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Gabapentinoide

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Gabapentinoide sind Derivate des hemmenden Neurotransmitters γ-Aminobuttersäure (GABA) und binden an die CaVα2δ-Untereinheit von präsynaptischen, spannungsabhängigen Calciumkanälen (VGCCs), wodurch der Calciumeinstrom in die Zelle gehemmt wird. Sie werden als Antikonvulsiva, zur Behandlung neuropathischer Schmerzen und generalisierten Angststörungen eingesetzt. Zu den Gabapentinoiden gehören Gabapentin, Pregabalin, Mirogabalin und Phenibut.
 

2. Quellen

Gabapentin und Pregabalin sind Humanarzneimittel, die auch in der Veterinärmedizin eingesetzt werden: bei Hunden als ergänzende antikonvulsive Therapie, bei Hunden und Katzen zur Kontrolle einiger chronischer Schmerztypen sowie gegen perioperative Schmerzen, bei Katzen zur Verringerung von Stress (Transport, Tierarzt) und bei Hunden gegen die Angst vor Stürmen.
 

3. Kinetik

-Die wiederholte Verabreichung von Gabapentin an Hunde und Katzen verändert die Pharmakokinetik nicht.
-Chronische Nephropathien bei Katzen bewirken höhere Gabapentin-Serumkonzentrationen und korrelieren, im Vergleich zu gesunden Katzen, auch positiv mit den Serumkreatininwerten.
-Die transdermale Absorption scheint bei Katzen gering zu sein.
 
GabapentinoidTier­artResorp­tionOrale Bio­verfüg­barkeitZeit­punkt des maxi­malen Blut­spiegelsPlasma­protein­bindungElimi­nationPlasma­halbwerts­zeit
GabapentinHund ca. 80%1-2 h< 3%32% biliär, 68% renal: 34-40% als N-Methyl-Gabapentin, 60-66% unverändert2-4 h
GabapentinKatze 90-95%65-100 min (45 min, repetitive Dosen)  2.8-3.7 h
PregabalinHundrasch (System-L-Amino­säure­trans­porter) 1.5 h0%unverändert, hauptsächlich renal6.9 h
PregabalinKatzerasch (System-L-Amino­säure­trans­porter) 2.9 h unverändert, hauptsächlich renal10.4 h
 

4. Toxisches Prinzip

-Der Wirkmechanismus von Gabapentin und Pregabalin ist nicht vollständig geklärt, aber sie scheinen an CaVα2δ, eine Untereinheit präsynaptischer, spannungsabhängiger Calciumkanäle (VGCCs), zu binden. Durch die Verringerung des Calciumeinstroms wird die Freisetzung exzitatorischer Neurotransmitter (z.B. Substanz P, Glutamat, Noradrenalin) gehemmt. Pregabalin wirkt 5-mal so stark wie Gabapentin.
-Gabapentin hat eine schmerzstillende Wirkung und kann Allodynie und Hyperalgesie verhindern, indem es auf die auf- und absteigenden Schmerzbahnen der Wirbelsäule einwirkt. Es aktiviert die absteigenden hemmenden spinalen noradrenergen Signale, indem es die präsynaptische neuronale Freisetzung von γ-Aminobuttersäure (GABA) verringert und die astrozytäre Glutamatfreisetzung im Locus coeruleus erhöht.
-Der Mechanismus hinsichtlich der krampflösenden und beruhigenden Wirkung ist nicht bekannt.
-Obwohl Gabapentin strukturell mit Gamma-Aminobuttersäure Typ A (GABA) verwandt ist, scheint es die GABA-Bindung, Wiederaufnahme oder den Abbau nicht zu verändern und in vivo auch nicht als GABA-Agonist zu wirken.
-Basierend auf Studien an trächtigen Mäusen, Ratten und Kaninchen könnte Gabapentin bei trächtigen Tieren eine Entwicklungstoxizität (erhöhte fetale Skelett- und Viszeralanomalien und erhöhte embryofetale Sterblichkeit) verursachen.
-In einer zweijährigen Karzinogenesestudie wurde bei Ratten, die mit supratherapeutischen Gabapentin-Dosen behandelt wurden, eine erhöhte Inzidenz von Adenomen und Karzinomen der Pankreas-Azinuszellen festgestellt.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Die akute orale LD50 ist wie folgt (in mg/kg Körpergewicht):
 MausRatte
Gabapentin8053>8000
Pregabalin>5000>5000
Mirogabalin  
Phenibut  
 

II. Spezielle Toxikologie - Kleintier

1. Toxizität

-Es gibt keine Studien zur akuten oder chronischen Toxizität von Gabapentinoiden bei Hunden und Katzen. Zu den häufigsten akuten unerwünschten Wirkungen bei Hunden und Katzen zählen Depression des zentralen Nervensystems (Sedierung), verminderte Aktivität, Ataxie, Muskelzittern und Schwäche.
-Gabapentin: Hund: lebensbedrohliche, unerwünschte Wirkungen sind bei therapeutischen Dosen von bis zu 500 mg/kg Körpergewicht/Tag äusserst unwahrscheinlich. Therapeutische Dosis: Hund: 10-30 mg/kg Körpergewicht p.o., 3- bis 4-mal täglich, Angst vor Stürmen: 25-30 mg/kg Körpergewicht p.o., 90 Minuten vor dem Ereignis; Katze: 5-10 mg/kg Körpergewicht p.o., 2- bis 3-mal täglich, Anxiolyse: 50-200 mg/Katze p.o., 3 Stunden vor dem Tierarztbesuch.
-Pregabalin: Therapeutische Dosis: Hund: 3-5 mg/kg Körpergewicht p.o., 2- bis 3-mal täglich; Katze: 1-3 mg/kg Körpergewicht p.o., 2-mal täglich, Anxiolyse: 5-10 mg/kg Körpergewicht p.o., 90 Minuten vor dem Transport.
-Erhöhtes Risiko einer Atemdepression bei Ennahme von anderen atemdepressiven Medikamenten (Acepromazin, Benzodiazepine, Cannabidiol, Hydroxyzin, Minocyclin, Mirtazapin und Opioide).
-Während der Trächtigkeit besteht ein erhöhtes Risiko für fetale Anomalien.
 

2. Latenz

Die Symptome treten nach 1-2 Stunden auf.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Apathie, Lethargie, Ataxie
  
3.2Nervensystem
Tremor, Schwäche
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Keine Symptome
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Keine Symptome
  
3.5Respirationstrakt
Keine Symptome
  
3.6Herz, Kreislauf
Keine Symptome
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Haut, Schleimhäute
Keine Symptome
  
3.11Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Fetotoxizität
 

4. Sektionsbefunde

Keine spezifischen Befunde
 

5. Weiterführende Untersuchungen

-Blutchemie: Elektrolyte, Glucose
-Blutdruck: Hypotonie
 

6. Differentialdiagnose

Erkrankungen, die mit Veränderungen des mentalen Status und der neuromuskulären Funktion einhergehen.
 

7. Therapie

7.1Notfallmassnahmen
-Kreislauf stabilisieren
-Atmung stabilisieren
 
7.2Dekontamination und Elimination
-Provozierte Emesis: bei asymptomatischen Patienten, innerhalb von 1 Stunde.
-Sofern guter Schluckreflex: Verabreichung von Aktivkohle mit einem Laxans, z.B. Carbodote, Trinklösung (24 g Carbo activatus/100 ml) oder Carbovit® (15 g Carbo activatus/100 ml): innerhalb von 1 Stunde.
 
7.3Weitere symptomatische Massnahmen
-Intravenöse Flüssigkeitstherapie
-Bei Bedarf Verabreichung von Glucose
-Bei Bedarf Gabe von Sauerstoff
-Überwachung der Urinproduktion
 

8. Erwarteter Verlauf und Prognose

Das Risiko einer akuten Toxizität ist innerhalb der therapeutischen Dosis relativ gering.
 

9. Literatur

Budde JA, McCluskey DM (2023) Plumbs Veterinary Drug Handbook, 10th Edition. Wiley-Blackwell, Hoboken NJ, pp. 568-570 & 1064-1065
 
Drugbank online (2024) https://go.drugbank.com/drugs (erfasst am 5.11.2024)
 
Hovda LR, Brutlag AG, Poppenga RH & Epstein SE (2024) Blackwell's five-minute veterinary consult clinical companion: small animal toxicology, 3rd edition. Wiley Blackwell, pp. 139-144
 
PubChem (2024) pubchem.ncbi.nlm.nih.gov
 
SDS Pregabalin (2004) https://imgcdn.mckesson.com/CumulusWeb/Click_and_learn/MSDS_9UPJHN_LYRICA_CAP_75MG.pdf (erfasst am 5.11.2024)
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