2. Quellen
- | In der Praxis treten beim Tier eher Eisenmangelerkrankungen auf. Vergiftungen können durch Fehlapplikation oder Fehldosierung eisenhaltiger Präparate erfolgen, da neugeborenen Tieren zur Prophylaxe einer Eisenmangelanämie Eisenpräparate gespritzt oder zugefüttert werden. Toxisch ist auch die übermässige Einnahme gut löslicher Eisensalze, die in Ergänzungspräparaten (beispielsweise für Sportpferde), Multivitamin-Präparaten, Eisentabletten (oft mit Zuckerüberzug), Schneckengift, sauerstoff-absorbierenden Sachets, Handwärmekissen und Düngern vorkommen. Eisen-Tabletten sind röntgendicht, Eisen-Kapseln jedoch nicht. |
- | Ungefährlich sind metallisches Eisen und Rost (Eisenoxid). |
3. Kinetik
- | Eisen muss ionisiert sein, um absorbiert werden zu können. Fe2+ ist besser bioverfügbar als Fe3+. Die Aufnahme des zweiwertigen Eisens erfolgt hauptsächlich im Duodenum und oberen Jejunum. Dreiwertiges Eisen muss reduziert werden, bevor es resorbiert werden kann. Im Blut wird das Eisen wieder in der dreiwertigen Form an das Transferrin gebunden. Andere Metalle oder Liganden (zum Beispiel Oxalsäure), die schwerlösliche Eisenkomplexe bilden, hemmen die Eisenresorption. Im Körper ist Eisen zu etwa 70% an Hämoglobin gebunden, den Rest findet man im Myoglobin, Hämosiderin oder als Ferritin in den Zellen gespeichert; letzteres vor allem bei einer Überdosierung, da Tiere nicht in der Lage sind, das überschüssige Eisen auszuscheiden. Eisen, das beim Hämoglobin- und Myoglobin-Abbau frei wird, wird zu einem grossen Teil wiederverwendet. Nur etwa 10% des Eisens werden mit Faeces, durch Abschilferung von Magen-Darm-Zellen sowie Blutverlust, Harn oder Schweiss ausgeschieden. |
- | Eisenhaltige Schneckenkörner enthalten in der Regel 12.5-15 g/kg Eisen-III-Phosphat, das 37% Eisen-III enthält. Pro Kilogramm Schneckenkörner muss demzufolge mit 4.6-5.6 g Fe3+ gerechnet werden. |
Salz | Enthaltenes elementares Eisen (%) |
Eisen (als Eisen II-Salz, "ferrous") | 100 |
Eisen (als Eisen III-Salz, "ferric") | 100 |
Eisenammoniumcitrat (Ammoniumeisen-III-citrat) | 15 |
Eisenchlorid (Eisen-III-chlorid) | 34 |
Eisenhydroxid (Eisen-III-hydroxid) | 63 |
Eisenphosphat (Eisen-III-phosphat) | 37 |
Eisenpyrophosphat (Eisen-III-pyrophosphat) | 30 |
Ferrocholinat (Eisen-III-cholincitrat) | 12 |
Ferroglycinsulfat (Eisen-II-glycin-sulfat) | 16 |
Eisenfumarat (Eisen-II-fumarat) | 33 |
Eisencarbonat (Eisen-II-carbonat) | 48 |
Eisenglukonat (Eisen-II-gluconat) | 12 |
Eisenlactat (Eisen-II-lactat) | 24 |
Eisen-II-sulfat (wasserfrei) | 37 |
Eisen-II-sulfat (Hydrat) | 20 |
Peptonisiertes Eisen | 17 |
4. Toxisches Prinzip
- | Eisenverbindungen sind stark korrosiv sowie reaktiv. In hoher Dosierung hat Eisen eine stark reizende Wirkung auf die Schleimhäute des Magen-Darm-Traktes und ermöglicht durch die Schädigung der Schleimhautintegrität eine erhöhte Eisenaufnahme. Wird die Bindungskapazität des Transferrins im Blut überschritten, kommt es zu schweren Vergiftungserscheinungen. |
- | Die Radikalbildung spielt beim Mechanismus der Zellschädigung durch Eisenionen eine bedeutende Rolle. Übergangsmetallionen wie Fe2+/Fe3+ oder Cu+/Cu2+ sind in der Lage, Sauerstoffspezies mit geringer Toxizität (zum Beispiel ●O2, NO oder H2O2) in das äusserst reaktive Hydroxylradikal (●OH) umzuwandeln. Solche Radikalübergänge wurden bereits 1934 von Haber und Weiss postuliert und werden deshalb gesamthaft als Haber-Weiss-Reaktion bezeichnet. Das dabei entstehende Hydroxylradikal ist ein besonders starkes Oxidationsmittel: es reagiert mit organischen Molekülen und setzt die Lipidperoxidation in Gang, die sich kettenreaktionsartig über den Zellmembranen ausbreitet und Gewebeschädigungen sowie -nekrosen im Gastrointestinaltrakt, Leber- und Herzparenchym bewirken. Die oxidative Schäden können auch zu Vasodilatation, Gefässleckagen und Blutungen führen, bei schwerer Schädigung sogar zu einer Koagulopathie. Sekundär können ZNS-Ödeme und eine hepatische Enzephalopathie auftreten. Die Flüssigkeits- und Elektrolytsverluste sowie die direkte Mitochondrialschädigung führen zu einer schweren metabolischen Azidose. Nach der Genesung muss mit Strikturen im Bereich der Speiseröhre oder Gastrointestinaltrakt gerechnet werden. |
- | Aufgrund der toxischen Wirkung des freien Eisens werden zur Behandlung von Mangelkrankheiten dreiwertige Verbindungen, meist als Komplex mit Dextran, verwendet. Diese Komplexe dürfen nicht intravenös injiziert werden. |
5. Toxizität bei Labortieren
Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):
| Maus | Ratte | Kaninchen | Huhn |
Ammoniumeisensulfat (Mohrs Salz, FeH8N2O8S2) | | 3'250 | | |
Eisen | | 30'000 | | |
Eisen(II)ammoniumsulfat | | 3'250 | | |
Eisen(III)chlorid | 1'280 | | | |
Eisen(III)dextran | 1'000 | | | |
Eisen(II)fumarat | 1'570 | 3'850 | | |
Eisenpentacarbonyl | | | 12 | |
Eisen(II)sulfat | 680-1'520 | 319 | 600 | |
II. Spezielle Toxikologie - Schwein
1. Toxizität
1.1 | Perakute und akute Formen |
Je nach Verabreichungsart und Präparatform ergeben sich unterschiedliche Krankheitsbilder.
- | Injektionspräparate, die Eisen in ionischer Form enthalten, führen zu lokalen Reizungen und Verfärbungen der Muskulatur. |
- | Injektionspräparate, die bakteriell (meist Anaerobier oder Eitererreger) verunreinigt sind, führen ebenfalls zu lokalen Reizungen und Verfäbungen der Muskulatur, können aber auch zu systemischen Erkrankungsfällen führen. |
- | Ferkel von Muttertieren, die während der Trächtigkeit zu viel ungesättigte Fettsäuren und zu wenig Vitamin E und Selen erhalten haben, zeigen nach Eiseninjektion Apathie, Dyspnoe und Bewegungsstörungen, meist mit tödlichem Ausgang. Bei der Sektion werden regelmässig Hydrothorax und wachsartige Degeneration der Skelettmuskulatur vorgefunden. Diagnostisch wertvoll ist die Tatsache, dass meist der ganze Wurf erkrankt und stirbt. |
- | Bei Ferkeln, die am gleichen Tag eine Cholecalciferol- und eine Eiseninjektion erhalten, kann es zur Calciphylaxie kommen. Zuerst kommt es an der Injektionstelle zu einer Verhärtung, nachher zu einer Kazifizierung der inneren Organe, bevorzugt von Lunge, Herz und Nieren. Die Folge sind Kümmern, Polyurie, Polydipsie, Dyspnoe und Husten. |
- | Bei Ferkeln, die bereits an einer Colidurchfall leiden, kann es durch eine Eiseninjektion zu einer Resistenzsteigerung der Colibakterien kommen, was zu einer hochgradigen systemischen Erkrankung und zum Tod führen kann. |
- | Als Folge einer Applikation an der falschen Körperstelle, zum Beispiel lange Sitzbeinmuskulatur, kann es zu Lahmheiten kommen. |
- | Bei der oralen Eisenaufnahme ist die Gefahr von Komplikationen bei Verabreichung von Eisensalzen höher als bei Verabreichung von elementarem Eisen. So kann es bei Verabreichung von 600 mg Eisensulfat pro kg Körpergewicht an 3-10 Tage alte Ferkel zu schweren Magenschleimhautschädigungen, Erbrechen, schwarzfarbenem Durchfall, Entwicklungsstörungen, zentralnervösen Störungen und zu Todesfällen kommen. |
2. Latenz
Je nach Präparat und Art der Aufnahme zwischen einer halben Stunde und mehreren Wochen.
3. Symptome
3.1 | Allgemeinzustand, Verhalten |
| Verminderte Futteraufnahme bis komplette Anorexie, Kümmern, Apathie bis Koma, Festliegen, Tod, Inkoordination, Schwanken, Durst, Trippeln, hundesitzige Haltung |
|
3.2 | Nervensystem |
| Tremor, Krämpfe, Kältezittern |
|
3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Erbrechen bei oraler Toxinaufnahme |
|
3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Profuser Durchfall, Meläna |
|
3.5 | Respirationstrakt |
| Dyspnoe, Tachypnoe, Husten |
|
3.6 | Herz, Kreislauf |
| Terminal Tachykardie |
|
3.7 | Bewegungsapparat |
| Lahmheit |
|
3.8 | Augen, Augenlider |
| Keine Symptome |
|
3.9 | Harntrakt |
| Polyurie |
|
3.10 | Haut, Schleimhäute |
| Bei lokalen Phänomenen an Injektionsstelle kommt es zu Schwellungen, Verhärtungen, Verfärbungen und Abszessbildungen |
|
3.11 | Blut, Blutbildung |
| Anämie |
|
3.12 | Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation |
| Keine Symptome |
4. Sektionsbefunde
Wegen der verschiedenen Erkrankungsformen präsentieren sich die Sektionsresultate und histologischen Befunde äusserst vielfältig.
Es müssen lokale und systemische Befunde unterschieden werden:
- | Lokale Befunde sind Abszesse, Phlegmonen und Nekrosen bei Injektion von verunreinigten Präparaten; Präparate, die Eisen in ionisierter Form enthalten und Injektion an einer ungeeigneten Körperstelle. |
- | Systemische Befunde sind wachsige Skelett- und Herzmuskeldegeneration, Hämorrhagien in Leber, Herz und Nieren und braunschwarze Verfärbung der Injektionsstelle bei vorliegen eines Vitamin E-Mangels; Calcifizierung von Nieren, Herz, Injektionsstelle und Lungen bei Calciphylaxie; Dehydratation und Enteritis bei Colidiarrhoe. |
Meist katarrhalische bis nekrotisierende Gastroenteritis.
5. Weiterführende Untersuchungen
5.1 | Allgemeine Fragen bei Verdacht auf Eisenintoxikation |
Wichtig ist eine genaue Fütterungs- und Behandlungsanamnese. Folgende Fragen stellen ein mögliches Vorgehen dar:
- | Wurde während der letzten Tage eine Injektionsbehjandlung mit Eisen und/oder Cholecalciferol vorgenommen und, wenn ja, was für eine galenische Form hatte das Eisenpräparat und gab es einen Abstand von mindestens 2 Tagen zwischen Cholecalciferol- und Eiseninjektion? |
- | Wie sieht das Eisenpräparat aus? Es ist besonders auf Verunreinigungen der Flüssigkeit als auch des Fläschchendeckels zu achten. Werden die Nadeln regelmässig ausgewechselt? Werden noch andere Medikamente und/oder Behandlung mit den gleichen Spritzen und Nadeln vorgenommen? |
- | Wurde während der letzen Tage Eisen zur oralen Aufnahme verabreicht? Wenn ja, in welcher Form und Menge? |
- | Wie sah der Fütterungsplan für die Mutterschweine während der Galtzeit aus? In Zweifelfällen sollte, falls das betroffene Futter noch vorrätig ist, eine Futterprobe auf den Gehalt an Vitamin E und ungesättigten Fettsäuren untersucht werden. |
Bestimmung des Eisenspiegels im Blut (Normalwert 1g Eisen pro Liter Blut).
6. Differentialdiagnosen
Schwellungen und Verfärbungen der Subkutis und Muskulatur als Folge einer Injektion mit verunreinigter Nadel oder verdorbener Injektionslösung, mechanischer Einwirkung oder Verletzungen.
Calciphylaxie als Folge von Verzehr von Goldhafer bei Tieren mit Weideauslauf.
6.1 | Plötzliche Todesfälle ohne oder mit wenig vorausgehenden Symptomen |
Perakut oder akut verlaufende Infektionskrankheiten; wie zum Beispiel Ödemkrankheit; hochgradige Anämie oder Blutverlust; Herz-/Kreislaufversagen; Unfälle mit Blitzschlag oder Elektrizität; andere Intoxikationen (
Aflatoxine,
Botulismus,
chlorierte Kohlenwasserstoffe,
Cholecalciferol,
Cumarinderivate,
Cyanamid,
Dipyridinium-Herbizide,
Ethylenglykol,
Fumonisine,
Ionophore,
Kochsalz/Trinkwassermangel,
Kohlenmonoxid,
Metaldehyd,
Nitrat/Nitrit,
Organophosphate und Carbamate,
Phenoxycarbonsäure-Herbizide,
Quecksilber,
Schwefelwasserstoff,
Selen,
Strychnin).
Viral, bakteriell, diätetisch; Magengeschwüre, Haarballen, Fremdkörper; Vitaminmangel (Riboflavin, Thiamin); andere Intoxikationen (
Aflatoxine,
Amitraz,
Arsenverbindungen,
Avermectine,
Blei,
Cadmium,
Cholecalciferol,
Cyanamid,
Dipyridinium-Herbizide,
Ethylenglykol,
Fusarientoxine,
Fluor,
Ionophore,
Kochsalz/Trinkwassermangel,
Kupfer,
Metaldehyd,
Nitrat/Nitrit,
Organophosphate und Carbamate,
Phenoxycarbonsäure-Herbizide,
Pyrethroide,
Quecksilber,
Schwefelwasserstoff,
Selen,
Stachybotryotoxin,
Stickstoffdioxid).
6.3 | Blutige oder schwarze Fäzes und Meläna |
Verletzungen im Rektal- oder Analbereich; massiver Befall mit Peitschenwürmern; Erkrankungen, die zu Blutverlust im Gastrointestinaltrakt führen wie Magengeschwüre, Bezoare; Darminfektionen mit Lawsonia intrazellularis, Brachyspira pilosicoli; andere Intoxikationen (
Aflatoxine,
Arsenverbindungen,
Blei,
Cadmium,
Cumarinderivate,
Dipyridinium-Herbizide,
Fusarientoxine,
Kupfer,
Metaldehyd).
Panaritium; Beinschwächesyndrom/Osteochondrose; Trauma; Arthritiden (zum Beispiel Gelenksrotlauf, Polyarthritis der Saugferkel, Glässer'sche Krankheit); andere Intoxikationen (
Cholecalciferol,
Cumarinderivate,
Fluor,
Selen,
Zink).
Zystitiden, Nephritiden; Hyperparathyreoidismus; andere Intoxikationen (
Amitraz,
Chinoxalinderivate,
Cholecalciferol,
Fusarientoxine,
Harnstoff,
Kochsalz/Trinkwassermangel,
Ochratoxin,
Quecksilber).
Eisenmangel; Infektionskrankheiten, die zu Blutverlust führen wie Lawsonia, Brachyspira; hochgradiger Befall mit Peitschenwürmern oder Sarcoptes suis, Magengeschwüre, Bezoare; andere Intoxikationen (
Aflatoxine,
Blei,
Cadmium,
Cumarinderivate,
Fusarientoxine,
Kupfer,
Mutterkornalkaloide,
Selen,
Zink).
7. Therapie
Meist ist eine Therapie erkrankter Tiere wenig erfolgversprechend. Eine symptomatische Therapie kann bei lokalen Schwellungen (Desinfektion, Injektion von Breitspektrumantibiotikum und gegebenenfalls Entzündungshemmern) und bei hämorrhagischer Gastroenteritis probiert werden.
Wichtige vorbeugende Massnahmen sind bei Verdacht auf ungenügenden Vitamin E-Gehalt im Muttersauenfutter allen Ferkel einen Tag vor der Eisenapplikation 10-20 mg Tokopherol zu injizieren. Ausserdem sollte eine gleichzeitige Injektion von Eisen und Cholecalciferol unbedingt vermieden werden. Ein Mindestabstand von zwei Tagen sollte bei korrekter Dosierung die Gefahr der Calciphylaxie verhindern.
8. Fallbeispiel
Einhundertfünzig Ferkel erhielten am dritten Lebenstag intramuskuläre Injektionen von je 120 mg Eisengalaktan und 125'000 I.U. Cholecalciferol. Die Injektionen erfolgten in zwei Extremitäten. Innerhalb von 2 Tagen fielen dem Tierbesitzer ungewöhnliche Schwellungen an den Injektionstellen, an denen das Eisengalaktan verabreicht worden war, auf. Innerhalb von drei Wochen verendeten 10 Ferkel und 38 waren krank. Die Schwellung schien adspektorisch nicht die Folge einer Infektion zu sein und auch eine Unverträglichkeitsuntersuchung des Eisengalaktanpräparates verlief negativ. Die histologische Untersuchung der Injektionsstellen zeigten Ablagerungen von Calcium. Zwei kranke Tiere wurden später seziert und zeigten bei der histologischen Untersuchung Calcifikation der Injektionsstelle, der Nieren, der Aorta und der grossen Arterien.
Abschliessend muss gesagt werden, dass die Cholecalciferolinjektion massiv überdosiert (Richtwert 2000 I.U. anstelle der injizierten 125'000 I.U.) und die Injektionen am gleichen Tag erfolgten (Mindestabstand von zwei Tagen) (Ablett et al., 1969).
9. Literaturverzeichnis
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