Wirkstoff - Pharmakologie
Levetiracetam

Eigenschaften

Levetiracetam ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Antiepileptika zur Behandlung oder Zusatzbehandlung verschiedener Ausprägungen der Epilepsie (Hovinga 2001a).
 

Wirkungsort und -mechanismus

Levetiracetam wirkt im Zentralnervensystem. Der Wirkmechanismus muss noch vollständig aufgeklärt werden, scheint sich aber von den Wirkmechanismen der bewährten antiepileptischen Arzneimitteln zu unterscheiden (Lynch 2004a; Schaefer 2013a). Auch der Wirkort weicht von den bekannten Neurotransmitter- und Ionenkanal-Signalwegen ab (Birnstiel 1997a). In-vitro und In-vivo Experimente deuten darauf hin, dass Levetiracetam grundlegende Zellfunktionen und die normale Neurotransmission nicht verändert (Plumb 2011a; Birnstiel 1997a). Es verhindert selektiv die Hypersynchronisation von epileptiformen Anfällen und die Ausbreitung des Anfallsgeschehens (Plumb 2011a).
 

Synaptisches Vesikelprotein SV2A

SV2 ist ein integrales Membranprotein, welches bei allen synaptischen Vesikeln in drei Isoformen vorkommt: SV2A, SV2B und SV2C. SV2A ist das am weitesten verbreitete. Man findet es ubiquitär im Zentralnervensystem sowie in endokrinen Zellen (Lynch 2004a). Die molekulare Wirkung von SV2A ist unbekannt, es dürfte aber am Calcium- und ATP-Transport beteiligt sein (Gillard 2006a) und bei der Freisetzung von Neurotransmittern eine wesentliche Rolle spielen (Ammer 2010a; Schaefer 2012a). Levetiracetam bindet an das synaptische Vesikelprotein SV2A im Gehirn. Die Affinität und Interaktion an der Bindungsstelle korreliert mit dem Grad der antikonvulsiven Aktivität (Lynch 2004a).
 

Ca2+- und Na+-Kanäle

Die spannungsabhängigen Ca2+-Kanäle der pyramidalen Neuronen des CA1-Areals im Hippocampus werden in verschiedene Subtypen unterteilt. In einem Versuch an isolierten Hippocampus-Neuronen von Ratten wurde gezeigt, dass Levetiracetam spannungsgesteuerte N-Typ Ca2+-Kanäle in Neuronen der CA1-Region des Stratum pyramidale des Hippocampus selektiv hemmt (Lukyanetz 2002a; Niespodziany 2001a). Es beeinflusst den intraneuronalen Ca2+-Spiegel, indem es den durch N-Typ-Kanäle vermittelte Ca2+-Strom partiell hemmt, sowie die Freisetzung von Ca2+ aus intraneuronalen Speichern vermindert (Schaefer 2012a). Eine Hemmung spannungsaktivierter Na+- und T-Typ-Ca2+-Kanäle ist nicht am Wirkungsmechanismus beteiligt (Rigo 2002a). Eine Studie an isolierten Neuronen der CA3-Region des Hippocampus von erwachsenen Meerschweinchen ergab, dass der Wirkstoff den Na+-abhängigen Cl-/HCO3+ Austausch mindert, dadurch die Neuronen acidifiziert und den pH senkt. Diese intrazelluläre Ansäuerung, trägt offenbar dazu bei, epileptiforme Aktivitäten abzuschwächen (Leniger 2004a).
 

GABA-, Glutamat- und Glycin-Rezeptoren

Levetiracetam beeinflusst die GABA-erge Neurotransmission nicht. Es besitzt keine Affinität zu GABA- oder Glutamat-Rezeptoren und interagiert nicht direkt mit der Benzodiazepin-Bindungsstelle (Margineanu 2003a). Auch wurde keine direkte Auswirkung an Glycin-gesteuerten Ionenkanälen beobachtet (Rigo 2002a). Der Wirkstoff kehrt aber partiell die Reduktion der GABA- und Glycin-gesteuerten Ströme um, die durch Zink und β-Carbolin (ein inverser Agonist der Benzodiazepin-Bindungsstelle) induziert werden (Rigo 2002a; Lukyanetz 2002a) und bewirkt Änderungen des GABA-Umsatzes im Striatum vom Grosshirn, indem es signifikant die spontane neuronale Aktivität in der Substantia nigra pars reticulata verringert (Löscher 1996a). Levetiracetam ist assoziiert mit einer wesentlichen Reduktion des Taurin-Levels im Hippocampus und frontalen Cortex (Tong 2001a). Taurin wirkt als Agonist mit niedriger Affinität an den GABAA-Rezeptoren (El Idrissi 2003a).