagerungen) im Weichgewebe entstehen. Es folgen schwerwiegende Organstörungen. Symptome: Lethargie, Anorexie, Erbrechen, Durst, Polyurie, Paresen und Depression. Daneben sind auch Östrogenwirksame Substanzen (zum Beispiel im
Rotklee, auch in Silage) bekannt, die zu Fruchtbarkeitsstörungen führen können.
Es gibt über 100 Pflanzenarten, die Nitrat speichern. Einige Beispiele: Hafer,
Zuckerrübe,
Raps,
Weisse Zaunrübe, Kürbisse, Rübe, Sonnenblumen, Gerste, Salat,
Steinklee, Rettich, Roggen, Kartoffel, Weizen, Mais. Die Nitratmenge ist dabei stark abhängig von der Düngung. Insbesondere führt die intensive Stickstoffdüngung in der modernen Landwirtschaft zu Nitratbelastungen des Bodens, des Grundwassers und der Kulturpflanzen. Leitsymptom: Methämoglobinbildung, schokoladenbraun gefärbtes Blut.
Oxalate sind in Ampferarten (zum Beispiel
Sauerampfer), sowie in Aronstab- und Gänsefussgewächsen enthalten. Oxalsäure wirkt lokal reizend (Salivation, Durchfall) und bei massiver Exposition kommt es zu Anzeichen eines Calciummangels (Bradykardie, Rhythmusstörungen), weil Calcium in Form von unlöslichen Oxalatkomplexen ausgefällt wird. Durch Verstopfung der Tubuli mit Calciumoxalatkristallen kommt es zu Nierenschäden. Gefährlich für Kleintiere ist die als Zimmerpflanze beliebte
Dieffenbachia. Diese Pflanze enthält Ansammlungen von Calciumoxalatnadeln, die dichtgepackt in sogenannten Schiesszellen liegen. Auf Druck werden die Nadeln herausgeschleudert, dringen in Haut und Schleimhäute ein und schädigen sie mechanisch. Gleichzeitig wirken die Calciumoxalatkristalle als Injektionsnadeln für gewebsschädigende Enzyme.
Toxische Proteine sind in den Samen der
Ricinusstaude, in den Samen der Paternostererbse, aber auch in den Kernen und Schoten der
Gartenbohne enthalten. Ricinusöl ist hingegen ungiftig. Ein toxisches Protein ist auch in der
Falschen Akazie zu finden, wobei die Rinde besonders hohe Konzentrationen aufweist. Bei diesen Giftstoffen handelt es sich um hitzelabile aber gegen Verdauungsenzyme resistente Proteine. Ricin aus der Ricinusstaude und Abrin aus der Paternostererbse hemmen die ribosomale Proteinsynthese und rufen grossflächige Nekrosen in der Magen-Darm-Schleimhaut sowie in Leber, Nieren und Milz hervor. Phasin aus der Gartenbohne sowie Robin aus der falschen Akazie besitzen agglutinierende Eigenschaften, die zu Gastroenteritis, Kolik und Krämpfen führen.
Dabei handelt es sich um verschiedenartige Verbindungen, deren gemeinsame Eigenschaft darin besteht, dass sie in wässriger Lösung "seifenartig" schäumen. Infolge ihrer Oberflächenaktivität wirken Saponine membranschädigend: Vergiftungen sind durch Zerstörung der Magen-Darm-Schleimhaut, Durchfall und Hämolyse gekennzeichnet. Saponine kommen in Pflanzen ausserordentlich häufig vor, so zum Beispiel in
Rosskastanie,
Alpenveilchen und in verschiedenen Hahnenfussgewächsen (z.B.
Ranunculus spp.).
2.11 | Terpene und Terpenderivate |
Die Terpene sind für die Giftigkeit der ätherischen Öle verantwortlich. Dazu gehört das Thujon, das in Zypressengewächsen (zum Beispiel
Thuja) enthalten ist. Symptome: Gastroenteritis, Krämpfe, Koma.
II. Spezielle Toxikologie - Kleintier
1. Therapiegrundsätze
In unserer
Giftpflanzen-Datenbank finden Sie spezifische Daten zu den einzelnen Pflanzen.