Wirkstoff - Dosierungen
Tubocurarin

Dosierung - allgemein

Kein Anästhetikaersatz!

Muskelrelaxantien sind keine Anästhetika, sondern lediglich Anästhesiehilfsmittel. Sie bewirken eine Relaxation, aber weder eine Sedation, noch eine Hypnose oder eine Analgesie (Erhardt 2004l). Somit sollten nicht-depolarisierende Muskelrelaxantien nur bei anästhesierten Tieren verwendet werden (Spence 2002a).
 

Applikation

Muskelrelaxantien sind oral verabreicht unwirksam. Um die gewünschte steuerbare Wirkung erzielen zu können, müssen sie i.v. appliziert werden (Erhardt 2004l). Dabei sollten sie, wegen der Gefahr einer Kreislaufdepression, langsam und nach Wirkung titriert, verabreicht werden (Pugh 1991b; Erhardt 2004l). Der Zeitpunkt des Wirkungseintritts, sowie die Dauer und Tiefe einer Blockade sind bei jedem Tier individuell unterschiedlich (Hall 2001m).
 
Für den therapeutischen Gebrauch sollte D-Tubocurarin mit physiologischer Kochsalzlösung auf 0,3 mg/ml verdünnt werden (Paddleford 1992c; Erhardt 2004l). Es erfolgt keine Kumulation durch eine Nachinjektion (Erhardt 2004l).
 
Die Zugabe eines muskarinergen Antagonisten (Atropin oder Glycopyrrolat) erfolgt, um die Stimulation muskarinerger Rezeptoren zu verhindern, und so eine Verlangsamung der Herzfrequenz zu vermeiden (Taylor 2001e).
 

Schwein

Bei Schweinen verursacht eine Dosis von 0,3 mg/kg eine vollständige Entspannung der Muskulatur mit Paralyse der Atmung ohne gleichzeitigen Blutdruckabfall (Hall 2001m).
 

Wiederkäuer

Es ist wenig bekannt über die Wirkung von D-Tubocurarin bei Wiederkäuern. Junge Lämmer und Kälber scheinen sehr sensitiv auf die paralysierende Wirkung zu reagieren. Dosen bis 0,06 mg/kg wurden ohne nachteilige Wirkung verabreicht (Hall 2001m).
 

Pferd

Dosierungen von 0,22 - 0,25 mg/kg D-Tubocurarin bewirken bei mit Halothan (0,8 - 1%) anästhesierten Pferden eine gute Relaxierung der Muskulatur mit einem Atmemstillstand (Hall 2001m).
 

Faktoren, welche die Wirkung von neuromuskulären Substanzen beeinflussen

Extrazellulärer pH-Wert

Eine Azidose (respiratorisch oder metabolisch) verstärkt normalerweise die neuromuskuläre Blockade (Bartkowski 1981a; Hall 2001m), während eine Alkalose (respiratorisch sowie metabolisch) die Wirkung vermindert (Hughes 1970b; Crul-Sluijter 1974a; Miller 1978b; Funk 1980a; Hughes 1981a; Gencarelli 1983a). Eine akute respiratorische Alkalose verkürzt bei Hunden die Wirkungsdauer von D-Tubocurarin und Pancuronium. Eine metabolische Alkalose bewirkt jedoch keine Veränderung in der Wirkungsdauer von D-Tubocurarin, verkürzt jedoch die Wirkungsdauer von Pancuronium (Hill 1978a).
 

Körpertemperatur

Verschiedene Studien bewiesen, dass eine Abnahme der Temperatur von 37°C auf 25°C in-vitro eine Erhöhung der Wirkung von D-Tubocurarin und Pancuronium zur Folge hat (Bigland 1958a; Cannard 1959a; Buckett 1968a; Farrell 1981a; Miller 1978c; Ham 1978a; Aziz 1994a). Diese Resultate weichen von anderen Studien ab, bei welchen eine Abnahme der Wirkung oder keine Veränderung der Wirkung von neuromuskulären Blockern bei tieferen Temperaturen beobachtet wurde (Cannard 1959a; McKlveen 1973a; Miller 1975b; Miller 1977d; Horrow 1983a; Hall 2001m). Diese Unterschiede können möglicherweise damit erklärt werden, dass die Wirkung der Temperatur auf eine neuromuskuläre Blockade jener des pH-Wertes (siehe "extrazellulärer pH-Wert") entgegengesetzt ist. Mit abnehmender Temperatur sinkt in-vitro auch der pH-Wert, und ein tiefer pH-Wert erhöht die Wirkung von D-Tubocurarin. Die verschiedenen pH-Werte in den in-vitro Versuchen könnten somit die unterschiedlichen Resultate der Studien erklären (Bartkowski 1981a).
 
Eine Hypothermie verlangsamt zudem allgemein die Wirkstoffelimination über eine reduzierte renale und biliäre Ausscheidung sowie eine verminderte Enzymaktivität (Paddleford 1992c; Hall 2001m; Dalsanto 1964a; Ramzan 1981a). Die Muskelkontraktion und Nervenleitungsgeschwindigkeit ist reduziert (Martinez 2007a). Bei tiefen Umgebungstemperaturen müssen Muskelrelaxantien deshalb mit Vorsicht verabreicht werden (Martinez 2007a).
 

Alter des Tieres

Die Muskeln von 7 Tage alten Katzen sind weniger sensitiv gegenüber depolarisierenden Wirkstoffen als jene von adulten Katzen (Hall 2001m), jedoch sehr empfindlich gegenüber D-Tubocurarin (Stovner 1970a; Hall 2001m). Sehr junge Tiere tolerieren aufgrund des höheren extrazellulärem Flüssigkeitsvolumens und des, verglichen mit adulten Tieren, grösseren Verteilungsvolumens, Muskelrelaxantien gut (Martinez 2007a). Im Gegensatz dazu können eine verminderte Clearance und noch unreife Rezeptoren die Potenz von Muskelrelaxantien erhöhen (Meakin 1988a; Meretoja 1989a; Meakin 1992a).
 

Neuromuskuläre Erkrankungen

Tiere, welche an Myasthenia gravis leiden, reagieren sehr sensitiv auf die Verabreichung kompetitiver neuromuskulärer Blocker (Hall 2001m), da eine verminderte Anzahl von Rezeptoren vorhanden ist (Martinez 2007a). Ebenso reagieren Patienten mit einer Zeckenlähmung oder Botulismus sehr sensitiv auf nicht-depolarisierende Blocker (Martinez 2007a).
 

Elektrolytstörungen

Ein Mangel an Kalzium (Hall 2001m), Kalium (Ramzan 1981a; Paddleford 1992c) oder Natrium verzögert die Depolarisation der motorischen Endplatte. Durch die Verzögerung der neuromuskulären Weiterleitung erhöht sich die blockierende Wirkung nicht-depolarisierender Muskelrelaxantien (Hall 2001m).
 
Bei Hunden wurde gezeigt, dass Kaliumkonzentrationsunterschiede zwischen den intra- und extrazellulären Kompartimenten die Reaktion auf neuromuskuläre Blocker, wie D-Tubocurarin und Pancuronium, stärker beeinflussen als eine intrazelluläre Kaliumdepletion (Hill 1978a).
 
Eine Hypokalzämie vermindert die Freisetzung von Acetylcholin, verlangsamt das Muskelaktionspotential und reduziert die Kontraktionsstärke des Muskels. Dies erhöht somit die Wirkung neuromuskulärer Blocker (Waud 1980a; Ramzan 1981a; Gramstad 1990a; Paddleford 1992c). Dagegen vermindert eine Hyperkalzämie eine neuromuskuläre Blockade, verursacht durch D-Tubocurarin, Pancuronium und möglicherweise auch andere neuromuskuläre Blocker (Miller 1978b).

Dosierung - speziell

Pferd, Pony (adultes Tier) - Tubocurarinchlorid
intravenös
-0,3 mg/kg (Löscher 2006a)
-bis zu 0,22 - 0,25 mg/kg (Pugh 1991b)
Katze (adultes Tier) - Tubocurarinchlorid
intravenös
-Dosierung bis zur Atemlähmung: 0,2 - 0,4 mg/kg D-Tubocurarinchlorid und i.v. 0,04 mg/kg Atropin (Paddleford 1992c; Erhardt 2004l)
-Nach anticholinerger Prämedikation mit Atropin i.v. 0,04 mg/kg sollte eine D-Tubocurarinchloriddosis von 0,15 - 0,2 mg/kg verwendet werden: langsame Applikation über 2 Minuten und nach Wirkung titriert wegen der Gefahr einer Kreislaufdepression (Paddleford 1992c; Erhardt 2004l)
-0,15 - 0,2 mg/kg D-Tubocurarinchlorid und i.v. 0,04 mg/kg Atropin als Prämedikation; langsame Injektion (Erhardt 2004l)
-0,3 mg/kg (Löscher 2006a)
-200 μg/kg (Hughes 1976a)
-bis zu 0,4 mg/kg (Pugh 1991b)
Hund (adultes Tier) - Tubocurarinchlorid
intravenös
-Dosierung bis zur Atemlähmung: 0,2 - 0,4 mg/kg D-Tubocurarinchlorid und i.v. 0,04 mg/kg Atropin (Paddleford 1992c; Erhardt 2004l)
-Nach anticholinerger Prämedikation mit Atropin i.v. 0,04 mg/kg sollte eine D-Tubocurarinchloriddosis von 0,15 - 0,2 mg/kg verwendet werden: langsame Applikation über 2 Minuten und nach Wirkung titriert wegen der Gefahr der Kreislaufdepression (Paddleford 1992c; Erhardt 2004l)
-0,15 - 0,2 mg/kg D-Tubocurarinchlorid und i.v. 0,04 mg/kg Atropin als Prämedikation; langsame Injektion (Erhardt 2004l)
-0,3 mg/kg (Löscher 2006a)
-130 μg/kg (Booij 1980b)
-bis zu 0,4 mg/kg (Pugh 1991b)
Schwein (adultes Tier) - Tubocurarinchlorid
intravenös
-0,2 - 0,3 mg/kg (Löscher 2006a)
-0,3 mg/kg (Cullen 1996b; Hall 2001i)
-bis zu 0,3 mg/kg (Pugh 1991b)
Rind (Jungtier) - Tubocurarinchlorid
intravenös
-bis zu 0,6 mg/kg (Pugh 1991b)
Schaf (adultes Tier) - Tubocurarinchlorid
intravenös
-0,05 - 0,06 mg/kg (Löscher 2006a)
-Infusion: 0,5 μg/kg●h (Cass 1980b)
-44,5 μg/kg (Cullen 1996b)
Schaf (Jungtier) - Tubocurarinchlorid
intravenös
-bis zu 0,6 mg/kg (Pugh 1991b)
Ziege (adultes Tier) - Tubocurarinchlorid
intravenös
-0,05 - 0,06 mg/kg (Löscher 2006a)