Verabreichungsarten
Fentanyl ist vor allem für die i.v. und transdermale Applikation vorgesehen (
Kukanich 2009a). I.v. wird der Wirkstoff vor allem als Bolus-Injektion, als intermittierende Injektion, oder aufgrund der kurzen Wirkungsdauer als Dauertropfinfusion angewendet (
Nolan 2000a). Für eine Dauertropfinfusion werden 2,5 mg/50 ml Fentanyl Injektionslösung mit 500 ml Infusionslösung vermischt (
Erhardt 2004a). Zur transdermalen Anwendung sind Pflaster (TTS, Transdermales Therapeutisches System) mit verschiedenen Abgaberaten (12,5, 25, 50, 75 und 100 μg/h) auf dem Markt (
Dugdale 2010a;
Ammer 2010a). Für Hunde ist ausserdem eine Fentanyl-Lösung (Recuvyra
®) zum Auftragen auf die Haut verfügbar (
Linton 2012a;
Kukanich 2012a). Für den Menschen existieren Präparate zur Applikation an der Mundschleimhaut (sog. oral-transmukosale therapeutische Systeme) sowie ein intranasales Fentanylspray. Diese rasch wirksamen Formulierungen werden insbesondere beim Durchbruchschmerz bei Tumorpatienten eingesetzt (
Schaefer 2013a). Die s.c. Injektion ist schmerzhaft. Wird der pH-Wert durch den Zusatz von Natriumbicarbonat erhöht, treten keine Schmerzreaktionen mehr auf (
Kukanich 2011b).
Anwendungsempfehlung transdermales Pflaster
Das transdermale therapeutische System (TTS) besteht auf seiner Rückseite aus einem protektiven Polyesterfilm, einem Wirkstoffreservoir mit Fentanyl in Alkohol, einer abgabekontrollierenden, semipermeablen Membran sowie einer adhäsiven fentanylgesättigten Silikonschicht, die eine Befestigung auf der Haut ermöglicht (
Egger 1998a).
Das Pflaster wird je nach Tierart vorzugsweise an folgenden Stellen angebracht:
Hund: | Thorax, inguinal, Metatarsus/Carpus, Schwanzbasis |
Katze: | lateral am Thorax, inguinal, Metatarsus/Carpus, Schwanzbasis |
Pferd: | Hals, Antebrachium |
Schwein: | lateral am Thorax |
Kaninchen: | lateral am Thorax |
Schaf: | Abdomen, Hals |
Ziege: | Abdomen, Hals |
Der vorgesehene Bereich wird geschoren. Der haarlose Rand um das Pflaster herum sollte mindestens 1 cm betragen. Dabei ist zu beachten, dass es bei der Rasur zu keinen Hautläsionen kommt. Anschliessend wird die Applikationsstelle mit einem feuchten Tuch gereinigt und getrocknet. Auf Alkohol oder eine chirurgische Reinigung sollte verzichtet werden, um die Lipidschicht nicht zu beeinträchtigen. Das Pflaster wird direkt auf die Haut geklebt und mit der Hand während 2 - 3 Minuten angedrückt. Es wird mit der Fentanyl-Dosierung, dem Datum und der Uhrzeit der Anbringung beschriftet. Zusätzlich kann es mit einem leichten schützenden Verband oder einem adhäsiven Spray gesichert werden. Personen, welche das Pflaster aufkleben, bzw. entfernen, sollten dazu Einmalhandschuhe tragen oder die Hände danach gründlich mit Wasser, aber ohne Seife waschen (
Plumb 2011a). Beim Wechseln des Pflasters ist darauf zu achten, dass jedes Mal eine neue Hautstelle zum Bekleben gewählt wird (
Schaefer 2013a). Bei der Langzeitanalgesie kann es neben das alte Pflaster angebracht werden, um die Wirkstoffabgabe als Übergang nutzen zu können und einen gleichmässigen Fentanylplasmaspiegel zu gewährleisten (
Erhardt 2004n). Bei kleinen Tieren (z.B. Katzen) besteht die Möglichkeit durch Umknicken oder Abdecken einer Hälfte, nur ein halbes Pflasters zu applizieren (
Müller 2001a;
Davidson 2004a;
Erhardt 2004n;
Löscher 2010a).
Anwendungszeitpunkt
Hund / Katze: | Weil die Wirkung verzögert eintritt, sollten die Pflaster bei Hunden 12 - 24 Stunden vor einer gewünschten Analgesie, bzw. eines chirurgischen Eingriffs appliziert werden (Allen 2005a; Egger 1998a; Kyles 1996a); bei Katzen 6 - 12 Stunden davor (Allen 2005a). |
|
Schwein: | Um eine angemessene Analgesie sicher zu stellen, sollte das Pflaster 8 - 12 Stunden vor Ende eines chirurgischen Eingriffs aufgeklebt werden (Harvey-Clark 2000a). |
|
Schaf: | Auch beim Schaf führt die Anwendung von Fentanyl-Pflastern 12 Stunden vor einem operativen Eingriff zu einer guten Analgesie (Ahern 2009a). |
|
Pferd: | Da der Wirkstoff beim Pferd rasch absorbiert wird, genügt eine einzelne transdermale Anwendung nicht, um eine kontinuierliche Analgesie über 3 Tage zu gewährleisten. Da es zu keiner Akkumulation nach mehrfachen transdermalen Applikationen kommt, wird ein Anwendungsintervall von 48 Stunden empfohlen (Maxwell 2003a). |
Anwendungsempfehlung transdermale Lösung für Hunde
Für Hunde wurde eine transdermale Fentanyl-Lösung (Recuvyra
®) mit langanhaltender Wirkung entwickelt. Es handelt sich dabei um eine konzentrierte Lösung, die auf der Haut sehr schnell trocknet. Ein kleines Volumen (50 μl/kg) wird auf die Haut im Bereich der dorsalen Schulterregion appliziert. Der Wirkstoff wird im Stratum corneum freigesetzt. 2 - 4 Stunden vor der Operation aufgetragen, führt er zu therapeutisch wirksamen Plasmakonzentration während mindestens 4 Tagen (
Linton 2012a;
Kukanich 2012a). Nebenwirkungen auf den Gastrointestinaltrakt, der First-Pass-Effekt, die invasive Applikation, der verzögerte Wirkungseintritt nach der Applikation des Pflasters sowie die Gefahr des Verschluckens des Pflasters werden damit umgangen (
Linton 2012a).
Hunde, welche 50 μl/kg der transdermalen Fentanyl-Lösung 2 - 4 Stunden vor einem operativen Eingriff appliziert wurde, erreichten minimale analgetisch wirksame Serumkonzentration von 0,6 ng/ml innerhalb von 1,85 Stunden und konnten während 4 Tagen eine mittlere Konzentration von 1,32 ng/ml aufrechterhalten (
Freise 2012b).
Vorsichtsmassnahmen
Intravenöse Verabreichung
Wegen der atemdepressiven Eigenschaften muss nach der i.v. Anwendung bei narkotisierten Tieren die Möglichkeit zur künstlichen Beatmung vorhanden sein (
Nolan 2000a). Die gleichzeitige Gabe von Atropin wird empfohlen (
Halbmayr 2004a), da es einen durch Fentanyl induzierten Abfall der Herzfrequenz und des mittleren arteriellen Blutdruckes verhindert (
Hirsch 1993a). Weil es im Rahmen einer Isofluran-Inhalationsnarkose durch die i.v. Bolus-Injektion von Fentanyl zu einer Bradykardie oder Asystolie kommen kann, wird empfohlen das Opioid langsam, während mehreren Minuten zu injizieren und die Dosierung auf 1 - 2 μg/kg zu senken (
Jang 2015a).
Transdermales System
Der direkte Kontakt mit dem transdermalen Pflaster sollte vermieden werden (
Hare 1997a). Kommt man beim Aufkleben trotzdem in Berührung mit dem Wirkstoff, muss die betroffene Stelle gründlich mit Wasser, aber ohne Seife gewaschen werden (
Plumb 1999a). Ausserdem ist darauf zu achten, dass Tiere das Pflaster nicht fressen oder darauf herumkauen, da es sonst zu tödlichen Intoxikationen kommen kann (
Schmiedt 2007a;
Deschamps 2012a). Kinder sind unbedingt von Tieren mit appliziertem Fentanyl-Pflaster fern zu halten. Da der Wirkstoff bei Menschen zu Missbrauch führen kann (
Hare 1997a), sollten die Pflaster im Zweifelsfall stationären Patienten vorbehalten bleiben (
Müller 2001a).
Therapeutische Serumkonzentration
Die minimale analgetische Fentanylkonzentration beträgt 0,6 ng/ml, bzw. 1 ng/ml (
Freise 2012b;
Plumb 2011a).
Hund: | Bei Hunden sollte die Plasmakonzentration 1 - 2 ng/ml betragen, damit der Wirkstoff analgetisch wirkt (Allen 2005a). |
Dosisreduzierende Wirkung auf hypnotisch wirksame Pharmaka
Fentanyl senkt die Dosis von Wirkstoffen zur Narkoseeinleitung (
Covey-Crump 2008a;
Lukasik 1999a). Eine Prämedikation mit Sedativa, eine Neurolept- oder Ataranalgesie wirkt aufgrund eines Synergismus der Anästhetika untereinander dosisreduzierend auf hypnotisch wirkende Pharmaka. Eine Ataranalgesie mit Fentanyl und Midazolam spart 50% der Dosis von Propofol, 60% Thiobarbiturat und 30% Isofluran (
Erhardt 2004a;
Covey-Crump 2008a). Falls eine Anästhesie bei aufgelegtem Fentanylpflaster durchgeführt wird, muss die Dosierung des zu verabreichenden Hypnotikums um bis zu 50% reduziert werden (
Erhardt 2004n).
Perioperativ angewendet kann das Opioid die Menge an benötigten Inhalationsanästhetika bei den verschiedenen Tierarten wie folgt senken (
Plumb 2011a):
Hund: | Beim Hund kann die i.v. Gabe von Fentanyl die benötigte Menge an Isofluran um 54 - 66% senken (Steagall 2006a). Durch die Applikation eines Fentanyl-Pflasters 24 Stunden vor der Narkose werden ca. 36,6% weniger Isofluran benötigt (Wilson 2006a). |
|
Katze: | Bei der Katze können durch die transdermale Anwendung von Fentanyl, 17,8% Isofluran eingespart werden (Yackey 2004a). |
|
Pferd: | Verglichen mit anderen Spezies führt die Gabe von Fentanyl beim Pferd zu einer geringeren Reduktion des MAC (minimale alveoläre Konzentration) (Ohta 2010a). Nach der i.v. Applikation von Fentanyl konnte der Isofluran-Verbrauch um 18% gesenkt werden (Thomasy 2006a). In einer anderen Studie sparte man jedoch bei dieser Spezies durch die Gabe von Fentanyl kein Isofluran ein (Knych 2009a). Bei orthopädischen Operationen an Rennpferden wurde der Sevofluran-Verbrauch durch eine kontinuierliche Fentanyl-Infusion i.v. (initial 5,0 μg/kg, Erhaltungsdosis 0,1 μg/kg/min) um 13% reduziert (Ohta 2010a). |
|
Ziege: | Bei der Ziege kann durch die zusätzliche Applikation von Fentanyl eine dosisabhängige Reduktion des MAC (minimale alveoläre Konzentration) von Isofluran erreicht werden und zwar: |
| - nach initial 0,005 mg/kg, gefolgt von 0,005 mg/kg/h als konstante Infusion: 27,6% |
| - nach initial 0,015 mg/kg, gefolgt von 0,015 mg/kg/h als konstante Infusion: 40,7% |
| - nach initial 0,03 mg/kg, gefolgt von 0,03 mg/kg/h als konstante Infusion: 56,6% (Dzikiti 2011a). |
|
Schwein: | Beim Schwein wird der MAC (minimale alveoläre Konzentration) von Isofluran durch die Applikation von Fentanyl dosisabhängig reduziert: |
| - bei einer Infusionsrate von 50 μg/kg/h: 24% |
| - bei einer Infusionsrate von 200 μg/kg/h: 45% (Moon 1995a). |