Wirkstoff - Indikationen
Fentanyl

Allgemein

Fentanyl eignet sich als analgetische Komponente bei verschiedenen Anästhesie-Formen und zur Behandlung starker Schmerzzustände (Ammer 2010a; Löscher 2010a).
 

Analgesie

Der Wirkstoff wird zur Therapie von schweren Schmerzzuständen eingesetzt:
-intra- und postoperative Schmerzen
-starke, chronische Schmerzen
-unspezifische, diffuse und dumpfe Schmerzen aufgrund von Tumoren, Pankreatitis, Aorten-Thromboembolien, Peritonitis etc. (Plumb 2011a; Carroll 1999a; Plumb 1999a)
-Lebererkrankungen, inkl. portosystemischem Shunt (Bennett 2007a)
 

Hund

Fentanyl-Pflaster können zur postoperativen Analgesie verwendet werden. Sie geben den Wirkstoff perkutan bis zu 72 Stunden lang kontinuierlich ab und sollten mindestens 24 Stunden vor dem gewünschten Analgesieeintritt appliziert werden (Egger 1998a; Kyles 1996a; Gilbert 2003a). Auch als Dauertropfinfusion i.v. verabreicht wird nach Weichteiloperationen (z.B. Ovariohysterektomie) eine gute Analgesie erzielt (Gutierrez-Blanco 2014a). Für Hunde existiert ausserdem eine transdermale Fentanyl-Lösung (Recuvyra®) mit langanhaltender Wirkung (Linton 2012a; Kukanich 2012a; Linton 2012a). In einer vergleichenden klinischen Studie wurde die Lösung 2 - 4 Stunden präoperativ in einer Dosierung von 2,6 mg/kg (ca. 50 μl/kg) aufgetragen oder die Hunde erhielten Buprenorphin in einer Dosierung von 20 μg/kg 2 - 4 Stunden vor der Operation und danach 6-stündlich, 90 Stunden lang i.m. verabreicht. Mit beiden Wirksfoffen wurde eine vergleichbar gute Analgesie erzielt (Linton 2012a).
 
In einer Studie mit Hunden wurde die analgetische Wirkung von oralem Tramadol mit derjenigen von transdermalen Fentanyl nach lateraler Thorakotomie verglichen. Dabei erhielten die Tiere postoperativ entweder Methadon 0,2 mg/kg i.m. und Fentanyl 2,6 mg/kg transdermal verbreicht, oder Methadon 0,2 mg/kg unmittelbar nach Beendigung der Anästhesie sowie 4 Stunden später i.m., gefolgt von Tramadol 12 mg/kg p.o. alle 24 Stunden verabreicht. Mit beiden Schmerzmanagements konnte eine angemessene Analgesie nach einer Thorakotomie gewährleistet werden (Read 2019a).
 

Katze

Fentanyl eignet sich zur Therapie von tumorinduzierten, chronischen, schweren Schmerzzuständen (Lee 2000a). Ausserdem führt es zu einer guten intra- und postoperativen Analgesie und kann mit Vorsicht auch bei Risikopatienten angewendet werden. Die Applikation erfolgt dabei vorzugsweise als intraoperative Dauertropfinfusion oder transdermales Pflaster (Müller 2001a). Die transdermale Applikation wird gut toleriert (Scherk-Nixon 1996a) und führt zu einer Analgesie während ca. 5 Tagen. Das Pflaster sollte 6 - 12 (- 24) Stunden vor einer gewünschten Analgesie, bzw. eines chirurgischen Eingriffs appliziert werden (Lee 2000a; Plumb 2011a). Katzen, die mit Fentanyl-Pflastern therapiert werden, sind aufgrund der grossen individuellen Unterschiede im Plasmaspiegel, bezüglich adäquater Analgesie und unerwünschten Wirkungen zu beobachten (Egger 2003a).
 

Pferd

Die analgetische Wirkung von Fentanyl verhält sich bei dieser Tierart linear zur angewandten Dosis (Kamerling 1985a). Die kombinierte Applikation von transdermalem Fentanyl (39 - 110 μg/kg) und nichtsteroidalen Entzündungshemmern (Phenylbutazon oder Flunixin-Meglumin) führt z.B. bei einer Lungenentzündung zu einer besseren Analgesie, als die alleinige Gabe nichtsteroidaler Entzündungshemmer. Eine nur minimale Verbesserung zeigte diese Wirkstoffkombination hingegen bei Pferden mit Erkrankungen des Bewegungsapparates (Thomasy 2004a). Trotz Ausbleiben von unerwünschten Wirkungen ist die transdermale Applikation beim Pferd wegen der grossen individuellen pharmakokinetischen Unterschiede nicht ideal. Nur etwa 13 der damit behandelten Pferde erreicht eine analgetisch wirksame Plasmakonzentration (Orsini 2006a). Bei Fohlen scheint diese Applikationsart jedoch geeignet zu sein. In einem Versuch wurde das 100 μg/h-Pflaster gut vertragen und es traten bis auf eine vorübergehende Hyperthermie, keine unerwünschten Wirkungen auf (Eberspächer 2008a). Wegen seiner kurzen Wirkdauer und der potenten Wirkung, wurde Fentanyl im Pferdesport als Dopingmittel zur motorischen Stimulation missbraucht (Henderson 1981a; Löscher 2010a).
 

Schwein

Bei schmerzhaften Operationen kann durch das präoperative Aufkleben eines Fentanyl-Pflasters eine analgetische Wirkung während 48 - 72 Stunden erwartet werden. Es ist 8 - 12 Stunden vor Ende des chirurgischen Eingriffs aufzukleben (Harvey-Clark 2000a). Diese Applikationsart hat den Vorteil, dass die Tiere in der postoperativen Phase weniger gestört werden müssen, was Stress vermindert und zu einer besseren Erholung führt (Harvey-Clark 2000a). Die Pflaster werden gut vertragen und führen zu keinen unerwünschten Reaktionen (Wilkinson 2001a; Malavasi 2005a).
 

Schaf

Beim Schaf führt die Anwendung von Fentanyl-Pflastern 12 Stunden vor einem operativen Eingriff zu einer guten Analgesie (Ahern 2009a) mit stabilen Plasmakonzentrationen (Ahern 2010a).
 

Reptilien

Bei Reptilien ist die Wirkung von Fentanyl unsicher (Kölle 2004a).
 

Analgetikum zur Anästhesie

Fentanyl wird in Kombination mit Sedativa und/oder Anästhetika als analgetische Komponente bei Allgemein- oder Lokalanästhesien eingesetzt:
-Sedativ-analgetische Narkose-Prämedikation
-Anästhesieeinleitung
-Neuroleptanalgesie
-Ataranalgesie
-Hypnoanalgesie
-Analgosedation
-TIVA (Total intravenöse Anästhesie)
-Epiduralanästhesie / Epidurale Langzeitanalgesie
-VAA (Vollständig antagonisierbare Anästhesie) (Löscher 2010a; Lee 2000a; Plumb 2011a; Saritas 2014a; Erhardt 2004a; Erhardt 2000a).
 

Prämedikation / Narkoseeinleitung Vollnarkose

Hund / Katze
Nach der Prämedikation mit 0,02 mg/kg Acepromazin i.m. wird Propofol (3 - 5 mg/kg) i.v. appliziert um das Anästhesiestadium III1 zu erreichen. Bereits mit einer geringen Dosis von 0,002 - 0,01 mg/kg Fentanyl i.v. kann das Stadium III2 erreicht werden, wobei man allerdings mit einer starken Atemdepression rechnen muss, die eine Intubation erforderlich macht. Propofol kann jederzeit nach Wirkung nachinjiziert werden. Im Anschluss wird Isofluran als Fortführung der Narkose verabreicht (Erhardt 2004f).
 
Schwein
Bei jungen Schweinen führt die i.v. Gabe von Fentanyl (7,5 μg/kg/h) und Midazolam (0,5 mg/kg/h), kombiniert mit einer Isofluran-Inhalationsnarkose zu einer ausreichenden Narkosetiefe ohne kardiovaskuläre Instabilität (Husby 1998a).
 

Neuroleptanalgesie

Hund
Durch Kombination eines Neuroleptikums (z.B. Droperidol oder Fluanison) zusammen mit einem starken Opioidanalgetikum lässt sich eine operationsfähige Schmerzausschaltung erzielen mit der auch grössere chirurgische Eingriffe toleriert werden. Die Neuroleptanalgesie kommt hauptsächlich bei kreislaufgesunden Hunden zur Anwendung. Verglichen mit anderen Opioiden, wird mit Fentanyl eine verhältnismässig kurze Schmerzausschaltung von 20 - 40 Minuten erzielt (Ammer 2010a).
 

Hypnoanalgesie

Fentanyl eignet sich sehr gut zur Kombination mit Hypnotika (z.B. Propofol) zur so genannten Hypnoanalgesie (Erhardt 2004f).
 

Ataranalgesie

Die Ataranalgesie bezeichnet die Kombination eines Ataraktikums (Benzodiazepin z.B. Midazolam) und einem Opioidanalgetikum (z.B. Fentanyl) (Erhardt 2004b).
 

Vollständig antagonisierbare Anästhesie (VAA)

Diese Narkoseform ist in erster Linie für Heimtiere und pädiatrische Patienten gedacht, bei denen ein venöser Zugang im Wachzustand nur schwer möglich ist und daher verhältnismässig hohe Anästhetikadosen i.m., s.c. oder i.p. verabreicht werden müssen, um eine chirurgische Toleranz zu erreichen. Die VAA beruht auf der Kombination der drei antagonisierbaren Injektonsanästhetikagruppen Opioide, Benzodiazepine und α2-Agonisten. Als Opiat und vorwiegend analgetische Komponente wird Fentanyl verwendet. Als Opiat-Antagonist setzt man Naloxon ein. Als Benzodiazepin wird z.B. Midazolam eingesetzt. Dieses wird mit Flumazenil oder Sarmazenil antagonisiert. Als α2-Agonist verwendet man Medetomidin. Atipamezol ist hier der Antagonist der Wahl. Die Antagonisten für die VAA können in einer Mischspritze i.m., s.c. oder i.p. verabreicht werden (Erhardt 2004m).
 

Totale intravenöse Anästhesie (TIVA)

Hund / Katze
Bei Hunden und Katzen werden Propofol und Fentanyl zur TIVA kombiniert (Kästner 2007b; Mendes 2003b). Spritzenpumpen und die Möglichkeit zur künstlichen Beatmung sollten bereit stehen (Andreoni 2009a). Bei der TIVA werden Propofol als Dauertropfinfusion oder über eine Perfusionspumpe (Verdünnung 50 ml Propofol in 200 ml 5%-iger Glucoselösung) und Fentanyl als Dauertropfinfusion oder über eine Perfusionspumpe (Verdünnung 50 ml Fentanyl in 500 ml Ringer-Lösung) i.v. nach Wirkung appliziert. Bei der Katze ist die Fentanyl-Dauertropfinfusion mindestens 20 Minuten vor Operationsende zu stoppen, da es sonst zu Exzitationen kommen kann (Lendl 2004a).
 
Ziege
Bei der Ziege ist eine TIVA mit Fentanyl und Propofol bei spontan atmenden Tieren praktikabel. Die Narkoseinduktion ist gut und die Anästhesie zufriedenstellend. In der Aufwachphase kann es jedoch zu abnormem Verhalten wie z.B. exzessivem Schwanzschlagen und Rastlosigkeit kommen (Dzikiti 2010a).
 
Schwein
Beim Schwein eignet sich die Kombination von Propofol und Fentanyl zur TIVA. Dabei kommt es zu keinen unerwünschten kardiovaskulären Wirkungen (Schöffmann 2009a; Kurita 2003a). Die kombinierte Verabreichung von Fentanyl, Midazolam und Propofol eignet sich ebenfalls (Kaiser 2003a).
 

Epiduralanästhesie / Epidurale Langzeitanalgesie

Hund / Katze
Mit einer Epiduralanästhesie mit Fentanyl und/oder Lidocain kann die Dosis von Narkotika gesenkt werden und wird deshalb vorzugsweise bei älteren Tieren sowie Risikopatienten eingesetzt (Saritas 2014a). Nach der epiduralen Applikation von Fentanyl in einer Dosierung von 0,001 - 0,01 mg/kg Fentanyl ist der Wirkungseintritt nach 15 - 20 Minuten und eine Wirkdauer von 3 - 5 Stunden zu erwarten (Erhardt 2000a). Wird Fentanyl mit Morphin kombiniert, setzt die analgetische Wirkung rascher ein (Dobromylskyj 2000a).
 
Pferd
Zur epiduralen Anästhesie bei Stuten wurde in einer Studie entweder Ropivacain alleine (0,5%, 0,1 mg/kg), oder Ropivacain (0,08 mg/kg) in Kombination mit Fentanyl (100 μg) epidural injiziert. Mit der Kombination beider Wirkstoffe war der Wirkungseintritt rascher und die Wirkung dauerte länger an. Ausserdem war die intraoperative Schmerzausschaltung besser (Ganidagli 2004a).
 

Analgosedation

Hund
Die Kombination eines Phenothiazins (Acepromazin) und Fentanyl führt zu einer Analgosedation, welche kurze schmerzhafte, diagnostische Eingriffe wie z.B. Otoskopien bei Entzündungen des Gehörganges oder kurze chirurgische Eingriffe ermöglicht (Lendl 2004c).