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Blei und Bleiverbindungen

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Blei ist ein silbrig graues, weiches und dehnbares Metall. In den meisten anorganischen Verbindungen ist Blei nicht oder nur schwer wasserlöslich. Nur Bleiacetat, Bleichlorat und Bleichlorid sind wasserlöslich. Bleiacetat, Bleichlorat, Bleichlorid und Bleiarsenat erscheinen als weisses kristallines Pulver. Bleioxide bestehen aus gelben oder roten Kristallen; Bleidioxid ist schwarzbraun; Bleichromat ist ein gelbes Pigment. Mennige sind Mischoxide, die als rotes Pulver zur Herstellung von Rostschutzfarben verwendet werden. Bleicarbonat (Bleiweiss) wird wegen seiner Deckkraft in Malerfarben gemischt. Bleiacetat (Bleizucker) ist ebenfalls eine weisse Substanz, die früher auch als Adstringens und Desinfektionsmittel gebraucht wurde. Bleisulfid (Bleiglanz) dient als billige Glasur für Töpferware. Verschiedene Bleisalze, besonders Bleiacetat, verleihen einen süssen Geschmack und werden daher von Tieren spontan aufgenommen. Organische Bleiverbindungen wie Tetramethyl- und Tetraethylblei liegen in Form von farblosen, flüchtigen Flüssigkeiten vor.
 

2. Quellen

Die häufigsten Quellen von Bleivergiftungen umfassen bleihaltige Farben (zum Beispiel Mennige), Bleigewichte (an Gardinen, Vorhängen, Tischtüchern, Fischereiutensilien, Baustellen), Bleigeschosse oder bleihaltige Schrotkugeln, bleiverseuchte Weiden im Zielbereich von Schussanlagen, Altöl von Motoren, die bleihaltiges Benzin verbrennen, Schmierfette, Batterien, Lötmaterial, Industrieemissionen, bleihaltige Wasserleitungen, Linoleumböden, Druckerschwärze, bleihaltige Töpferwarglasuren, Golfbälle. Mennige enthalten bis zu 50% Bleisalze. Die Emissionen durch bleihaltige Antiklopfmittel haben aufgrund der Verwendung bleifreien Benzins abgenommen.
 

3. Kinetik

3.1Orale Resorption
Die orlae Aufnahme von Blei ist der häufigste Weg der Exposition. Metallisches Blei und seine Salze werden nach oraler Aufnahme nur langsam und in geringem Masse resorbiert (die Bioverfügbarkeit liegt unter 10%). Organische Bleiverbindungen wie Bleitetramethyl werden dank ihrer Lipidlöslichkeit fast vollstandig enteral resorbiert und gelangen leicht ins ZNS.
Die Bioverfügbarkeit von Blei ist bei jungen Tieren, bei Tieren mit Kalzium-, Eisen-, Zink- oder Vitamin-D-Mangel sowie bei trächtigen oder säugenden Tieren höher. Milch erhöht die Bioverfügbarkeit von Blei, womit die gleichzeitige Milchaufnahme bei Jungtieren die Intoxikation begünstigt.
 
3.2Dermale Resorption
Bleiverbindungen können auch durch Inhalation oder über die Haut in den Organismus eindringen. Die Bioverfügbarkeit inhalierter Bleiverbindungen beträgt bis zu 80% bei einer Partikelgrösse kleiner als 10 µm.
 
3.3Verteilung
Nach der Absorption wird ein grosser Teil des Bleis auf Erythrozytenmembranen transportiert. Das aufgenommene Blei reichert sich in den Erythrozyten, in Leber, Nieren, Zähnen, Haaren und Knochen, bzw. in der aktiven Knochenmatrix, an. Letztere dienen als relativ träge Langzeitspeicher.
Im Gewebe wird das metallische Blei von Schrotkugeln oder anderen Projektilen so eingekapselt, dass das Blei nur sehr langsam aus dem Gewebe gelöst und systemisch verteilt wird. Liegen die Geschosse im Bereich von Gelenkkapseln, kann es wegen der Korrosion durch Synovialflüssigkeit zur Bleifreisetzung kommen. Blei wird auch aus Zwischenwirbelräumen, Abszessen, Knochenmark, Lunge oder dem Gehirn herausgelöst.
 
3.4Elimination
Die Ausscheidung erfolgt äusserst langsam (über Monate) primär biliär, geringgradig renal, auch über die Milch. Bei der Chelatisierung wird die Urinausscheidung stark erhöht. Die Halbwertszeit beträgt im Blut 1.2 Tage, in den Weichteilen 184 Tage und > 4500 Tage im Knochen. Die Bleidepots in den Knochen können während einer Trächtigkeit wieder mobilisiert werden.
 

4. Toxisches Prinzip

Die Zellschädigung ist zum Teil auf die Fähigkeit von Blei zurückzuführen, andere mehrwertige Kationen (insbesondere zweiwertige Kationen wie Ca++ und Zn++) zu ersetzen, die für die Zellhomöostase wichtig sind. Blei bindet an Sulfhydryl- und andere nukleophile funktionelle Gruppen, was zur Hemmung verschiedener Enzyme und zu Veränderungen im Kalzium- und Vitamin-D-Stoffwechsel führt. Durch eine erhöhte Produktion reaktiver Sauerstoffspezies verursacht Blei oxidative Schäden. Es werden auch verschieden biologische Prozesse beeinträchtigt, darunter Metalltransport, Energiestoffwechsel, Apoptose, Ionenleitung, Zelladhäsion, inter- und intrazelluläre Signalübertragung, enzymatische Prozesse, Proteinreifung und Genregulation. Blei hemmt die Hämoglobinproduktion durch Beeinträchtigung mehrerer enzymatischer Schritte im Häm-Weg, was bei chronischer Bleivergiftung zur Anämie beiträgt.
Über diese Mechanismen greift Blei vor allem den Magen-Darm-Trakt, das Nervensystem, die Erythropoese und die Nieren an. Die Schädigungen umfassen im Magen-Darm-Trakt eine lokale Ätzwirkung und vermutlich Schädigung peripherer Nerven; im Nervensystem Kapillarschäden, Veränderung membranständiger Ionenkanäle und Signalmoleküle; in der Erythropoese kommt es zu einer Beeinträchtigung der Hämoglobinsynthese, einer erhöhten Fragilität und verminderten Überlebensrate der Erythrozyten, einer Freisetzung von Retikulozyten und kernhaltigen Erythrozyten aus dem Knochenmark, zu einer Hemmung der 5'-Pyrimidin-Nukleotidase, was zur Retention von RNA-Abbauprodukten, Aggregation von Ribosomen und basophiler Tüpfelung führt; in den Nieren erfolgt eine Beeinträchtigung der proximalen Tubuluszellen durch Störung der Enzyme und oxidativer Schäden.
Bleiverbindungen werden zu den mutagenen und karzinogenen Stoffen gezählt.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Die Toxizität ist abhängig von der jeweiligen Substanz. Gefährlich sind vor allem wasserlösliche Bleisalze, Bleidämpfe und organische Bleiverbindungen.
 

Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatteKaninchenHuhn
Bleiarsenat 100-825125450
Bleichromat12'000   
Bleifluoroborat 50  
Bleitetraethyl 1230 
Bleitetramethyl 10524 
 

6. Umwelttoxikologie

Wasservögel sind durch Aufnahme des in verschossenen Kugeln enthaltenen Bleis gefährdet, deshalb werden bei der Jagd vermehrt Kugeln aus Stahl oder anderen Legierungen verwendet.
 

II. Spezielle Toxikologie - Kleintier

1. Toxizität

-Die akute toxische Dosis der verschiedenen Bleiformen beim Hund reicht von 190-1000 mg/kg Körpergewicht; die chronisch kumulative Toxizität beträgt 1.8-2.6 mg/kg Körpergewicht.
-Die minimale letale Dosis (oral, bezogen auf Bleiacetat) liegt um 300 mg/kg Körpergewicht. Bei repetitiver Aufnahme sinkt diese Dosis bis auf 10 mg/kg/Tag. Jungtiere sind empfindlicher als Adulte.
-Für Bleisulfid und Bleisulfat wird eine minimale letale Dosis (oral) von 2-2.5 g/kg Körpergewicht beim Hund angegeben.
 

2. Latenz

Es sind sowohl akute (mit einer Latenzzeit von wenigen Tagen), wie chronische Vergiftungen möglich. Bei repetitiver Aufnahme kleiner Bleimengen können die Symptome nach Monaten akut ausbrechen.
 

3. Symptome

Vor allem gastrointestinale und neurologische Symptome. Magen-Darm-Symptome gehen den ZNS-Symptomen häufig voraus und sind vorherrschend bei chronischer und geringer Exposition. ZNS-Symptome treten häufiger bei akuter Exposition auf und sind häufiger bei jüngeren Tieren. Es sind auch proximale tubuläre Nephropathien möglich.
 
3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Unruhe, Erregung, Zwangsbewegungen (Kopfpressen, Manegebewegungen, Herumrennen), Bellen oder Beissen, Depression, Anorexie, Abmagerung, Ataxie
  
3.2Nervensystem
Hyperästhesie, Tremor, Krämpfe, Opisthotonus, vertikaler Nystagmus, bei chronischer Vergiftung eher Paralysen, Paresen, Hyporeflexie
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Salivation, zum Teil blutiges Erbrechen, bei chronischen Vergiftungen Megaösophagus und graubläulich bis schwarzer Gingivasaum an den Zähnen; der Bleisaum besteht aus unlöslichen Bleisulfiden im Kapillarendothel des Zahnfleischrandes
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Bleikolik, zum Teil blutiger Durchfall, anfangs auch Obstipation
  
3.5Respirationstrakt
Keine Symptome
  
3.6Herz, Kreislauf
Keine Symptome
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Sehstörungen bis Blindheit, Mydriasis, Iridozyclitis
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Fell, Haut, Schleimhäute
Keine Symptome
  
3.11Blut, Blutbildung
5-40 kernhaltige Erythrozyten/100 Leukozyten ohne Anämie (das Fehlen von kernhaltigen Erythrozyten schliesst die Diagnose nicht aus); Anisozytose, Polychromasie, Poikilozytose, Targetzellen, Hypochromasie; Basophile Tüpfelung der Erythrozyten (oft schwer zu erkennen); Neutrophile Leukozytose
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Aborte bei chronischer Vergiftung; Milch erhöht die intestinale Bioverfügbarkeit von Blei, daher sind Jungtiere während der Laktationszeit besonders gefährdet
 

4. Sektionsbefunde

Es treten unspezifische Veränderungen wie Gastroenteritis, Pneumonie, Leber- und Nierendegeneration, Petechien, Ekchymosen und ein Hirnödem auf. Eventuell werden im Gastrointestinaltrakt Farbsplitter oder Bleigegenstände gefunden.
Histopathologische Befunde: Intranukleäre säurefeste Einschlusskörperchen können in den Hepatozyten oder renalen Tubulusepithelzellen festgestellt werden, es handelt sich um die intrazelluläre Speicherform von Blei, sie gelten als pathognomonisch. Zerebrokortikale Läsionen umfassen Spongiosis, vaskuläre Hypertrophie, Gliose, neuronale Nekrose und Demyelinisierung.
 

5. Weiterführende Diagnostik

5.1Direkter Nachweis
-Blei wird mittels Atomabsorptionsspektrometrie gemessen.
-Bleigehalt im Vollblut (es können Heparin- oder EDTA-Röhrchen benutzt werden): Werte > 3.5 ppm (35 µg/dL) deuten auf eine Bleivergiftung hin. Die Bleikonzentrationen im Blut schwanken und korrelieren nicht unbedingt mit der Gesamtbelastung des Körpers. Niedrigere Werte müssen in Verbindung mit der Krankengeschichte und den klinischen Symptomen interpretiert werden. Es gibt keine normalen Hintergrund-Bleikonzentrationen im Blut, typischerweise betragen die Bleiwerte weniger als 0.05 ppm. Die Blutkonzentrationen korrelieren nicht mit dem Auftreten oder der Schwere der klinischen Symptome.
-CaNa2EDTA-Mobilisierungstest: Sammlung einer 24-Stunden-Urinprobe, dann Verabreichung von CaNa2EDTA 75 mg/kg i.m., darauf Sammlung einer zweiten 24-Stunden-Urinprobe; bei einer Bleivergiftung steigt das Blei im Urin nach der CaNa2EDTA-Gabe um das 10- bis 60-fache an.
-Postmortale Bleikonzentration in Leber und/oder Nieren: > 5 ppm (Nassgewicht).
-Die Bleianreicherung im Knochen erfolgt kumulativ und ist deshalb nicht aussagekräftig für eine akute Exposition.
 
5.2Veränderte Laborwerte
-Blutchemie: δ-Aminolävulinsäure und Protoporphyrin sind erhöht, Hämoglobingehalt des Blutes ist erniedrigt; Katzen: erhöhte AST (Aspartat-Aminotransferase)- und ALP (Alkalische Phosphatase)-Werte möglich.
-Differentialblutbild: 25-40 kernhaltige Erythrozyten/100 Leukozyten ohne Anämie (das Fehlen von kernhaltigen Erythrozyten schliesst die Diagnose nicht aus); Anisozytose, Polychromasie, Poikilozytose, Targetzellen, Hypochromasie; Basophile Tüpfelung der Erythrozyten (oft schwer zu erkennen); Neutrophile Leukozytose.
-Steigerung der Harnausscheidung von δ-Aminolävulinsäure und Koproporphyrin III; leichte unspezifische Nierenschäden mit Glukosurie, Proteinurie und Hämoglobinurie.
 
5.3Röntgen
-Blei stellt sich röntgendicht im Magen-Darm-Trakt oder im Gewebe dar (das Vorhandensein oder Fehlen ist nicht diagnostisch).
-Röntgenologische Bleilinien (Ausfällung von Bleisalzen) in der Epiphyseplatte der langen Knochen sind ungewöhnlich; va. in chronischen Fällen bei jungen Hund.
 

6. Differentialdiagnosen

Differentialdiagnostisch ist ein weites Spektrum verschiedener Ursachen zu berücksichtigen:
-Infektionskrankheiten wie Staupe, Tollwut, Parvovirose, Encephalitis
-Epilepsie
-Vergiftungen mit anderen Schwermetallen (vor allem Quecksilber) oder mit Bromethalin, Carbamaten/Organophosphaten, Methylxanthinen, Tremogenen Mykotoxinen, NSAID
-Andere Ursachen von Gastroenteritis, Darmparasiten, Fremdkörper, Darm-Invagination
-Herzinfarkt
-Chronische Bleivergiftungen können mit Pankreaserkrankungen oder Tumoren verwechselt werden
-Degenerative Erkrankungen oder Speicherkrankheiten
-Hepatische Enzephalopathie
 

7. Therapie

7.1Notfallmassnahmen
-Kreislauf stabilisieren, gegebenenfalls Bluttransfusion
-Atmung stabilisieren
-Krämpfe kontrollieren
-Behandlung eines eventuell vorhandenen Hirnödems
 
7.2Dekontamination und Elimination der Giftquelle
-Verabreichung von Glaubersalz, 1-2 g/kg Körpergewicht, peroral als 5%-20%ige Lösung: Glaubersalz beschleunigt die Darmpassage und zusätzlich werden die Bleiionen im Magen-Darm-Trakt als Sulfat ausgefällt und können somit nicht mehr absorbiert werden.
-Entzug der Bleiquelle, wenn nötig chirurgisch oder endoskopisch. Die chirurgische Exzision bleihaltiger Schrotkugeln oder Projektile aus der Muskulatur ist meistens nicht indiziert. Bleigeschosse werden nämlich durch Bindegewebe abgekapselt, so dass das Blei nur sehr langsam gelöst und systemisch verteilt wird. Zu einer bedeutenden Bleifreisetzung kommt es nur, wenn sich die Geschosse in Gelenkkapseln, Zwischenwirbelräumen, Abszessen, Knochenmark, Lunge oder Gehirn befinden.
 
7.3Antidottherapie
-Es stehen verschiedene Chelatbildner zur Inaktivierung des Bleis und Förderung seiner Ausscheidung zur Verfügung. Die resultierenden Komplexe werden fast vollständig durch glomeruläre Filtration eliminiert. Deswegen ist eine ausreichende Nierenfunktion Vorraussetzung der Therapie mit CaNa2EDTA. Viel frisches Wasser anbieten! Im Laufe der Behandlung mit Chelatbildnern kann es vorübergehend zu einer Verstärkung der Symptomatik kommen.
-CaNa2EDTA, 25 mg/kg s.c., i.m. oder i.v., alle 6 Stunden für 2-5 Tage, vor der Verabreichung in 5%iger Glukose zu einer 1%igen Lösung verdünnen (Endkonzentration von CaNa2EDTA: 10 mg/ml). Maximale Gesamtdosis: 0.5 g/kg/Tier, das heisst nie länger als 5 Tage behandeln. Falls notwendig eine Pause von 5 Tagen einschalten, bevor die Therapie wiederholt werden kann. Nebenwirkungen: Nephrotoxizität, Erbrechen, Durchfall.
-CaNa2EDTA wird peroral schlecht resorbiert.
-CaNa2EDTA ist bei Vergiftungen mit organischen Bleiverbindungen erfolglos.
-Alternative beim Hund: D-Penicillamin, 8 mg/kg alle 6 Stunden oder 10-55 mg/kg 2-mal täglich p.o. Penicillamin muss auf nüchternen Magen gegeben werden, löst aber Erbrechen aus. Die zusätzlich Verabreichung eines Antiemetikums könnte notwendig sein. D-Penicillamin kann auch gebraucht werden, um eine mit CaNa2EDTA begonnenen Therapie fortzusetzen.
-Succimer (DMSA = meso-Dimercaptosuccinylsäure): Hund: 10 mg/kg p.o. alle 8 Stunden für 5 Tage, gefolgt von 10 mg p.o. alle 12 Stunden für zwei Wochen; zwischen den Behandlungen ist eine zweiwöchige Pause notwendig; kann bei Erbrechen auch rectal verabreicht werden; Katze: 10 mg/kg p.o. alle 8 Stunden für 17 Tage.
-Vorteile von Succimer gegenüber anderen Chelatoren: kann peroral verabreicht werden, d.h. es ist eine ambulante Behandlung möglich, es erhöht die Bleiaufnahme aus dem Magen-Darm-Trakt nicht, es scheint nicht nephrotoxisch zu sein.
-CaNa2EDTA ist effektiver bei der Entfernung von Blei aus den Knochen, Succimer ist effektiver bei der Entfernung von Blei aus den Weichteilgeweben.
 
7.4Weitere symptomatische Massnahmen
-Antiemetika: Metoclopramid oder Domperidon
-Supplementierung von Thiamin: 1-2 mg/kg i.m. oder 2 mg/kg p.o. alle 24 Stunden; auch die Gabe von Antioxidantien oder thiolhaltige Medikamenten wie Vitamin C und E, Alpha-Liponsäure und N-Acetylcystein können nützlich sein
-Antibiotische Versorgung: Breitspektrumantibiotika, bei Verdacht auf Apirationspneumonie
 
7.5Chirurgie bei Megaösophagus
Es kann der Versuch unternommen werden, den Megaösophagus chirurgisch zu behandeln. Die Prognose ist jedoch sehr vorsichtig zu stellen.
 

8. Fallbeispiele

8.1Eine Schäferhündin (23 Monate) wird schon seit 9 Tagen erfolglos wegen einer hämorrhagischen Gastroenteritis behandelt.
Laborbefunde: Hämatokrit erniedrigt, Harnstoff erhöht, Bleigehalt im Blut 1.2 ppm
Röntgen: Ansammlung einer strahlendichten Masse im Magen
Therapie: Entfernung der Bleistücke aus dem Magen, Infusionen mit Elektrolyten und Bicarbonat, CaNa2EDTA (15 mg/kg i.v. 2mal täglich über 5 Tage), Siliciumdioxid als Darmabsorbens, Ranitidin (2 mg/kg p.o. 2mal täglich); ab dem dritten Behandlungstag zusätzlich D-Penicillamin (10 mg/kg p.o. 2mal täglich)
Verlauf: Entlassung nach sechs Tagen
(Thüre & Kaiser, 1995).
  
8.2Ein 4 Monate alter deutscher Schäferhund wurde wegen Appetitlosigkeit, häufigem Vomitus und Diarrhoe überwiesen. Die klinische Untersuchung ergab Magerkeit, leichte Anämie und erhöhte Bauchspannung. Röntgenologisch fanden sich im Abdomen viele kleine Metallschatten, die nach anamnestischen Angaben von zerkauten Lineoleumstückchen kommen könnten. Am Skelett waren linien- oder streifenförmige Verdichtungsbezirke unterschiedlicher Lokalisation festzustellen (besonders im Bereich der Metaphysen). Diese Sklettveränderungen wurden als eine chronische Bleivergiftung gedeutet
(Rück et al., 1994).
  
8.3Ein Ara (18 Monate) hat Teile von Bleigewichten gefressen.
Symptome: keine
Röntgen: Es sind röntgendichte Partikel im Kropf und Ventriculus sichtbar.
Therapie: Kropf-Spülung unter Isofluran-Narkose, CaNa2EDTA (30 mg/kg i.m. 2mal täglich über 9 Tage), Vitamine, Calcium-Gluconat, pflanzliches Laxans, Erdnussbutter.
Verlauf: Der Ara bleibt symptomlos. Bei einer röntgenologischen Kontrolle nach zwei Wochen sind die Bleipartikel aus dem Ventriculus verschwunden
(Archambault & Timm, 1994).
 

9. Literatur

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