Eigenschaften
Muskelkontraktion
Tubocurarin hemmt die Wirkung von Acetylcholin kompetitiv (Paddleford 1992c). Acetylcholin ist der neuromuskuläre Transmitter und wird in den motorischen Nervenendigungen synthetisiert (Erhardt 2004l). Ein Nervenaktionspotential setzt in einer Muskelendplatte den Inhalt einiger hundert Acetylcholin-Speichervesikel frei, wobei jedes Vesikel etwa 5000 Moleküle Acetylcholin enthält (Starke 2001b; Starke 2005b). Dies geschieht durch eine Erhöhung des intrazellulären Kalziums im präsynaptischen Neuron. Kalzium selbst setzt den Transmitter nicht frei, sondern bindet an das Protein Calmodulin, welches dadurch seine Form verändert und entsprechend aktiviert wird. Das aktivierte Calmodulin verbindet sich mit einem inaktiven Rezeptorprotein, welches den Zusammenschluss der Acetylcholinvesikel mit der präsynaptischen Membran fördert und somit die Übertragung vermittelt (Hall 2001m).Durch die Bindung des Acetylcholins wird eine Konformationsänderung des postsynaptischen Rezeptor-Ionen-Kanals verursacht, welcher sich dadurch öffnet (Hall 2001m). Dieser Rezeptor-Ionen-Kanal besteht aus fünf glykosylierten Proteinuntereinheiten, von denen die zwei α-Rezeptoren nahezu identisch sind (Taylor 2001e; Martinez 2007a). Die fünf Einheiten sind zylinderförmig angeordnet und bilden trichterförmige Poren, welche bei der Muskelmembran in der Endplattenregion lokalisiert sind (Hall 2001m). Um den Ionenkanal zu öffnen, muss Acetylcholin an beide α-Untereinheiten des Rezeptors binden (Hall 2001m). Durch die Aktivierung der Rezeptoren wird die Membran depolarisiert (Endplattenpotential). Erreicht die Depolarisation das Schwellenpotential von etwa -50 mV, so öffnen sich spannungsabhängige Natriumkanäle, und es entsteht ein Muskelaktionspotential, das über die Muskelfaser hinweg verläuft und entlang des transversalen Tubulussystem in ihr Inneres eindringt. Dieses setzt aus dem sarkoplasmatischen Reticulum Ca2+ ins Sarkoplasma frei. Ca2+ aktiviert die kontraktilen Proteine und bewirkt somit eine Kontraktion der Muskelfaser (Starke 2005b).
Muskelrelaxation
In der Folge wird Acetylcholin durch das Enzym Acetylcholinesterase hydrolysiert, so dass die Muskelmembran repolarisiert und der ursprüngliche Permeabilitätszustand wiederhergestellt wird (Erhardt 2004l).Wirkungsort
Alle muskulären Relaxantien wirken an der neuromuskulären Endplatte(Erhardt 2004l; Martinez 2007a), welche aus der präsynaptischen motorischen Nervenendigung, dem synaptischen Spalt und der postsynaptischen Membran der Muskelfaser besteht (Martinez 2007a). An der präsynaptischen Membran befinden sich zwei Gruppen cholinerger Rezeptoren:1. | nikotinerge Rezeptoren, welche bei tiefer Acetylcholinkonzentration ein positives Feedback auslösen und somit die Acetylcholinfreisetzung fördern |
2. | muskarinerge Rezeptoren, welche bei hoher Acetylcholinkonzentration ein negatives Feedback auf die Acetylcholinfreisetzung auslösen (Hall 2001m). |
Die Wirkung der Muskelrelaxantien wird über nikotinerge Rezeptoren vermittelt. Diese befinden sich auf der postsynaptischen (Hall 2001m; Starke 2005b) und präsynaptischen (Hubbard 1969a; Ferry 1988b; Martinez 2007a) Membran, sowie auch an autonomen Ganglien (Martinez 2007a). Ausserhalb der neuromuskulären Endplatte werden bei adulten Säugetieren nur wenige nikotinerge Rezeptoren exprimiert. Dies ist bei Muskeln der Fall, welche nur eine geringe Stimulation von motorischen Nerven erhalten (Steinbach 1981a). Nach einer Verletzung des Rückenmarks oder nach längerer Immobilisierung (z.B. durch Gipsverband) kann sich die Anzahl der Rezeptoren ausserhalb der neuromuskulären Endplatte erhöhen. Diese extrasynaptischen Rezeptoren, welche über die ganze Muskeloberfläche verteilt sein können, sind ebenfalls bei Neugeboren vorhanden (Fambrough 1979a; Stya 1984a) und reagieren stärker auf depolarisierende Muskelrelaxantien wie zum Beispiel Succinylcholin, als die Rezeptoren im synaptischen Spalt (Azar 1984a).
Wirkungsmechanismus
Peripher wirkende Muskelrelaxantien können die Impulsübertragung unterschiedlich beeinflussen: entweder durch eine Blockade (nicht-depolarisierende Muskelrelaxantien) der Acetylcholinrezeptoren (Erhardt 2004l), wobei die Wirkstoffe selber neutral sind und somit keine direkte intrinsische Aktivität besitzen (Löscher 2002a), oder durch eine Acetylcholin-ähnliche Wirkung, welche eine Dauerdepolarisation (depolarisierende Muskelrelaxantien) hervorruft (Erhardt 2004l).Muskelrelaxantien werden wie folgt unterteilt:
- | Zentral wirkende Muskelrelaxantien: Guaifenesin |
- | Peripher wirkende Muskelrelaxantien: |
- | Depolarisierende Muskelrelaxantien: Succinylcholin |
- | Nicht-depolarisierende (kompetitive) Muskelrelaxantien: Tubocurarin, Pancuronium (Erhardt 2004l) |
Einige neuromuskuläre Blocker sind partielle Agonisten: sie besitzen eine begrenzte depolarisierende und eine kompetitive Wirkung. Andere Wirkstoffe sind sowohl prä- als auch postsynaptisch wirksam; unter klinischen Bedingungen können Wirkungen auftreten, welche noch nicht genauer bekannt sind (Hall 2001m).