Eigenschaften
Doramectin ist wie alle Avermectine ein Breitspektrumantiparasitikum mit sowohl vermizider als auch ektoparasitizider Wirkung.Trematoden und Cestoden nutzen keine GABA als peripheren Neurotransmitter, sie verfügen somit über eine natürliche Resistenz gegenüber Avermectinen und Milbemycinen (Campbell 1983b; Shoop 1995b).
Doramectin besitzt eine längere Wirkungsdauer als Ivermectin (Williams 1997a; Eddi 1997a; Ranjan 1997a). So waren Kälber nach einer einmaligen subkutanen Injektion von 0,2 mg/kg über 4 - 5 Wochen (Ivermectin, 0,2 mg/kg s.c.: 2 - 4 Wochen Schutz vor Reinfektion) vor einer Reinfektion mit Gastrointestinalnematoden geschützt (Williams 1997a).
Wirkmechanismus
Der Wirkmechanismus der Avermectine und Milbemycine beruht auf der Erhöhung der Membranpermeabilität von Nervenzellen der Nematoden und von Nerven- und Muskelzellen der Arthropoden für Chlorid-Ionen (Turner 1989a).Avermectine besitzen die Fähigkeit an Glutamat-aktivierte Chloridkanäle zu binden. Diese Glutamat-kontrollierten Chloridkanäle sind typisch für Wirbellose und kommen bei höheren Tieren nicht vor. Die Bindung führt zur Öffnung oder beschleunigten Öffnung der Kanäle und somit zum Einstrom von Chloridionen in die Zelle. Dadurch kommt es zur Hyperpolarisation der Zellmembran und somit zur Blockierung der Erregungsüberleitung. Als Folge können keine exzitatorischen Stimuli die Motoneuronen (Nematoden) bzw. die Muskelzellen (Arthropoden) mehr erreichen. Es kommt zu einer schlaffen Paralyse und zum Tod der Parasiten. In der neueren Literatur wird dieser Mechanismus als hauptverantwortlich für die anthelminthische und insektizide Wirkung der Avermectine angesehen (Jagannathan 1999a; Kane 2000a; Cully 1996a).
Bei Konzentrationen oberhalb der chemotherapeutisch relevanten findet zusätzlich eine Bindung an GABA (Gammaaminobuttersäure)-abhängige Rezeptoren statt. An GABA-vermittelten Chloridkanälen kommt es durch die Avermectine zur Potenzierung der Wirkung der Gammaaminobuttersäure (GABA). GABA spielt eine wichtige Rolle als inhibitorischer Neurotransmitter in peripheren Unterneuronen von Nematoden und in den neuromuskulären Synapsen von Arthropoden, aber auch im Gehirn von Säugern (Turner 1989a; Pong 1980a). GABA ist für die Übermittlung inhibitorischer Signale von den Interneuronen zu den Motorneuronen in Nematoden und von den Motorneuronen zu den Muskelzellen in Arthropoden verantwortlich. Als inhibitorischer Neurotransmitter reguliert GABA den Chlorid-Ionen Einstrom in die Zelle (Campbell 1983b; Campbell 1981a).
Avermectine stimulieren die präsynaptische Freisetzung von GABA und erhöhen die Affinität der postsynaptischen GABA-Rezeptoren für GABA. Durch diese prä- und postsynaptische Wirkung auf das GABA-System kommt es zu einer längerfristigen Öffnung der Chloridkanäle der Membranen der Nervenzellen und somit zur Blockierung der Erregungsüberleitung (Campbell 1981a; Campbell 1983b; Wang 1982a; Tranquilli 1987a; Sutherland 1990a). Da GABA auch im Gehirn von Säugern vorkommt wird die Bindung an GABA-Rezeptoren auch als Ursache für die toxischen Wirkungen der Avermectine angesehen (Kane 2000a).
Als Nebeneffekt wird eine suppressive Wirkung des Ivermectins auf Reproduktionsprozesse der Parasiten beobachtet (Campbell 1984a; Wang 1989a). In-vitro-Experimente zeigten, dass die Eier im Uterus der weiblichen Würmer bei einer Dosierung ab 10 µg/kg schwer geschädigt und die Larven bereits bei Konzentrationen ab 0,0025 µg/ml abgetötet werden. Die Schädigung der adulten Würmer tritt ab 5,6 µg/ml ein (Wang 1989a).