Wirkstoff - Toxikologie
Xylazin

Anwendungssicherheit

Überdosierungen kommen beim Tier nach einer Xylazinapplikation nicht sehr häufig vor. Wiederkäuer, die empfindlichste Tierart, tolerieren das 3-fache der empfohlenen Dosis, Pferde, Hunde und Katzen hingegen bis zum 10-fachen (Knight 1980a). Dies steht im Gegensatz zum Schwein, bei dem schon die klinisch wirksamen Dosen im toxischen Bereich liegen (Löscher 2003a).
 

Therapeutische Breite

Die therapeutische Breite von Xylazin ist relativ gering. Bereits eine zwei- bis dreifache Ueberdosierung beim Hund kann in einem Einzelfall aufgrund der kreislauf- und atemdepressiven Wirkung des zentral wirkenden α2-Agonisten zum Kollaps und zum Tod des Tieres führen (Rector 1996a).
 

Symptome

Ueberdosierungen führen zu kardialen Arrhythmien, Hypotension, schweren ZNS-Depressionen und respiratorischer Depression. Es kann auch zu Krämpfen kommen (Plumb 2002a). Ueberdosierungen beim Pferd (2,2 - 5,5 mg/kg i.v.) führen zu schweren Ataxien (Hoffman 1974a).
 

Akute Toxizität

LD50

Maus:i.v. 43 mg/kg (O'Neil 2001a)
s.c. 121 mg/kg (O'Neil 2001a)
p.o. 240 mg/kg (O'Neil 2001a)
Ratte:p.o. 130 mg/kg (O'Neil 2001a)
 

Letale Dosis

Die minimal letale Dosis nach einer i.m. Injektion bei adulten Rindern beträgt 0,9 mg/kg (Hopkins 1972a). Beim Hund treten toxische Reaktionen ab 5 mg/kg i.m. oder i.v., bei der Katze ab 10 mg/kg auf (Löscher 2003a). Beim Pferd beträgt die minimale letale Dosis 15 bis 27 mg/kg bei der i.v. Applikation und 60 bis 70 mg/kg bei einer i.m. Verabreichung. Es wurde jedoch von Todesfällen bei Pferden berichtet, welchen der Wirkstoff in Dosierungen von 0,5 bis 2,8 mg/kg i.v. appliziert wurde (EMEA 2015b).
 

Therapie bei Ueberdosierung

Atropinsulfat kann intravenös verabreicht werden, um einer massiven Bradykardie und AV-Blöcken entgegenzuwirken (Knight 1980a). Ausserdem wird Flüssigkeit i.v. verabreicht, um den Kreislauf zu stabilisieren. Zusätzlich kann ein Antagonist appliziert werden (Van Metre 1992a).
 

Antagonisten

Allgemein

Ein Vorteil der α2-Agonisten ist, dass die Wirkungen durch selektive α-Rezeptorantagonisten aufgehoben werden können (Löscher 2003a). Die Antagonisten kehren die analgetischen und die sedativen Wirkungen um (Greene 1999a).
 
Falls der α2-Agonist mit Ketamin kombiniert wird, sollten keine (Cullen 1999b) oder frühestens 20 Minuten nach der Applikation Antagonisten verabreicht werden, um keine Ketamin-induzierten Krämpfe auszulösen (Lin 1996a).
 

Atipamezol

Atipamezol ist wie Yohimbin und Tolazolin ein α2-Rezeptorantagonist und wird gebraucht, um die Wirkungen von Medetomidin aufzuheben, kann aber auch Detomidin (Hall 2001b), Dexmedetomidin (Nguyen 1992a) und Xylazin (Alef 2003a) antagonisieren. Atipamezol hebt die sedativen und analgetischen Wirkungen aber auch die kardiopulmonären Nebenwirkungen auf (Vaha-Vahe 1990a). Atipamezol hat von allen α2-Antagonisten die höchste Selektivität für die α2-Rezeptoren (Paddleford 1999b; Fargetton 1989a) (Atipamezol hat eine 100-fach höhere Affinität für α2-Rezeptoren als Yohimbin (Virtanen 1989a)). Darum sollte Atipamezol als Antagonist von Medetomidin Yohimbin und Tolazolin vorgezogen werden (Greene 1999a; Sinclair 2003a).
 

Tolazolin

Tolazolin ist ein α-Adrenolytikum und eignet sich, um die Wirkungen von Xylazin aufzuheben (Boothe 2001b). Tolazolin ist aber weniger wirksam als die anderen Antagonisten (Boothe 2001b), da es, im Vergleich zu Yohimbin und Atipamezol, die geringste Affinität für alle vier Subtypen der α2-Rezeptoren hat (Schwartz 1998b).
 
Beim Rind kommt es nach einer epiduraler Applikation von Xylazin zu unerwünschten kardiopulmonären Nebenwirkungen, welche mit Tolazolin antagonisiert werden können (Skarda 1990a).
 

Yohimbin

Yohimbin wirkt auf die präsynaptischen α2-Rezeptoren und hebt die antinociceptive Wirkung des Xylazins auf (Gross 2001a). Yohimbin antagonisiert auch den langanhaltenden Blutdruckabfall und vermindert die analgetischen und sedativen Wirkungen von Xylazin (Löscher 2003a).
 
Yohimbin eignet sich sehr gut, um bei Hunden eine Ueberdosierung von Xylazin zu behandeln (Hatch 1985b), da beim Hund Yohimbin wirksamer ist als 4-Aminopyridin oder Doxapram (Hatch 1985b).
 

4-Aminopyridin (4-AP)

4-Aminopyridin wirkt stark ZNS-stimulierend. Es fördert die neuronale Kalziumaufnahme und die Acetylcholinfreisetzung (Boothe 2001b). Ausserdem ist es ein Kaliumblocker (Kitzman 1984a). 4-Aminopyridin antagonisiert verschiedene ZNS-depressive Wirkstoffe. Es kann alleine oder kombiniert angewandt werden (Kitzman 1984a). Bei Kühen eignet sich die Kombination 4-Aminopyridin und Doxapram (Boothe 2001b) oder auch die Kombination 4-Aminopyridin und Yohimbin (Kitzman 1982a) sehr gut, um Xylazin zu antagonisieren. Beim Pferd wird 4-Aminopyridin alleine angewendet (Kitzman 1984a). Beim Hund ist die Kombination 4-Aminopyridin und Yohimbin sehr effektiv (Hatch 1982a).
 
In Ueberdosierungen führt 4-Aminopyridin allerdings zu Krämpfen (Boothe 2001b).
 

Doxapram

Doxapram kann gebraucht werden, um die Wirkungen von Xylazin zu antagonisieren. Dabei können gewissen Nebenwirkungen auftreten wie, Muskelzittern, -spasmen, Sedation und ein spontanes Aggressionsverhalten, das vor allem nach einer Xylazin-Atropin-Kombination auftritt (Short 1984c). Doxapram normalisiert bei Hunden sofort das Herzminutenvolumen und die Atemfrequenz (Short 1982a), antagonisiert die übermässigen ZNS-Symptome und führt somit zu einer verkürzten Aufwachphase (Holenweger Dendi 1979a). Doxapram kann aber die hemmende Wirkung von Xylazin auf die Darmmotorik nicht aufheben, im Gegenteil es potenziert diese Wirkung noch (McNeel 1984a).
 

Dosierungen der Antagonisten

 RindPferdHund
4-Aminopyridin 0,2 mg/kg 4-Aminopyridin i.v. (Kitzman 1984a)0,3 mg/kg 4-Aminopyridin i.v (Hatch 1982a)
 
0,3 - 0,9 mg/kg 4-Aminopyridin i.v. (Hatch 1985b)
4-Aminopyridin und Yohimbin0,3 mg/kg 4-Aminopyridin und 0,125 mg/kg Yohimbin i.v. (Kitzman 1982a; Zahner 1984a)0,2 mg/kg 4-Aminopyridin und 0,075 - 0,15 mg/kg Yohimbin i.v. (Kitzman 1984a)0,5 mg/kg 4-Aminopyridin und 0,25 mg/kg Yohimbin i.v. (Hatch 1983a)
 
0,3 mg/kg 4-Aminopyridin und 0,125 mg/kg Yohimbin i.v. (Hatch 1982a)
Doxapram0,46 - 0,6 mg/kg Doxapram i.v. (Schwartz 1979a) 0,5 - 4 mg/kg Doxapram i.v (Hatch 1985b)
 
2,5 mg/kg Doxapram i.v. (Short 1982a)
 
1 mg/kg Doxapram i.v. (Holenweger Dendi 1979a)
AtipamezolKann auch als Antagonist angewendet werden.
TolazolinKann auch als Antagonist angewendet werden.