Der Opioidrezeptor-Antagonist Naloxon ist 10 bis 30-mal potenter wirksam als Nalorphin (
).
Wirkungsort und -mechanismus
Antagonismus
Naloxon wirkt als kompetitiver Antagonist indem er an μ-, δ- und κ- Opioid-Rezeptoren bindet. Die grösste Affinität besteht dabei an den μ-Rezeptoren (
Freise 2012a;
Seksel 2008a;
Hsu 2008a), wobei es diese bereits nach der Gabe niedriger Dosen blockiert (
Branson 1995b); die δ- und κ-Rezeptoren hingegen werden erst nach einer vielfach höheren Dosis blockiert (
Illes 2005a;
Sciorsci 2001a;
Booth 1982a). Bei der Anwendung des Wirkstoffs ist nicht nur eine Aufhebung der Wirkung des exogenen Opioids, sondern auch eine Antagonisierung der Endorphinwirkung an den Opioidrezeptoren zu erwarten (
Ebert 2002a;
Ammer 2010a). Naloxon hat keine agonistischen Eigenschaften (
Plumb 2011a). In sehr niedrigen Dosierungen kann es jedoch durch die Blockierung von präsynaptischen Opioid-Rezeptoren zur Freisetzung von endogenen Opioiden und somit zu scheinbar agonistischen Wirkungen kommen, da postsynaptische Opioid-Rezeptoren erst durch höhere Naloxon-Dosierungen blockiert werden (
Löscher 2010a). Die meisten opioidinduzierten Wirkungen, u.a. auch Atem- und ZNS-Depression werden durch Naloxon antagonisiert (
Plumb 1999a). Es antagonisiert die Wirkung von Morphin, Oxymorphon, Butorphanol, Hydromorphon und anderen Opioiden (
Papich 2007a). Morphin, Pethidin (Meperidin), sowie Buprenorphin werden etwas schwächer antagonisiert als Oxymorphon (
Branson 2001b;
Branson 1995b;
Papich 2007a). Der emetische Effekt von Apomorphin (
Plumb 1999a;
Branson 2001b) und die anästhetische Wirkung von Halothan werden nicht aufgehoben (
Artru 1980a;
Pace 1979a).
Kardiovaskuläres System
Naloxon erhöht den kardialen Output sowie den arteriellen Blutdruck (
DiPalma 1984a;
Bell 1985a) und senkt die Hämokonzentration (
Allen 1993a).
Hund
Bei mit Pentobarbital anästhesierten Hunden erhöht die Injektion von Naloxon in die A. carotis bei mit Pentobarbital anästhesierten Hunden, erhöht den Vasopressin-Plasmaspiegel und führt zu einem leichten Anstieg des arteriellen Blutdrucks (
Rockhold 1983a).
Naloxon verhindert durch eine myokardiale Ischämie hervorgerufene Arrhythmien, Bradykardien und Hypotensionen (
Lee 1992a). Endogene Opioid-Peptide, welche infolge von Stress bei einer myokardialen Ischämie und Reperfusion ausgeschüttet werden, wirken bei der Entstehung von Herz-Arrhythmien mit und beteiligen sich durch lokale Mechanismen an der Regulation der myokardialen Funktion. Naloxon verdrängt die endogenen Opioide von deren Rezeptoren, führt zu einer raschen lokalen Ausschüttung von Norepinephrin und erhöht die Kontraktionskraft (
Caffrey 1985a). Ausserdem hat Naloxon einen positiven Effekt auf das mit sauerstoffreichem Blut minderversorgte Myokard (
Weber 2001a).
Stoffwechsel
Naloxon wirkt dem Auftreten einer metabolischen Azidose und Hypoglykämie entgegen (
Allen 1993a).
Endotoxämie
Katze
Naloxon hat bei einer Endotoxämie eine positive Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System. Drei von fünf Katzen mit endotoxischem Schock überlebten nach der intermittierenden Gabe von 2 mg/kg Naloxon i.v., während vier von fünf der unbehandelten Tiere starben (
Koyama 1983b).
Harntrakt
Katze
In niedrigen Dosierungen von 0,5 - 2 μg/kg Naloxon erhöht sich die Frequenz der Blasenkontraktionen und auch die Kontraktionsdauer wird in einigen Fällen verlängert. Bei etwas höheren Dosen von 2 - 8 μg/kg weisen die Kontraktionen eine niedrigere Amplitude, aber eine höhere Frequenz von 7 - 8 Kontraktionen pro Minute auf. Bei Dosen zwischen 8 und 32 μg/kg treten während ca. 15 - 40 Minuten starke tonische Kontraktion auf, welche von hochfrequenten rhythmischen Bewegungen überlagert werden. Bis zum vollständigen Abklingen dieser Wirkung dauert es 1,5 - 2 Stunden (
Roppolo 1983a).
Gastrointestinaltrakt
Hund
Nach einer Injektion von 63 μg/kg Naloxon i.v. wird der Blutfluss zum Magen, Jejunum, Colon, Pankreas, zur Milz und zu den Nieren signifikant gesteigert, ohne dass sich die kardiale Leistung oder der arterielle Blutdruck verändert. Naloxon wirkt über das ZNS indirekt vasodilatatorisch auf die splanchnischen Gefässe und verbessert damit die Durchblutung der oben genannten Organe (
Weber 2002a).
Stereotypien
Endogene Opioid-Peptide werden bei Stress ausgeschüttet und wirken auf den Neurotransmitter Dopamin, welcher bei der Entstehung von Zwangsstörung eine Rolle zu spielen scheint (
Seksel 2008a).
Pferd
Bei Pferden mit Krippensetzen sistiert die Stereotypie infolge der Rezeptor-Blockade für Endorphine, nach der Gabe von 0,02 - 0,04 mg/kg Naloxon i.v. oder i.m. für ca. 20 Minuten (
Dodman 1987a;
Branson 1995b;
Papich 2007a).
Nasenbremse
Pferd
Die Wirkung einer Nasenbremse wird durch Naloxon aufgehoben (
Ebert 2002a).
Gebärparese
Rind
Festliegenden Kühen mit Milchfieber (Gebärparese) wurde vergleichend Naloxon, Kalzium-Lösung oder beides zusammen verabreicht. Bei den Kühen, welche Naloxon zusammen mit einer Kalzium-Infusion verabreicht bekamen, sank die Notwendigkeit einer wiederholten Behandlung signifikant und alle Patienten erholten sich. Eine Kuh mit einer schweren Hypokalzämie lag, trotz mehreren Kalzium-Infusionen bereits 5 Tage fest. Nach der Injektion von Naloxon erlitt sie eine Tetanie und starb. Vermutlich verdrängte der Wirkstoff die endogenen Opioide von ihren Rezeptoren, so dass Kalzium durch die geöffneten Kalziumkanäle in die Zellen strömen konnte. Offenbar haben die peripartalen, vermehrt gewebsgebundenen endogenen Opioidpeptide in der Muskulatur, im Nervensystem und v.a im Myokardium Einfluss auf den extra- und intrazellulären Kalzium-Haushalt, indem sie Kalziumkanäle blockieren. Die Behandlung mit Naloxon zusammen mit Kalzium bei Milchkühen mit Gebärparese ist eine wirkungsvolle und sichere Therapie (
Sciorsci 2001a). Dies wird auch in einer neueren Studie belegt, in welcher die kombinierte Anwendung von Kalzium und Naloxonhydrochlorid-Dihydrat in einer Dosierung von 0,01 mg/kg zu einer höheren Kalzium-Konzentration im Plasma und dadurch zu einer schnelleren Erholung der betroffenen Kühe führte (
Rizzo 2008a).
Ovarialzysten
Hochleistungsmilchkühen mit Ovarialzysten wurde 0,6 mg Naloxonyhdrochlorid in 3 ml 20%-igem Kalzium-Glukonat zusammen mit einem GnRH-Analogon epidural injiziert. Bei 77,5% der behandelten Tiere bildeten sich die Zysten innerhalb von 2 Wochen zurück und zeigten eine zyklische ovarielle Aktivität (
Palomar 2008a).
Fruchtbarkeit
Schwein
Bei Mutter-Sauen, denen vor dem Absetzen der Ferkel Naloxon appliziert wurde, verkürzte sich das Absetz-Rausche-Intervall (
Fernandez 2000a).
Prolaktinspiegel
Schaf
Die Behandlung von Auen mit Naloxon führte zu einem Absinken des Plasma-Prolaktinspiegels (
Fuentes 2006a).
Dopaminspiegel
In höheren Dosierungen erhöht Naloxon den Dopaminspiegel (
Plumb 1999a).