Allgemein
Stress, Angst, Aufregung oder auch Schmerzen können dazu führen, dass die α2-Agonisten nicht oder nur ungenügend wirken. Ursache dafür ist ein erhöhter endogener Katecholaminspiegel, der die sedative Wirkung herabsetzt (Thurmon 1996e).Lokale Nebenwirkungen
Nach einer intramuskulären oder subkutanen Applikation können Gewebeschäden (Löscher 2003a), die aber nur geringgradig und vorübergehend sind, auftreten (Hall 2001b).Systemische Nebenwirkungen
Kreislaufsystem
Xylazin führt zu einer Bradykardie (Wright 1982a) mit AV-Blöcken 2.Grades (Alef 2003a), einem Abfall des Herzminutenvolumens (Muir 1979a) und einer erniedrigten ventrikulären Kontraktion (Benson 1990b).Eine i.v. Injektion von Xylazin führt zuerst für wenige Minuten zu einem vorübergehenden Anstieg des arteriellen Blutdruckes. In dieser Zeit treten Bradykardie und AV-Blöcke auf (Clarke 1969a). Danach kommt es zu einer längeranhaltenden Hypotension (Benson 1990b; Klide 1975a; EMEA 2015b).
Xylazin erhöht die Wahrscheinlichkeit von Arrhythmien durch eine direkte Stimulation von α-Rezeptoren im Myokard (Tranquilli 1986b). Dabei treten Herzrhythmusstörungen, wie eine Sinusbradykardie, ein Sinusblock und AV-Blöcke 1. - 3. Grades auf (Benson 1990b). Beim Pferd kommen nach Xylazininjektion häufig Arrhythmien und AV-Blöcke 2. Grades vor (Kerr 1972a; Muir 1979a; EMEA 2015b). Ein Pferd, das 0,5 mg/kg Xylazin erhalten hat, hat danach sogar Herzkammerflimmern gezeigt (Steffey 1985a). Auch bei Eseln können α2-Adrenorezeptor-Agonisten zu atrioventrikulären und sinoatrialen Blöcken führen (Lizarraga 2004a).
Um diese hämodynamischen Nebenwirkungen zu verringern, sollte Xylazin beim Kleintier intramuskulär (und nicht i.v.) und nur in kleinen Dosen appliziert werden (Klide 1975a). Dadurch wird Xylazin langsamer absorbiert und die peripheren α2-Rezeptoren, die für die kardiopulmonären Veränderungen verantwortlich sind, werden weniger stark aktiviert (Greene 1988a). Zusätzlich kann Atropin verabreicht werden, um AV-Blöcke zu verhindern (Kerr 1972a) und um einer Bradykardie vorzubeugen (Brown 1986f).
Die Kombination Xylazin-Guaifenesin bewirkt eine stärkere Depression der kardiopulmonären Funktion als Guaifenesin alleine (Zaccara 2007a).
Xylazin führt zu einem erniedrigten Hämatokrit und Plasmaproteinwerten bei Hunden (Mansell 1992a) und bei Pferden (Wagner 1991a).
Beim Frettchen führt die alleinige Injektion von Xylazin zu Hypotension, Bradykardie und Arrhythmien und sollte bei kranken Tieren nur mit Vorsicht angewandt werden (Gamble 2001a).
Respirationstrakt
Die Auswirkungen von Xylazin auf den Respirationstrakt sind normalerweise nicht von Bedeutung, aber in hohen Dosen kann Xylazin eine respiratorische Depression verursachen (Alef 2003a; EMEA 2015b). Die Tiere haben ein erniedrigtes Atemzugvolumen, eine erniedrigte Atemfrequenz und ein tieferes Atemminutenvolumen (Plumb 2002a). Trotzdem sind die Blutgaswerte normal (McCashin 1975a). Beim Hund und bei der Katze sind der arterielle pH, der O2- und CO2-Partialdruck nicht (Klide 1975a), beim Pferd hingegen leicht und vorübergehend verändert (Thurmon 1996e; Lavoie 1992a). Brachyzephale Hunderassen und Pferde mit Problemen in den oberen Atemwegen können aber eine Dyspnoe entwickeln (Plumb 2002a).Beim Kalb kommt es nach der Anwendung von Xylazin-Ketamin zu einer deutlichen Reduktion des PO2-Partialdruckes, was eine eventuelle Beatmung der Tiere erforderlich macht (Gross 2001a).
Xylazin relaxiert die obere Atemwegsmuskulatur (LeBlanc 1991a).
Xylazin kann beim Schaf zur Entwicklung eines Lungenödems und einer Lungenblutung führen (Uggla 1983a). Die Pathogenese ist nicht genau bekannt, aber es ist möglich, dass bei Tieren mit Herz- oder Lungenerkrankungen Xylazin vermehrt zu erniedrigten kardialen Muskelkontraktionen führt und als Folge eine pulmonäre Hypertension ensteht, die zu einem Lungenödem und Lungenblutungen führen kann (Greene 1999a). Die Ursache kann aber auch eine Aktivierung von pulmonären intravaskulären Makrophagen (PIM) sein (Celly 1999a). Diese speziellen Zellen setzen Substanzen frei, die die Permabilität des Endothels erhöhen (Amouzadeh 1993a). Klinisch zeigt sich eine Hypoxämie. Eine neuere Studie zeigt, dass die Hypoxämie nicht nach einer intramuskulären Applikation, sondern nur nach einer intravenösen Injektion auftritt (Grant 2001b).
In einer Studie kam es bei Enten nach intravenöser Applikation von Xylazin und Xylazin-Ketamin zu einer Atemdepression (Ludders 1989a).
Emesis
Xylazin verursacht Erbrechen bei der Katze (Wright 1982a) und beim Hund (Wright 1982a; Navarro 1975a), welches innert 4 - 8 Minuten, beziehungsweise innert 3 - 5 Minuten (Amend 1972a; Moye 1973a), nach einer i.m. Injektion auftritt (Faulk 1978a). Die Tiere erbrechen, solange sie noch stehen können, womit das Risiko einer Aspirationspneumonie klein ist. Trotzdem ist es besser, wenn die Tiere vor einer Xylazininjektion gefastet werden (Waterman 1981a). Falls anschliessend eine Anästhesie eingeleitet werden möchte, sollten einige Minuten abgewartet werden, um eine eventuelle Aspiration zu verhindern (Plumb 2002a). Die Inzidenz des Erbrechens ist höher, wenn Xylazin s.c. oder i.m. gegeben wird (Newkirk 1974a), Emesis tritt nur selten nach einer i.v. Injektion auf (Yates 1973a). Zusätzlich kann 1 Stunde vor Xylazinapplikation 4 - 8 mg/kg Dexamethason intramuskulär verabreicht werden. Dies kann das Erbrechen bei den Katzen verhindern (Ho 2001a).Salivation
Xylazin führt wegen seiner parasympathischen Wirkung beim Wiederkäuer zu einer vermehrten Salivation, mit der Gefahr einer Aspirationspneumonie (Löscher 2003a). Bei den anderen Tierarten hat Xylazin eine sekretionshemmende Wirkung (Löscher 2003a).Gastrointestinaltrakt
Bei Rindern reduziert sich nach Xylazinapplikation die Pansenmotorik (Doherty 1988a; EMEA 2015b), die Folge davon können Blähungen (Tympanien) sein (Knight 1980a). Im Gegensatz dazu wird die Aktivität des Psalters gesteigert (Brikas 1986a). Zudem kommt es bei Wiederkäuern durch eine Hemmung des Schluckreflexes (Hall 2001g) zu Regurgitieren, das zu einer Aspirationspneumonie führen kann (Gross 2001a). Darum sollten diese Tiere vor einer Xylazinanwendung 24 Stunden lang gefastet werden (Knight 1980a).Einige Rinder entwickeln 12 - 24 Stunden nach Xylazinapplikation Durchfall (Brown 1986f), der wahrscheinlich auf die Pansen- und Darmatonie zurückzuführen ist (Gross 2001a).
Beim Pferd wird die Motilität des Dünndarmes nur wenig beeinflusst, aber die Motorik des Dickdarms ist deutlich verlangsamt (Thurmon 1996e).
Bei Kleintieren ist die gastrointestinale Motilität reduziert und die Magenentleerungszeit verlängert (Greene 1999a). Dadurch kommt es zu einer Gasansammlung (Thurmon 1996e). Zusammen mit der durch Xylazin-induzierten Aerophagie führt dies bei grossen Hunderassen zu einer Blähung. Vor allem der Basset, die Deutsche Dogge und der Irish Setter sind davon betroffen (Gross 2001a).
Hyperglykämie
Bedingt durch eine erhöhte hepatische Glukoneogenese und einen erniedrigten Plasmainsulinspiegel bewirkt Xylazin eine ausgeprägte und persistierende Hyperglykämie (Symonds 1978a). Als Folge davon tritt eine Glukosurie und eine Polyurie auf (Knight 1980a). Bei nicht diabetischen Tieren ist diese Hyperglykämie klinisch von keiner Bedeutung (Plumb 2002a).Urogenitaltrakt
Xylazin kann bei Wiederkäuern zu Frühgeburten oder Aborten führen (Knight 1980a; Jones 1972a), indem es die α-Rezeptoren im Uterus aktiviert (Knight 1980a) und so zu einer erhöhten Kontraktilität des Uterus führt. Zusätzlich kann Xylazin die Durchblutung des Uterus senken (Okuda 2004a; Sakamoto 1996a). Xylazin passiert auch die Plazentaschranke und bewirkt so eine kardiopulmonäre Depression des Föten (Thurmon 1996g).Xylazin führt zu einer Hemmung des Antidiuretischen Hormons (ADH) (England 1992a) und somit zu einer Diurese (Hall 2001b) und einer Polyurie (Knight 1980a). Bei Rindern erhöht sich das Harnvolumen nach Xylazinapplikation für 5 Stunden bis zum 8-fachen der normalen Menge (Thurmon 1978a). Bei Pferden tritt ein vermehrter Harnabgang 45 Minuten nach Xylazininjektion auf (England 1992a).
Bei Pferden kommt es zu einem Penisvorfall, allerdings zu keiner dauerhaften Paralyse, wie dies bei Acepromazin der Fall ist (Benson 1990b)