2. Quellen
Pyrethroide werden als Insektizide und Akarizide zur Bekämpfung von Schädlingen verwendet. Viele Spritzmittel und Köder zur Fliegenbekämpfung in Rinderställen enthalten
Pyrethroide. Ausserdem kommen diese Verbindungen als Ektoparasitika in Shampoos, Ohrclips, Tauchbädern, Halsbändern, Pour-on (Aufgusslösungen) und Spot-on Präparaten am Tier zur Anwendung.
3. Kinetik
Pyrethroide werden, ausser bei Reptilien, dermal kaum resorbiert. Nach der oralen Aufnahme liegt die Bioverfügbarkeit bei 60%, bei inhalativer Aufnahme erfolgt die Resorption nahezu vollständug. Im Magen-Darm-Trakt und in der Leber findet eine rasche Biotransformation statt, so dass innerhalb von 6 Stunden die ursprünglich aufgenommene Menge weitgehend ausgeschieden ist. Ein Grossteil der Metaboliten liegt in Form von Konjugaten vor.
Katzen sind wegen der verminderten Aktivität ihrer Glucuronyltransferase besonders empfindlich gegenüber
Pyrethroiden und dürfen deshalb nicht mit pyrethroidhaltigen Spot-on Präparaten behandelt werden.
Pyrethroide werden häufig mit einem gering toxischen Synergisten (Piperonylbutoxid; orale LD
50 für die Ratte 7.5 g/kg) kombiniert, der die Biotransformationsfähigkeit der Arthropoden vermindert und somit die Pyrethroidwirkung verstärkt. Weitere Synergisten der
Pyrethroide sind Tropital (LD
50 für die Ratte 4 g/kg), S 421(= Octachlordipropylether; LD
50 für die Ratte 8 g/kg), Sulfoxid (LD
50 für die Ratte 2 g/kg) sowie N-Octylbicycloheptendicarboxymid (= MGK-264).
4. Toxisches Prinzip
Allen Vertretern dieser Stoffgruppe ist eine hohe toxische Selektivität für Arthropoden und eine dementsprechend niedrige Toxizität für Säugetiere, Vögel und Reptilien gemeinsam. Bei Reptilien wird empfohlen, Pyrethroide nach vorsichtiger Anwendung sofort wieder mit lauwarmem Wasser abzuwaschen.
Vergiftungen mit Formulieren sind oft nicht auf die enthaltenen
Pyrethroide, sondern auf die zusätzlichen Bestandteile des Insektizid-Präparates zurückzuführen. In Frage kommen hier Lösungsmittel (Isopropanol, aliphatische Kohlenwasserstoffe) sowie Mischungen mit Organophosphaten oder Carbamaten.
Als Nervengifte blockieren die
Pyrethroide das Schliessen spannungsabhängiger Na
+-Kanäle in der Membran von Neuronen und prolongieren damit die Depolarisation. Diskutiert wird auch der Einfluss auf andere Kanäle (zum Beispiel Chlorid-Kanäle bei Typ II Pyrethroiden). Durch die verlängerte Depolarisation kommt es zur ZNS-Erregung.
Des weiteren reizen sie die Haut, Schleimhäute und Augen. Nach der Inhalation von
Pyrethroiden treten eine Reizung der oberen, in Form von Rhinitis und Larynxödem, sowie der unteren Atemwege auf. In seltenen Fällen können durch
Pyrethroide allergische Reaktionen ausgelöst werden.
5. Toxizität bei Labortieren
Die orale Toxizität der
Pyrethroide ist stark abhängig vom verwendeten Träger und es sind beträchtliche Unterschiede zwischen einzelnen Studien festzustellen. Im allgemeinen sind wässrige Suspensionen der
Pyrethroide weniger toxisch als ölige Darreichungsformen.
Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):
| Maus | Ratte | Kaninchen | Huhn | Vögel* |
Allethrin | 480 | 585-1'100 | 4'290 | | |
Alphamethrin | | 70-400 | | | |
Barthrin | | 54.5 | | | |
Bifenthrin | | 54 | | | |
Bioresmethrin | | 8'600-8'800 | | | |
Cyfluthrin | 300-600 | 250-1'200 | | | |
Cyhalothrin | | 144-166 | | | |
Cypermethrin | 35-138 | 40-800 | 960 | > 2'000 | |
Cyphenothrin | | 318-419 | | | |
Deltamethrin (= Decamethrin) | 3'450 | 30 bis > 5'000 | | 1'000-5'000 | |
Depallethrin | | 920 | | | |
Emphenthrin | | 1'680-2'280 | | | |
Fenpropathrin | | 18-71 | | | |
Fenvalerat | | 450-3'200 | | > 1'600 | |
Fluvalinat | 156-222 | 261 bis > 3'000 | | | |
Lambdacyhalothrin | | 56-79 | | | |
Permethrin | > 5'000 | 910-4'000 | 4'000 | > 3'000 | |
Phenothrin | | > 10'000 | | | |
Phthalthrin (= Tetramethrin) | 1'000 | > 5'000 | | | |
Prallethrin | | 460-640 | | | |
Pyrethrum (= Pyrethrine) | 273-900 | 200-1'200 | | | |
Resmethrin | 1'390 | 1'400-1'600 | | | |
Tefluthrin | | 22 | | | |
Transfluthrin | 583 | | | | >1890 |
*)
Colinus virginianus (Virginiawachtel) und
Serinus canarius (Kanarengirlitz)
6. Umwelttoxikologie
Pyrethroide besitzen bessere Umwelteigenschaften als die früheren Generationen von Insektiziden wie Organophosphate oder chlorierte cyklische Kohlenwasserstoffe, da sie für Säuger, Vögel und Reptilien weniger toxisch sowie chemisch und enzymatisch relativ gut abbaubar sind. Problematisch hingegen ist ihre hohe Toxizität gegenüber Fischen und aquatischen Kleinlebewesen, da es immer wieder zu akzidentellen Gewässerverschmutzungen mit
Pyrethroiden kommt. Der LC
50-Wert von Permethrin für die Larven der Regenbogenforellen beträgt zum Beispiel nur 0.6 µg/Liter. So kam es 1993 zu einem ausgedehnten Fischsterben im Bach Goldach in der Ostschweiz: auf 20 km Länge wurde der gesamte Fischbestand bis zum Bodensee hin vernichtet. Die Ursache war Permethrin, das als Mottenschutzmittel in einer Textilreinigungsfirma angewendet wurde und in hohen Konzentrationen über die Kläranlage in den Bach gelangte. Beunruhigend ist auch die hohe Beständigkeit dieser Stoffe in Innenräumen. So können synthetische
Pyrethroide zum Beispiel in Teppichen über Jahre persistieren und für Allergiker gefährlich werden.
II. Spezielle Toxikologie - Schwein
1.Toxizität
Synthetische Pyrethroide sind für Säugetiere wegen ihrer relativ schnellen Metabolisierung durch den Körper relativ untoxisch und Intoxikationen bei Schweinen sind eher unwahrscheinlich.
2. Latenz
Meist nach wenigen Stunden, kann aber bei dermaler Aufnahme verzögert sein.
3. Symptome
3.1 | Allgemeinzustand, Verhalten |
| Apathie, Depression; Erregung; Hypo- oder Hyperthermie; Orientierungslosigkeit; steifer Gang, Inkoordination |
|
3.2 | Nervensystem |
| Hyperästehsie, Tremor, Anfälle |
|
3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Erbrechen, Salivation |
|
3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Durchfall |
|
3.5 | Respirationstrakt |
| Tachypnoe, Dyspnoe |
|
3.6 | Herz, Kreislauf |
| Tachykardie |
|
3.7 | Bewegungsapparat |
| Keine Symptome |
|
3.8 | Augen, Augenlider |
| Keine Symptome |
|
3.9 | Harntrakt |
| Keine Symptome |
|
3.10 | Haut, Schleimhäute |
| Keine Symptome |
|
3.11 | Blut, Blutbildung |
| Keine Symptome |
|
3.12 | Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation |
| Keine Symptome |
4. Sektionsbefunde
Wegen des akuten Verlaufes meist keine spezifischen Veränderungen. Histopathologisch nachweisbare unspezifische Degenerationen in Leber und Nieren.
5. Weiterführende Untersuchungen
Im Mageninhalt, Niere und/oder Leber. Wichtig ist, dass das Untersuchungsmaterial schnellstmöglich untersucht wird, da Pyrethroide sehr schnell metabolisiert werden.
6. Differentialdiagnosen
Viral, bakteriell, diätetisch, Magengeschwüre, Haarballen, Fremdkörper, Vitaminmangel (Thiamin, Riboflavin), andere Intoxikationen (Aflatoxine, Amitraz, anorganische Arsenverbindungen, Avermectine, Blei, Cadmium, Cholecalciferol, Cyanamid, Dipyridinium-Herbizide, Eisenverbindungen, Ethylenglykol, Fusarientoxine, Fluor, Ionophore, Kochsalz/Trinkwassermangel, Kupfer, Metaldehyd, Nitrat/Nitrit, Organophosphate und Carbamate, Phenoxycarbonsäure-Herbizide, Quecksilber, Schwefelwasserstoff, Selen, Stachybotryotoxin, Stickstoffdioxid).
Schleimhautreizende Stoffe, Infektionskrankheiten wie Vesikulärkrankheit/SVD, Aujeszky'sche Krankheit/AUJ, Tollwut, Maul- und Klauenseuche, andere Intoxikationen (Amitraz, Blei, Botulismus, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Dipyridinium-Herbizide, Fumonisin, Kochsalz/Trinkwassermangel, Metaldehyd, Nitrat/Nitrit, Organophosphate und Carbamate, Phenoxycarbonsäure-Herbizide, Qucksilber, Quinoxalinderivate, Schwefelwasserstoff, Selen).
Diätetisch, viral, bakteriell, parasitär, andere Intoxikationen (Aflatoxine, anorganische Arsenverbindungen, Blei, Cadmium, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Cholecalciferol, Cyanamid, Eisenverbindungen, Fusarientoxine, Fluor, Ionophore, Kochsalz/Trinkwassermangel, Metaldehyd, Mutterkornalkaloide, Ochratoxine, Organophosphate und Carbamate, Quecksilber, Phenoxycarbonsäure-Herbizide, Quecksilber, Schwefelwasserstoff, Zearalenon, Zink).
6.4 | Tachypnoe, Dyspnoe anderer Genese |
|
6.5 | Tachykardie anderer Genese |
7. Therapie
7.1 | Verhinderung einer weiteren Toxinresorption (bei oraler Aufnahme): Durch Verabreichung von 2 bis 8 g Aktivkohle pro kg Körpergewicht in Wasser aufgelöst. Danach 0.5 mg Magnesium- oder Natriumsulfat pro kg Körpergewicht, peroral verabreicht als zehnprozentige Lösung. |
|
7.2 | Verhinderung einer weiteren Toxinresorption (bei dermaler Aufnahme): Absprühen oder sanftes Abwaschen mit kaltem Wasser und (eventuell) milder Seife. |
|
7.3 | Atem- und Kreislaufstimulation: Mit 5 bis 6 mg Theophyllin pro kg Körpergewicht als intravenöse Injektion. |
|
7.4 | Kein Antidot |
|
7.5 | Kontraindizierte Therapien: Perorale Verabreichung von Oelen oder Fetten, da dies die Resorptin von Pyrethroiden beschleunigt. |
8. Fallbeispiel
Es liegt uns kein ausreichend dokumentierter Fallbericht vor.
9. Literaturverzeichnis
Aiello SE (1998) The Merck Veterinary Manual. Merck Whitehouse Station NJ, pp 2066-2067
Carson TL (1999) Toxic minerals, chemicals, plants, and gases. In: Diseases of Swine-8th Edition (BE Straw, S D'Allaire, WL Mengeling & DJ Taylor ed.), Iowa State University Press, Ames, p 788
European medicines agency (EMA) (2014) Assessment report on Transfluthrin. Regulation (EU) n°528/2012 concerning the making available on the market and use of biocidal products, 8052_1404-18
Lorgue G, Lechenet J & Rivière A (1996) Clinical Veterinary Toxicology. Blackwell Science Oxford, pp 163-164
Löscher W (1994) Pharmaka mit Wirkung auf das Zentralnervensystem. In: Grundlagen der Pharmakotherapie bei Haus- und Nutztieren (W Löscher, FR Ungemach & R Kroker Hrsg.), Parey Berlin, p 111