Wirkstoff - Indikationen
Xylazin

Sedation

Xylazin hat sedative Eigenschaften (Short 1982a) und wird eingesetzt, um nervöse Tiere zu beruhigen und um klinische Untersuchungen durchzuführen (Holenweger Dendi 1979a).
 
Beim Pferd führt Xylazin zu einer verlässlichen Sedation mit einem schnellen Wirkungseintritt (Hall 2001f) und die Tiere bleiben bei der Anwendung von einer geringen Dosis auch stehen (Hall 2001b). Bei Pferden wird aber aufgrund der hohen Injektionsvolumen an Xylazin eher Detomidin eingesetzt (Plumb 2002a).
 
Xylazin wird beim Rind eingesetzt, um nervöse Tiere zu beruhigen, Tiere zu transportieren und um zusammen mit einer Lokalanästhesie Kastrationen, Enthornungen und Kaiserschnitte durchzuführen (Jones 1972a). Werden beim Rind tiefe Dosen gebraucht, bleiben die Tiere stehen (Hall 2001b), sobald aber höhere Dosierungen appliziert werden, legen sich die Tiere hin (Riebold 1996a).
 

Xylazin-Opioide

Opioide werden beim Kleintier häufig mit niederdosiertem Xylazin kombiniert. Dies führt zu einer verstärkten Analgesie und Sedation (Thurmon 1996d). Xylazin-Morphin eignet sich gut beim Pferd, um die Tiere zu sedieren und man erreicht damit eine gute Analgesie am stehenden Pferd (Gross 2001a). Ausserdem kann Xylazin die Opioid-induzierten Erregungen verhindern (Thurmon 1996d). Man sollte das Opioid aber erst verabreichen, wenn die sedative Wirkung des Xylazin eingetreten ist (LeBlanc 1991a). Pferde zeigen nach dieser Kombination oft eine Sägebockstellung (LeBlanc 1991a). Xylazin-Butorphanol bewirkt beim Pferd eine synergistische Analgesie, eine geringe Ataxie und wenig hämodynamische Nebenwirkungen, womit schmerzhafte Eingriffe am stehenden Tier möglich sind (Robertson 1983a). Auch bei Eseln verstärkt Butorphanol die sedative und analgetische Wirkung von Xylazin; diese Wirkstoffkombination eignet sich für kleine, leicht schmerzhafte Eingriffe am stehenden Tier (Lizarraga 2015a).
 

Xylazin-Acepromazin

Diese Kombination eignet sich sehr gut, um Pferde zu sedieren. Sie ist hämodynamisch gut verträglich (Muir 1979a), bewirkt eine bessere Sedation als die Wirkstoffe jeweils für sich alleine und verursacht wenig Ataxie. Ausserdem können Xylazin und Acepromazin in einer Spritze gemischt werden (LeBlanc 1991a). Trotzdem sollten Tiere mit kardiopulmonären Problemen diese Kombination nur mit Vorsicht erhalten (Gross 2001a).
 

Prämedikation

Xylazin reduziert die Freisetzung von Katecholaminen (England 1996a). Eine Prämedikation mit dem α2-Agonisten vor einer Anästhesie führt dazu, dass das Handling der Tiere einfacher ist, die Anästhesieeinleitung besser abläuft und die Aufwachphase ruhiger ist (Yates 1973a). Zusätzlich braucht es eine geringere Dosis an Anästhetika für die Einleitungsphase (Hall 2001j) und nach dem operativen Eingriff treten weniger Komplikationen auf (Santos 2003a).
 
Xylazin eliminiert die Muskelkrämpfe, die nach einer Ketamininjektion auftreten, verlängert die Analgesiedauer und ermöglicht es, die Dosis an Ketamin zu reduzieren. Zudem haben die Tiere eine ruhigere Aufwachphase (Amend 1972a).
 
Xylazin kann auch als Prämedikans vor einer Propofolanästhesie gebraucht werden (Cullen 1993a).
 

Analgesie

Xylazin bewirkt durch zentrale und periphere Wirkungen eine gute viszerale Analgesie (Tranquilli 1992b; England 1996a). Diese ist aber oft nur von vorübergehender Dauer und an den Extremitäten ungenügend ausgeprägt (Allert 1987b).
 
Bei schweren abdominalen Schmerzen beim Pferd wirken α2-Agonisten sehr gut analgetisch. Xylazin ist dabei wegen seiner kürzeren Wirkungsdauer Detomidin vorzuziehen (Zimmel 2003a). Da Xylazin eine hypotensive Wirkung hat, soll es aber bei einer Kolik nur mit Vorsicht angewandt werden (Gross 2001a). Zudem ist es sinnvoll bis zur Diagnosestellung nur geringe Dosen an Xylazin zu verbreichen (Hall 2001f), da es wie andere Analgetika auch, die Schmerzen maskieren kann (Knight 1980a) und die Darmmotorik reduziert (Hall 2001f).
 
Bei Katzen kann auch mit hohen Dosen von α2-Adrenozeptor-Agonisten keine adequate Analgesie für eine Operation erreicht werden (Alef 2003a).
 
Beim Grosstier wird durch den alleinigen Gebrauch von Xylazin keine ausreichende Analgesie in den distalen Extremitäten erreicht (Löscher 2003a). Aber eine Dosis von 0,1 - 0,15 mg/kg Xylazin i.m. verabreicht bewirkt eine gute Analgesie für eine Operation am ventralen Abdomen (Mbiuki 1981a). Kleinere chirurgische Eingriffe nach einer Sedation mit Xylazin sind möglich, allerdings sollte zusätzlich eine Lokalanästhesie gemacht werden, um eine genügend gute Analgesie zu erreichen (Hall 2001g).
 
Zur Enthornung von Kälbern kann Xylazin als Sedativum in Kombination mit einem Lokalanästhetikum und einem nichtsteroidalen Entzündungshemmer, der die Schmerzen während und nach dem Enthornen reduziert, gebraucht werden (Faulkner 2000a).
 
Bei Schafen hat Xylazin eine gute analgetische Wirkung. Mit niedrigen Dosierungen und einer intramuskulären Applikation kann dabei eine gute Analgesie ohne sedative Wirkung erreicht werden (Grant 2004a).
 

Epiduralanalgesie

Xylazin hat eine lokalanästhetische Wirkung (Aziz 1978a) und kann für eine Epiduralanalgesie gebraucht werden (Gross 2001a). Die molekulare Struktur von Xylazin ist der von Lidocain sehr ähnlich (Klide 1975a), jedoch führt Xylazin zu einer längeren Analgesiedauer als Lidocain. Die Tiere zeigen eine leichte vorübergehende Ataxie, die aber durch ein Herabsetzen der Dosis vermieden werden kann (Fikes 1989a). Xylazin kann auch mit Lidocain oder mit Opioiden (Hall 2001f) kombiniert werden. Dadurch ergibt sich eine langanhaltende Analgesie (Grant 2001b).
 
Beim Rind kommt es nach epiduraler Applikation von Xylazin nicht nur zu der erwünschten Analgesie, sondern auch zu einer Sedation, kardiopulmonären Nebenwirkungen und einer Pansenatonie. Im Gegensatz zum Pferd, bei dem es zu keinen oder nur wenig supraspinalen Wirkungen kommt (Fikes 1989a; LeBlanc 1988a).
 
Auch beim Schwein führt epidural verabreichtes Xylazin zu einer guten Analgesie (Ko 1992b).
 

Anästhesie

Xylazin-Ketamin

Die Kombination Xylazin-Ketamin kann i.v. oder i.m. injiziert werden und führt zu einer guten Allgemeinanästhesie (Alef 2003a; Benson 1985a). Xylazin verhindert die Muskelkrämpfe, die durch das Ketamin ausgelöst werden (Knight 1980a; Kirkpatrick 1978a) und die beiden Wirkstoffe ergänzen sich gut in ihrer analgetischen Wirkung. Xylazin wirkt viszeral analgetisch (Tranquilli 1992b), im Gegensatz zum Ketamin, das eine somatische Analgesie bewirkt (Plumb 2002a). Zusätzlich mindert die sympathomimetische Wirkung des Ketamins die durch Xylazin verursachte Bradykardie und AV-Blöcke (England 1996a; Lin 1996a).
 
Wichtig ist, dass das Ketamin erst verabreicht wird, wenn die sedative Wirkung des Xylazin eingetreten ist (Muir 1977a; Lin 1996a). Vor allem bei Katzen soll Ketamin erst 10 Minuten nach dem Xylazin injiziert werden, da die Tiere innert 4 - 8 Minuten nach Applikation des α2-Agonisten erbrechen (Faulk 1978a).
 
Die Kombination Xylazin-Ketamin eignet sich gut, um Kälber, vor allem auch solche unter 10 Wochen, zu anästhesieren. Die Tiere erholen sich postoperativ schnell und die Wirkung der Anästhesie ist gut (Waterman 1981a).
 
Zusätzlich zu Ketamin und dem α2-Agonisten kann ein Muskelrelaxans, wie Guaifenesin (Lin 1996a) oder ein Benzodiazepin, verabreicht werden. Dadurch werden gelegentlich auftretende Spasmen gemindert (Thurmon 1996e).
 
Bei erregten Tieren eignet sich diese Kombination nicht (Benson 1990b).
 

Xylazin-Zoletil®

Diese Kombination induziert eine kurzwirksame Anästhesie beim Pferd. Sie wirkt länger als die Kombination Xylazin-Ketamin und führt zu einer besseren Muskelrelaxation (Benson 1990b). Auch beim Kleintier ist dies eine gute Kombination, um eine kurzwirksame Anästhesie oder eine Anästhesieeinleitung zu erzeugen (Greene 1999a).
 

Muskelrelaxation

Xylazin besitzt eine muskelrelaxierende Wirkung und kann daher sowohl für klinische Untersuchungen und Behandlungen, als auch für chirurgische Eingriffe, gebraucht werden (Löscher 2003a).
 

Emesis bei Hund und Katze

Bei Kleintieren hat Xylazin einen ausgeprägten emetischen Effekt. Vor allem aber die Katze reagiert sehr empfindlich (Hikasa 1989a), so dass Xylazin bei ihr das Emetikum der Wahl ist. Es kann bereits mit hinsichtlich der Sedation subtherapeutischen Dosen Erbrechen ausgelöst werden. Im Gegensatz zum Hund, bei dem höhere Dosen erforderlich sind und zum Schwein, bei dem es erst im toxischen Bereich zur Emesis kommt (Ungemach 2003e). Xylazin wird verwendet, um bei Katzen nach Ingestion von Toxinen Erbrechen auszulösen (Plumb 2002a). In einer retrospektiven Studie wurde bei 29 von 48 Katzen (60%) nach einer versehentlichen Aufnahme eines Toxins oder Fremdkörpers mit der einmaligen i.m. Applikation von 0,49 mg/kg Xylazin erfolgreich Erbrechen ausgelöst (Thies 2017a).
 

Tetanus

Xylazin ist wegen seiner sedativen, analgetischen und muskelrelaxierenden Wirkung geeignet, um Wiederkäuer mit Tetanus zu therapieren (Knight 1980a). Auch bei Pferden mit Tetanus eignet sich der α2-Agonist, um Krämpfe zu kontrollieren (Beroza 1980a).