Wirkstoff - Pharmakologie
Succinylcholin

Eigenschaften

Succinylcholin ist ein depolarisierendes Muskelrelaxans. Durch die Depolarisierung der neuromuskulären Endplatte kommt es zuerst zu fibrillären Zuckungen der Muskulatur bis sie dann relaxiert. Aufgrund der unterschiedlichen Abbaugeschwindigkeiten des Succinylcholins variiert die Wirkungsdauer bei den verschiedenen Tierarten stark (Löscher 2003b).
 

Wirkungsort

Bei Katzen, Ratten und Mäusen wirken depolarisierende Blocker stärker an roten (myoglobinreichen) als an weissen Muskeln (Hall 2001m).
 
Allgemeine Informationen zum Wirkungsort siehe auch unter Tubocurarin.
 

Wirkungsmechanismus

Succinylcholin aktiviert nikotinerge Rezeptoren in der neuromuskulären Endplatte (Baraka 1972a; Cullen 1996b; Taylor 2001e; Burgis 2002a) und verdrängt den physiologischen Transmitter Acetylcholin kompetitiv vom Rezeptor (Burgis 2002a). Im Gegensatz zu Acetylcholin wird Succinylcholin im synaptischen Spalt nicht durch Acetylcholinesterasen abgebaut (Cullen 1996b; Taylor 2001e; Erhardt 2004l; Martinez 2007a), weshalb die Ionenkanäle offen bleiben und keine Repolarisation auftritt (Burgis 2002a; Mc Leay 2004a; Erhardt 2004l; Martinez 2007a). Die verursachte Depolarisation der postsynaptischen Membran dauert somit länger als wenn durch Acetylcholin ausgelöst (Erhardt 2004l). Dies resultiert in einer kurzen Periode repetitiver Exzitationen, welche vor der Ausbildung einer Paralyse Muskelfaszikulationen verursachen können (Galindo 1971a; Taylor 2001e; Burgis 2002a; Martinez 2007a). Die andauernde Depolarisation (Phase I Block) verursacht eine Unerregbarkeit der motorischen Endplatte (Burns 1951a; Burgis 2002a; Erhardt 2004l; Mc Leay 2004a; Martinez 2007a), wie bei nicht-depolarisierenden Muskelrelaxantien, und resultiert in einer schlaffen Paralyse (Phase II Block) (Burgis 2002a; Mc Leay 2004a; Erhardt 2004l; Martinez 2007a).
 
Hohe Dosen, wiederholte Verabreichungen oder Infusionen von Succinylcholin wandeln somit einen Phase I Block in einen Phase II Block um (Galindo 1971a; Burgis 2002a; Martinez 2007a). Der genaue Mechanismus des Phase II Blockes wird noch nicht komplett verstanden. Wahrscheinlich verursacht der lange Kontakt der cholinergen Rezeptoren mit dem Agonisten Succinylcholin eine Desensibilisierung des Rezeptors, eine Kanalblockade, oder eine Kombination von beiden. Die Desensibilisierung des Rezeptors und die Blockade des Kanals sind Eigenschaften, welche der Wirkung von nicht-depolarisierenden Muskelrelaxantien gleichen (Galindo 1974a; Martinez 2007a).
 
Succinylcholin stimuliert auch präsynaptische Rezeptoren (Standaert 1965a; Freeman 1968a; Cullen 1996b) und bewirkt so eine Hemmung der Acetylcholinsynthese und -freisetzung (Freeman 1968a; Bowman 1994a; Cullen 1996b). In tiefen Konzentrationen bewirkt Acetylcholin eine Beschleunigung der eigenen Freisetzung aufgrund des positiven Feedbacks an präsynaptischen nikotinergen Rezeptoren; in hohen Konzentrationen eine Hemmung der Freisetzung aufgrund der neuromuskulären Blockade (Kimura 1991a).
 
Eine Succinylcholin-induzierte Paralyse wird hauptsächlich durch die Diffusion des Wirkstoffes in die extrazelluläre Flüssigkeit beendet, da im synaptischen Spalt nur eine geringe Menge an Plasmacholinesterase vorhanden ist (Martinez 2007a).
 
Eine Studie zeigte, dass bei Mäusen, im Gegensatz zu Katzen, eine anhaltende Depolarisation der Endplatte durch Succinylcholin vor allem über eine Aktivierung der perisynaptischen Rezeptoren verursacht wird (Chang 1989b).
 

Vögel

Bei Vögeln sind Muskelfasern mehrfach innerviert und die Reaktion auf eine Nervenstimulation ist nicht eine Muskelzuckung, sondern eine sich langsam entwickelnde anhaltende Kontraktion (Pugh 1991b). Bei Vögeln verursacht Succinylcholin somit eine spastische Paralyse des ganzen Körpers (Hall 2001m).
 

Kardiovaskuläres System

Succinylcholin induziert in-vitro eine Dilatation der Schwanzarterien von Ratten um 10 - 15% (Pasch 1979a). Bei anästhesierten Hunden wird eine geringe Reduktion des peripheren Widerstandes beobachtet (Hughes 1970c).
 

Respirationstrakt

Succinylcholin reduziert in hohen Dosen die Dauer eines mit Histamin induzierten Bronchospasmus bei Hunden (Hummell 1958a).
 

Muskulatur: Dehnungsrezeptoren

Succinylcholin kann cholinerge Dehnungsrezeptoren in Muskelspindeln, welche Impulse ans Gehirn senden, direkt stimulieren (Cullen 1996b).
 

Katecholaminfreisetzung

Succinylcholin induziert bei nicht-beatmeten Kälbern eine Muskelparalyse, welche in einer massiven Katecholaminfreisetzung resultiert. Es wird angenommen, dass die Katecholamine vor allem aufgrund der Asphyxie freigesetzt werden (Button 1981a).