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Fumonisine

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Fumonisin B1 und B2 sind Mycotoxine, die von Fusarium moniliforme, F. tricinctum, F. sporotrichoides, F. solani und anderen Fusarienarten produziert werden. Fumonisin B1 und B2 weisen eine extreme Stabilität gegenüber hohen Temperaturen (bis zu 100°C) auf und bleiben auch bei der Lagerung beispielsweise in kontaminiertem Futter bis zu fünf Jahren lang aktiv.
 

2. Quellen

Fusarien sind Feldpilze, die vor allem Mais, seltener Hafer und andere Getreidearten befallen. Fumonisine scheinen bei extremen Wetterbedingungen gebildet zu werden, die genauen Bedingungen sind nicht bekannt. Weltweit sind 59% der Mais- oder Maisprodukt-Stichproben mit FB1 kontaminiert.
 

3. Kinetik

Fumonisine werden über den Magen-Darm-Trakt resorbiert. Genaue Daten über Bioverfügbarkeit, Serumhalbwertszeit, Verteilungsvolumen, Metabolismus oder Ausscheidung sind nicht bekannt. Fumonisine werden nicht über die Milch ausgeschieden.
 

4. Toxisches Prinzip

-Leukoencephalomalazie: Beim Pferd wirken Fumonisin B1 und B2 hauptsächlich neurotoxisch (Kolliquationsnekrosen in der weissen Substanz der Grosshirnhemispheren). Die Hirnnekrosen enstehen wahrscheinlich aufgrund einer Störung der Sphingolipidsynthese durch Hemmung der Sphingosin-N-acetyltransferase.
-Fumonisine besitzen auch hepatotoxische Effekt, möglicherweise ebenfalls durch Hemmung der Sphingosin-N-acetyltransferase.
-Beim Schwein induzieren die Fumonisine ein Lungenödem (Mechanismus unbekannt).
 

5. Toxizität bei Labortieren

Es konnten in der Literatur keine Angaben zur oralen Toxizität der Fumonisine bei Labortieren gefunden werden.
 

II. Spezielle Toxikologie - Schwein

1.Toxizität

Fumonisin B1 und B2 sind ähnlich toxisch. Fumonisin B3 ist für Schweine untoxisch.
 
1.1Akute Toxizität
Ab 8 mg Fumonisin B1/kg Körpergewicht ist mit Leberveränderungen, ab 16 mg Fumonisin B1/kg Körpergewicht mit der akuten Lungenform zu rechnen.
 
1.2Chronische Toxizität
Die toxische Dosis ist 25 ppm Fumonisin B1 im Futter. Allerdings treten auch bei tieferen Konzentrationen von Fumonisin, bei normaler Futterverwertung und Gewichtszunahme, leichtgradiges Lungenödem und Leberveränderungen auf. Ein No Effect Level konnte noch nicht bestimmt werden.
 

2. Latenz

Bei der akuten Lungenform wenige Tage, selten weniger als 24 Stunden. Bei der Leberform und der chronischen Toxizität mehrere Wochen.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Anorexie, Gewichtsverlust; Depression, Festliegen, Tod; bei der Lungenform anfangs Rastlosigkeit
  
3.2Nervensystem
Keine Sympome
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Speicheln
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Keine Symptome
  
3.5Respirationstrakt
Bei Lungenform sich schnell verschlimmernde Tachypnoe und terminal Dyspnoe und Maulatmung
  
3.6Herz, Kreislauf
Keine Symptome
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Haut, Schleimhäute
Bei Leberform Ikterus, bei Lungenform terminal Zyanose (bläuliche Schleimhäute)
  
3.11Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Bei akuter Form Abort wenige Tage nach Beginn der Erkrankung. Die chronische Form hat keinen Einfluss auf die Fruchtbarkeit.
 

4. Sektionsbefunde

4.1Lungenform
Hypertrophie der rechten Herzkammer. Die Lungen haben ein höheres Gewicht und meist ein massives Lungenödem (gut erkennbar an der sehr markanten, netzartigen Lungenzeichnung und am feinblasigen weissen Schaum in den Luftwegen). Zusätzlich findet man im Thorax häufig ein klares, strohfarbenes Transsudat, das bei Luftkontakt gerinnt.
Histopathologie: Wegen des Lungenödems ist das interlobuläre Interstitium vergrössert. Wegen der Zerstörung von Lungengewebe ist das perivaskuläre und peribronchiale Lymphgewebe vergrössert, man findet vermehrt Makrophagen, die mit osmiophilem Material (schwarzgefärbten Fetten oder Ölen) gefüllt sind, und acidophiles, fibrilläres Material in den Alveolen und im interlobuläen lymphatischen Gewebe.
 
4.2Leberform
Generalisierter Ikterus, Leberveränderungen von geringgradiger generalisierter Verhärtung und Blässe bis hyperplastische Knotenbildung im Leberparenchym.
Histopathologie: Gestörte Architektur, erkennbar an Nekrosen von einzelnen Hepatozyten, Hepatomegalozyten, vermehrt mitotischen Figuren.
 

5. Weiterführende Untersuchungen

5.1Toxinnachweis
Nachweis von Fumonisinen im Futter oder Galle (Grenzwert nicht bekannt) mit Flüssigchromatografie oder Dünnschichtchromatographie.
 
5.2Blutuntersuchung
Bei chronischen Fällen kann eine Blutuntersuchung, bei der erhöhte Billirubin-, Cholesterin-, Aspartat-Aminotransferase/AST-, Glutamatdehydrogenase/GLDH und γ-Glutamyltransferase/GGT-Werte auftreten, von diagnostischem Nutzen sein. Allerdings sind diese Werte erst eine bis zwei Wochen nach Beginn der Toxinexposition erhöht und fallen im weiteren Verlauf der Intoxikation meist wieder in den Referenz-/Normalbereich ab. Diagnostisch aufschlussreicher ist die Bestimmung des Sphingonin/Sphingosin-Verhältnisses, das dosisabhängig erhöht ist (Normalwert: 0.2).
 

6. Differentialdiagnosen

6.1Plötzlicher Tod ohne oder mit wenigen vorausgehenden Symptomen
Perakut oder akut verlaufende Infektionskrankheiten wie zum Beispiel Ödemkrankheit; hochgradige Anämie oder Blutverlust; Herz-/Kreislaufversagen; Unfälle mit Blitzschlag oder Elektrizität; andere Intoxikationen (Aflatoxine, Botulismus, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Cholecalciferol, Cumarinderivate, Cyanamid, Dipyridinium-Herbizide, Eisenverbindungen, Ethylenglykol, Ionophore, Kochsalz/Trinkwassermangel, Kohlenmonoxid, Metaldehyd, Nitrat/Nitrit, Organophosphate und Carbamate, Phenoxycarbonsäure-Herbizide, Quecksilber, Schwefelwasserstoff, Selen, Strychnin).
 
6.2Speicheln
Maulschleimhautläsionen, schleimhautreizende Stoffe; anzeigepflichtige Infektionskrankheiten wie Vesikulärkrankheit, Aujeszky'sche Krankheit, Tollwut, Maul- und Klauenseuche; andere Intoxikationen (Amitraz, Blei, Botulismus, Chinoxalinderivate, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Dipyridinium-Herbizide, Kochsalz/Trinkwassermangel, Metaldehyd, Nitrat/Nitrit, Organophosphate und Carbamate, Phenoxycarbonsäure-Herbizide, Pyrethroide, Quecksilber, Schwefelwasserstoff, Selen).
 
6.3Tachypnoe und Dyspnoe anderer Genese
  
6.4Ikterische Schleimhäute
Infektionskrankheiten (Eperythrozoonose, Leptospirose, systemische Salmonellose, Babesiose); Vitamin E-/Selenmangel; andere Intoxikationen (Aflatoxine, Cadmium, Cyanamid, Kupfer, Selen).
 
6.5Abort oder Totgeburten
Virale, bakterielle oder parasitäre Aborterreger; Uterusinfektionen; mehrtägige Hyperthermie; andere Intoxikationen (Aflatoxine, Blei, Botulismus, Chinoxalinderivate, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Cumarinderivate, Fusarientoxine, Kohlenmonoxid, Mutterkornalkaloide, Organophosphate und Carbamate, Selen, Stachybotryotoxin, Zearalenon).
 

7. Therapie

7.1Futterwechsel
Auf ein fumonisinfreies Getreide, um eine weiteres Fortschreiten der Leberveränderungen zu verhindern. Darauf meist schnelle Erholung und völlige Regeneration der Leber.
 
7.2Lungenödem
Verabreichung eines Diuretikums, zum Beispiel Furosemid 0.5 mg kg/Körpergewicht.
 

8. Fallbeispiel

Im mittleren Westen und im Südosten der USA starben 1989 nach der Verfütterung von Mais Tausende von Schweinen an einem Lungenödem. In den betroffenen Herden wurden auch Aborte beobachtet. Der Ausbruch wurde durch hohe Fumonisin-Konzentrationen ausgelöst, die infolge des heissen, trockenen Sommers auf dem Mais gebildet worden waren. Die Untersuchungen des Mais ergaben Fumonisin-Werte von 155 ppm in Georgia und 92 ppm in Iowa. Diese Fumonisinwerte ergaben bei experimenteller Verfütterung an Schweine innerhalb von 7 Tagen schwere Lungenödeme sowie Leberschädigungen (Haschek et al., 2001).
 

9.Literaturverzeichnis

Bauer J & Binder S (1993) Fumonisine in Futtermitteln: Vorkommen und Bedeutung einer neuen Gruppe von Fusarientoxinen. Tierärztliche Umschau 48, 718-727
 
Colvin BM, Cooley AJ & Beaver RW (1993) Fumonisin toxicosis in swine: clinical and pathologic findings. J Vet Diagn Invest 5, 232-241
 
Colvin BM & Harrison LR (1992) Fumonisin-induced pulmonary edema and hydrothorax in swine. Mycopatholgia 117, 79-82
 
Guzman RE, Casteel SW, Rottinghaus GE & Turk JR (1997) Chronic consumption of fumonisins derived from Fusarium moniliforme culture material: clinical and pathologic effects in swine. J Vet Diagn Invest 9, 216-218
 
Haschek WA, Gumprecht LA, Smith G, Tumbleson ME & Constable PD (2001) Fumonisin toxicosis in swine: An overwiew of porcine pulmonary edema and current perspectives. Env Health Perspect Suppl 109, 251-257
 
Osweiler GD (1999) Mycotoxins. In: Diseases of Swine - 8th Edition (B Straw, S D'Allaire, WL Mengeling & DJ Taylor ed.) Iowa State University Press, Ames, Iowa, 31-42
 
Osweiler GD, Ross PF, Wilson TM, Nelson PE, Witte ST, Carson TL, Rice LG & Nelson HA (1992) Characterization of an epizootic of pulmonary edema in swine associated with fumonisin in corn screenings. J Vet Diagn Invest 4, 53-59
 
Pace L, Rottinhaus GE, Shelby R, Misfeldt M & Ross PF (1995) Effects of feeding fumonisin B1 in lactating sows and their suckling pigs. Am J Vet Res 56, 1253-1258
 
Ross PF, Rice LG, Plattner RD, Osweiler GD, Wilson TM, Owens DL, Nelson HA & Richard JL (1991) Concentrations of fumonisin B1 in feeds associated with animal health problems. Mycopathologia 114, 129-135
 
Rottinghaus GE, Coatney CE & Minor HC (1992) A rapid, sensitive thin layer chromatography procedure for the detection of fumonisin B1 and B2. J Vet Diagn Invest 4, 326-329
 
Straw BE, Dewey CE & Wilson MR (1999) Differential diagnosis of swine diseases. In: Diseases of Swine - 8th Edition (BE Straw, S D'Allaire, WL Mengeling & DJ Taylor ed.), Iowa State University Press, Ames, pp 41-88
 
Zimmermann W & Plonait H (1997) Erkrankungen des Atmungsapparates. In: Lehrbuch der Schweinekrankheiten (H Plonait & K Bickhardt Hrsg.) Parey, Berlin, pp 149-150
 
Zomborszky MK, Vetesi F, Repa I, Kovacs F, Bata A, Horn P, Tott A & Romvari R (2000) Experiment to determine limits of tolerance for fumonisin B1 in weaned pigs. J Vet Med B 47, 277-286
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