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Beta-2-Sympathomimetika

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Die Beta-2-Sympathomimetika (β2-Sympathomimetika, Beta-2-Adrenozeptor-Agonisten, Beta-2-Adrenergika, Beta-2-Agonisten) aktivieren die Beta-2-Adrenozeptoren des sympathischen Nervensystems und imitieren die Wirkung der Katecholamine. Sie führen zu einer Relaxation der glatten Muskulatur der Bronchien, des Uterus und der Blutgefässe. Sie werden nach ihrer Wirkdauer und ihrem Wirkungseintritt eingeteilt.
Wirkdauer:
-SABA (short-acting beta-2 agonists, Wirkdauer 2-6 Stunden): Bitolterol, Fenoterol, Hexoprenalin, Isoprenalin, Levosalbutamol, Pirbuterol, Procaterol, Salbutamol, Terbutalin.
-LABA (long-acting beta-2 agonists, Wirkdauer 6-12 Stunden): Arformoterol, Bambuterol, Clenbuterol, Formoterol, Salmeterol.
-ULABA (ultra long-acting beta-2 agonists, Wirkdauer 12-24 Stunden): Carmoterol, Indacaterol, Milveterol, Olodaterol, Vilanterol.
Wirkungseintritt:
-RABA (rapid acting beta-2 agonists): Fenoterol, Reproterol, Terbutalin, Salbutamol, Formoterol.
 

2. Quellen

Beta-2-Sympathomimetika werden in der Human- und Veterinärmedizin als Bronchodilatatoren zur Behandlung von Asthma und chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD) eingesetzt.
 

3. Kinetik

Beta-2-Rezeptor-Agonisten werden schnell und gut resorbiert. Die Wirkung kann nach Inhalation innerhalb von Minuten, nach der Einnahme zwischen 30 Minuten und 4 Stunden eintreten. Das Verteilungsvolumen ist gross und sie passieren, in unterschiedlichen Graden, sowohl die Blut-Hirn-Schranke als auch die Plazenta. Der grösste Teil der absorbierten Dosis, unveränderte Muttersubstanz und hepatische Metaboliten, wird renal (70-80%) und ein geringer Teil biliär eliminiert. Bei Formoterol hingegen wird etwa die Hälfte über die Nieren und die andere Hälfte über die Fäzes ausgeschieden.
-Salbutamol: orale Halbwertszeit bei Hunden: ca. 3 Stunden, Release-Präparate 5-7 Stunden.
-Formoterol: orale Halbwertszeit bei Hunden: 4-6 Stunden.
 

4. Toxisches Prinzip

-Die Aktivierung der Beta-2-Rezeptoren stimuliert das Adenylylcyclase-cyclisches Adenosinmonophosphat (cAMP)-System, was eine verringerte intrazelluläre Kalziumkonzentration, eine erhöhte Membranleitfähigkeit für Kalium und eine Hemmung der Myosinphosphorylierung bewirkt und damit zu einer Entspannung der glatten Muskulatur von Bronchien, Gefässen und Uterus führt.
-Die Selektivität für beta-2-adrenerge Rezeptoren ist bei hohen Dosen vermindert, was zu einer Aktivierung von beta-1-adrenergen Rezeptoren und kardiovaskulären Stimulation mit erhöhter Herzfrequenz führt. Eine übermässige beta-1-adrenerge Stimulation bewirkt eine schwere Tachykardie und leichte Hypertonie.
-Die Tachykardie kann auch als Reflexreaktion auf eine systemische Hypotonie, aufgrund einer peripheren und koronaren Vasodilatation durch die Beta-2-Rezeptor-Agonisten, auftreten.
-Eine Hypokaliämie entsteht durch die cAMP-vermittelte Stimulation der Na+/K+-Adenosintriphosphat (ATP)-Pumpe, die transzelluläre Verschiebungen verursacht. Der Abfall des Serumkaliums ist vorübergehend und das Gesamtkalium im Körper nimmt nicht ab. Zu den Komplikationen der Hypokaliämie gehört die Hyperpolarisation der Muskeln, die zu Herzrhythmusstörungen, Muskelschwäche und schlaffen Lähmungen führen kann.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Die akute orale LD50 ist wie folgt (in mg/kg Körpergewicht):
 MausRatte
Clenbuterol 50-300
Fenoterol 300-2000
Formoterol 3130
Indacaterol16001600
Olodaterol  
Salbutamol1950>2500
Salmeterol >2000
Terbutalin2058700
Vilanterol>2000>2000
 

II. Spezielle Toxikologie - Kleintier

1. Toxizität

-Die Dosis nach dem Zerbeissen eines Inhalators ist in der Regel nicht bekannt, aber die meisten Tiere entwickeln Symptome und müssen sofort tierärztlich untersucht werden.
-Tiere mit kardiovaskulären Grunderkrankungen haben ein höheres Risiko für Komplikationen.
-Eine Exposition während der Trächtigkeit kann zu mütterlicher und fötaler Tachykardie und Hyperglykämie führen sowie die Uteruskontraktionen in der Spätträchtigkeit hemmen.
-Die Patienten sollten, bis sich Herzfrequenz und -rhythmus (EKG), ZNS-Status und Elektrolyte normalisiert haben, stationär aufgenommen werden.
-Akute Toxizität:
Salbutamol: TD Hund, Katze oral: > 0.1 mg/kg Kilogramm p.o.
Clenbuterol: TD Hund oral: dosisabhängige Wirkung > 3 µg/kg Körpergewicht. Therapeutische Dosis Hund: 0.8 µg/kg Körpergewicht p.o., 2-mal täglich.
Terbutalin: LD50 Hund oral: 1000-2000 mg/kg Körpergewicht.
Formoterol: LDLo Hund oral: 3000 mg/kg Körpergewicht.
 

2. Latenz

Die Wirkung kann nach Inhalation innerhalb von Minuten eintreten, nach Ingestion zwischen 30 Minuten und 4 Stunden; 5-7 Stunden nach der Einnahme von Präparaten mit verlängerter Freisetzung.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Lethargie, Ataxie; Unruhe, Hyperaktivität, Angst; Polydipsie, Inappetenz
  
3.2Nervensystem
Tremor, Hyperästhesie, zentrale Krampfanfälle (selten); Schwäche, Rhabdomyolyse (selten)
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Vomitus, Hypersalivation, orale Entzündungen
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Keine Symptome
  
3.5Respirationstrakt
Hecheln, Tachypnoe; Lähmung der Atemmuskulatur (bei schwerer Hypokaliämie)
  
3.6Herz, Kreislauf
Hypotonie, Tachykardie, evtl. Herzrhythmusstörungen, schwacher Puls (beta-2); Tachykardie, Hypertonie (beta-1)
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Mydriasis, sklerale Injektion, konjunktivale Hyperämie, Konjunktivitis
  
3.9Harntrakt
Pigmenturie und akute Nierenschädigung (infolge Rhabdomyolyse)
  
3.10Haut, Schleimhäute
Keine Symptome
  
3.11Blut, Blutbildung
Hypokaliämie, transiente Hyperglykämie, Hypophosphatämie (selten), respiratorische Alkalose
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Ruptur der Chordae tendineae, Lungenödem.
Histopathologie: Myokardnekrose und Fibrose oder Rhabdomyolyse der Herz- und Skelettmuskulatur.
 

5. Weiterführende Untersuchungen

-Blutchemie: Elektrolyte, v.a. Kalium und Phosphor; bei Patienten mit aggressiver Kaliumsupplementierung Rebound-Hyperkaliämie möglich; leichte Hyper- oder Hypoglykämie; erhöhte AST (Aspartat-Aminotransferase)- und CK (Creatinkinasen)-Werte (infolge Tremor).
-Die Elektrolyte sollten bei der Einlieferung, bei EKG-Veränderungen, während der Flüssigkeitstherapie und in der Erholungsphase gemessen werden.
-Blutdruck: Hypotonie.
-EKG: Arrhythmien.
 

6. Differentialdiagnose

Intoxikation mit Methylxanthinen; ZNS-Stimulanzien (Amphetamine, Kokain); Metaldehyd; Hopfen; Tremorgenen Mykotoxinen.
 

7. Therapie

7.1Notfallmassnahmen
-Kreislauf stabilisieren
-Atmung stabilisieren, bei Patienten mit Atemlähmung kann eine mechanische Beatmung erforderlich sein
-Krämpfe kontrollieren
 
7.2Dekontamination und Elimination
-Provozierte Emesis: bei asymptomatischen Patienten, innerhalb von 30 Minuten bei Tabletten mit sofortiger Wirkstofffreisetzung oder Lösung, bis zu 3-4 Stunden nach Einnahme von Tabletten mit verlängerter Wirkstofffreisetzung.
-Sofern guter Schluckreflex: Verabreichung von Aktivkohle mit einem Laxans, z.B. Carbodote, Trinklösung (24 g Carbo activatus/100 ml) oder Carbovit® (15 g Carbo activatus/100 ml): innerhalb von 30 Minuten bei Tabletten mit sofortiger Wirkstofffreisetzung oder Lösung, innerhalb 3-4 Stunden nach Einnahme von Tabletten mit verlängerter Wirkstofffreisetzung.
 
7.3Weitere symptomatische Massnahmen
-Intravenöse Flüssigkeitstherapie mit kristalloiden Lösung (z.B. Ringer-Laktat-Lösung) bei Hypotonie.
-Vorsicht bei aggressiver Flüssigkeitstherapie bei Patienten mit Bluthochdruck oder erheblichen Herzrhythmusstörungen.
-Vorsicht mit Schleifendiuretika, da sie eine Hypokaliämie verschlimmern können.
-Bei Tachykardie (Herzfrequenz > 160 Schläge/Minute bei grossen Hunden oder > 180-200 Schläge/Minute bei kleinen Hunden) wird ein Betablocker empfohlen:
Propranolol 0.02 mg/kg Köpergewicht i.v.; kann als nichtselektiver Beta-1- und Beta-2-Rezeptor-Antagon von Vorteil sein; die Halbwertszeit kann jedoch länger als die von inhaliertem Salbutamol sein.
Esmolol 0.1-0.5 mg/kg Köpergewicht, langsame i.v., danach in einer konstanten Infusion mit 10-200 µg/kg Köpergewicht/min. zur Aufrechterhaltung der Herzfrequenz.
-Benzodiazepine bei ZNS-Stimulation und Tremor:
Diazepam 0.5-1 mg/kg Köpergewicht i.v., nach Wirkung.
Midazolam 0.1-0.3 mg/kg Köpergewicht i.v. oder i.m. nach Wirkung.
-Kalium-Supplementierung, wenn der Kaliumspiegel trotz Betablockern weiter sinkt oder wenn die Konzentration < 2.5 mEq/L (2.5 mmol/L) ist, mit einer Anfangsrate von nicht mehr als 0.5 mEq/kg Köpergewicht (0.5 mmol/kg Köpergewicht/h) i.v.
-Lidocain bei Arrhythmien trotz Betablocker-Gabe und Kaliumsupplementierung: 2 mg/kg Köpergewicht als langsam i.v.-Bolus, danach als konstante Infusion mit 25-80 µg/kg Köpergewicht/min.
-Die Hypophosphatämie ist in der Regel vorübergehend und nicht therapiebedürftig. In schweren Fällen (Serumphosphat < 1 mg/dL), kann eine intravenöse Supplementierung notwendig sein: 0.06-0.18 mmol/kg Köpergewicht Kaliumphosphat i.v. über 6 Stunden, je nach Ansprechen.
 
Alternative Medikamente
-Orale Betablocker anstelle intravenöser Formulierungen, falls diese nicht verfügbar sind:
Propranolol Hund: 0.1-0.2 mg/kg p.o., alle 8 Stunden; Katze: 2.5-10 mg/Tier p.o., alle 8 Stunden.
Metoprolol Hund: 0.4-1 mg/kg p.o., alle 8-12 Stunden; Katze: 2-15 mg/Tier p.o., alle 8 Stunden.
Atenolol Hund: 0.25-1.5 mg/kg p.o., alle 12 Stunden; Katze: 6.25 mg/Tier p.o., alle 12 Stunden.
 
Überwachung des Patienten
-Kontinuierliche EKG- und intermittierende Blutdrucküberwachung.
-Engmaschige Überwachung des ZNS und des neuromuskulären Status.
-Überwachung der Kalium- und Phosphatspiegels im Serum.
-Regelmässige Untersuchung der Mundhöhle für bis zu 24 Stunden, wenn ein Druckinhalationsgerät zerbissen wurde.
 
Mögliche Komplikationen
-Aggressive Kaliumersupplementierung kann während der Erholungsphase zu einer Rebound-Hyperkaliämie führen.
-Katecholamin-Erschöpfung und anhaltende Schwäche möglich.
-Möglichkeit einer Myokardnekrose/Fibrose.
-Anhaltende Arrhythmien für bis zu zwei Monate möglich.
-Rhabdomyolyse und akute Nierenschädigung wurden bei einem Windhund berichtet, der einen Salbutamol-Inhalator zerbissen hatte.
-Das Zerbeissen eines Dosieraerosols kann zu einer thermischen Verletzung der Mundhöhle und damit zu einer Beeinträchtigung der Atemwege führen.
 

8. Erwarteter Verlauf und Prognose

Die Erholung erfolgt in der Regel innerhalb von 12-24 Stunden, allenfalls innerhalb von 48 Stunden. Kardiale Folgeerscheinungen sind selten.
 

9. Literatur

Budde JA & McCluskey DM (2023) Plumbs Veterinary Drug Handbook, 10TH Edition. Wiley-Blackwell, Hoboken NJ, pp. 24-27, 280-282 & 1213-1215
 
Hovda LR, Brutlag AG, Poppenga RH & Epstein SE (2024) Blackwell's five-minute veterinary consult clinical companion: small animal toxicology, 3rd edition. Wiley Blackwell, pp. 139-144
 
SDB Clenbuterol (2023) https://sds.edqm.eu/pdf/SDS/EDQM_201600214_1.0_SDS_DE.pdf?ref=1501834783 (erfasst am 29.10.2024)
 
SDB Fenoterol (2023) https://sds.edqm.eu/pdf/SDS/EDQM_201600379_1.0_SDS_DE.pdf?ref=1498387460 (erfasst am 29.10.2024)
 
SDB Formoterol (2023) https://www.msd.com/docs/product/safety-data-sheets/hh-sds/Formoterol%20 Formulation_HH_ID_6N.pdf (erfasst am 29.10.2024)
 
SDB Indacaterol (2010) https://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/nda/2011/022383 Orig1s000 PharmR.pdf (erfasst am 29.10.2024)
 
SDB Olodaterol (2020) https://datasheets.scbt.com/sds/aghs/en/sc-500912.pdf (erfasst am 29.10.2024)
 
SDB Salbutamol (2012) https://cdn.pfizer.com/pfizercom/products/material_safety_data/PZ00701.pdf (erfasst am 29.10.2024)
 
SDB Salmeterol (2023) https://sds.edqm.eu/pdf/SDS/EDQM_201600811_1.0_SDS_EN.pdf?ref=1628366741 (erfasst am 29.10.2024)
 
SDB Terbutalin (2018) https://www.spectrumrx.com/media/sds/T1062_AGHS.pdf (erfasst am 29.10.2024)
 
SDB Vilanterol (2015) https://imgcdn.mckesson.com/CumulusWeb/Click_and_learn/SDS_9GLAXC_BREO_ELLIPTA_100_25MCG_INH.pdf (erfasst am 29.10.2024)
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