Anwendungssicherheit
Fenbendazol verfügt über eine sehr gute Verträglichkeit (Enigk 1974a; Manger 1991a; Kirsch 1975a) und hat im Allgemeinen, wie auch andere Benzimidazol-Antihelmintika eine grosse therapeutische Breite (Weber 2002b; Plumb 2018a).
Vögel
Möglicherweise sind gewisse Vogelarten anfälliger auf die toxischen Effekte von Fenbendazol (Howard 2002a) oder das aviäre Tubulin ist nicht gleichermassen geschützt wie das der Säugetiere (Howard 2002a; Weber 2002b). Zudem unterscheiden sich die gastrointestinalen sowie physiologischen Verhältnisse bei Vögeln stark von denen der Säugetiere, was eventuell zu einer veränderten Absorption führen kann (Howard 2002a).
Taube
Verschiedene englischsprachige Publikationen weisen darauf hin, dass Fenbendazol bei Tauben eine sehr geringe therapeutische Breite aufweist. Schon geringgradige Überdosierungen führen zu Leukopenie, Heteropenie, Knochenmarkshypoplasie, Ulcera des Kropfepithels sowie des Dünndarmes und schliesslich zum Tod des Tieres. Aus diesem Grund entschied das VMD (Veterinary Medicines Directorate, UK) am 15. Juli 2019, dass in Grossbritannien Fenbendazol-haltige Produkte für Tauben nicht mehr vereinfacht auf den Markt gebracht werden können (Veterinary Medicines Directorate 2020a).
S.I. (Sicherheitsindex):
Rind: | 20 (Prichard 1988a) |
über 67 (Hertzberg 1999a) | |
Schaf | über 500 (Hertzberg 1999a) |
Hund: | über 10 (Deplazes 1999a) |
Katze: | über 3 (Deplazes 1999a) |
Pferd: | 100 (Eckert 1999a) |
Therapeutische Breite:
Rind: | über 50 (Xiao 1996a) |
Folgende Dosen werden von den Tieren symptomlos toleriert:
Ratte: | 10 g/kg p.o.; 1,25 g/kg i.p.; 2 g/kg s.c. (Wilkens 1974a) |
Maus: | 20 g/kg p.o. (Wilkens 1974a) |
Hund: | 500 mg/kg p.o. (Wilkens 1974a; Thienpont 1978a) |
Katze: | 150 mg/kg p.o. (Deplazes 1999a) |
Schaf: | 5 g/kg p.o. (Wilkens 1974a) |
Rind: | 2 g/kg p.o. (Van den Bossche 1982a; Muser 1984a) |
Akute Toxizität:
Akute orale LD50
Labortiere: | über 10 g/kg (Todd 1976a; Muser 1984a; Van den Bossche 1982a; Plumb 2018a) |
Rind
Die minimale letale Dosis beim Rind beträgt 750 mg/kg (Courtney 1995a).
Hund
Knochenmarkshypoplasie / -aplasie
Aufgrund der erhöhten Zellteilungs- und Stoffwechselaktivität sind Knochenmarkszellen anfällig für eine arzneimittelinduzierte Toxizität. Benzimidazole, zu welchen unter anderem Fenbendazol zählt, binden bekannterweise an Tubulin, ein Strukturprotein der Microtubuli und können somit nachteilige Auswirkungen auf sich schnell teilende Zellen haben. (Nemeth 2019a)
Fallbericht 1 :
Nach der Verabreichung von Fenbendazol trat bei einem Doberman Pinscher eine Panzytopenie auf, die möglicherweise auf eine Knochenmarktoxikose im Zusammenhang mit einer idiosynkratischen Reaktion auf das Arzneimittel zurückzuführen war. Ein 1,5 Jahre alter Doberman Pinscher wurde mit plötzlich einsetzendem Fieber und Unwohlsein in einer Tierklinik vorgestellt. 12 Tage zuvor wurde wegen Verdachts auf eine Lungenwurminfektion die Behandlung mit Fenbendazol 50 mg/kg alle 12 Stunden für insgesamt 14 Tage eingeleitet. 4 Tage nach Behandlungsbeginn vermeldeten die Hundebesitzer eine starke Abnahme des Hustens sowie des Nasenausflusses. Am 11. Behandlungstag zeigte der Hund Zittern, wurde zunehmend lethargisch und anorektisch. Die Fenbendazolgabe wurde von den Besitzern abgesetzt. Als sich keine Besserung des Zustandes einstellte, wurde der Doberman Pinscher am darauffolgenden Tag notfallmässig in einer Tierklinik vorgestellt. Mittels Blutbild konnte eine Panzytopenie diagnostiziert werden. In der Knochenmarkspunktion wurde eine Knochenmarkshypoplasie unklarer Genese festgestellt.
Mithilfe antibiotischer Behandlung, Flüssigkeitstherapie kam es zur vollständigen Genesung. Die klinische Symptomatik sowie die hämatologischen Befunde normalisierten sich innerhalb von 15 Tagen.
Aufgrund des klinischen Verlaufs und der eintretenden Besserung der Symptomatik nach Absetzen der Fenbendazoltherapie wird in diesem Fall von einer medikamenteninduzierten Panzytopenie ausgegangen. (Gary 2004a)
Fallbericht 2 :
Eine 7 jährige Deutsche Kurzhaar Pointer Hündin wurde aufgrund einer Giardieninfektion eines Hundes, welcher im gleichen Haushalt lebt, präventiv (es wurde keine Kotuntersuchung durchgeführt) mit Fenbendazol 60 mg/kg alle 24 Stunden für 3 Tage behandelt. Ungeachtet der Ursache wurden die Pointer Hündin sowie der andere Hund im gleichen Haushalt bei Durchfall vom Besitzer erneut mit Fenbendazol behandelt. Die 2. Fenbendazol-Behandlung erhielt die Hündin 2 Monate nach der ersten Gabe in einer Dosierung von 60 mg/kg alle 12 Stunden für 5 Tage. Die 3. Behandlung startete einen Monat nach der 2. Behandlung in einer Dosierung von 60 mg/kg alle 12 Stunden für 7 Tage. Zwei Tage nach Beendigung der 3. Fenbendazol-Behandlung wurde die Hündin wegen Lethargie und Anorexie ihrer Tierärztin vorgestellt. Der Impfstatus war auf dem aktuellen Stand, die Reiseanamnese negativ und der Floh- sowie Zeckenschutz ebenfalls aktiv. Das Blutbild zeigt eine Neutro- sowie Lymphopenie. Die Hündin erhielt zur Behandlung der bestehenden Dehydratation 500 ml Ringerlactat subkutan und wurde wieder nach Hause entlassen. 2 Tage später wurde das Tier mit Fieber (40.7 °C), Anorexie und stark lethargisch notfallmässig in einer Tierklinik vorgestellt. Das Hämatogramm zeigte eine hochgradige Leukopenie bzw. Neutropenie, Monopenie sowie Lymphopenie. Ebenfalls erniedrigt waren die Anzahl Thrombozyten bei normalem Hämatokrit. Die Resultate der Knochenmarkspunktion wiesen auf eine generalisierte Knochenmarkshypoplasie / -aplasie hin, im Aspirat konnten praktisch nur Adipozyten und wenig hämatopoetische Vorläuferzellen nachgewiesen werden. Durch weiterführende bildgebende Untersuchungen sowie Urinanalysen konnten andere Ursachen wie Neoplasien, typische durch Zecken übertragene Vektorkrankheiten etc. ausgeschlossen werden. Die Verdachtsdiagnose Fenbendazol-induzierte Knochenmarkshypoplasie / -aplasie erhärtete sich. Die Hündin wurde mit Antibiotika (Ampicillin/Sulbactam und Enrofloxacin) und Prednison therapiert und konnte 24 Stunden nach Einlieferung nach Hause entlassen werden. Die Anzahl Neutrophilen und Thrombozyten bewegten sich 3 Tage nach Entlassung wieder im Normbereich.
Bei der Nachkontrolle berichteten die Besitzer, dass der im gleichen Haushalt lebende Hund bereits nach der 2. Fenbendazol-Behandlung ebenfalls Fieber entwickelte und in einer anderen Tierklinik behandelt wurde. Die Symptomatik sowie der klinische Verlauf nach Absetzen von Fenbendazol sowie Einleiten der Antibiotika- und Flüssigkeitsthrapie waren nahezu identisch mit denen der Pointerhündin. Infolge dieser Information wurde die Prednisongabe bei der Pointerhündin abgesetzt. Aufgrund der Ähnlichkeit der beiden Fälle steht eine arzneimittelinduzierte bzw. durch die Fenbendazolgabe ausgelöste Knochenmarksschädigung im Vordergrund. (Nemeth 2019a)
Katze
Bei der Katze kann nach einer dreitägigen Gabe von 150 mg/kg/Tag ein vorübergehendes Absinken der segmentkernigen neutrophilen Leukozyten im Differentialblutbild, welches jedoch voll reversibel ist, beobachtet werden. 14 bis 21 Tage nach der erster Applikation liegen die Werte wieder im Normbereich (Schmid 1990a).
Tauben
Eine retrospektive Kohortenstudie, die im Zoo von San Diego mit 410 Tieren durchgeführt wurde, untersuchte die Effekte der beiden Benzimidazole Fenbendazol und Albendazol bei verschiedenen Taubenarten (Columbiformes). Tiere, die mit Fenbendazol oder Albendazol behandelt wurden, wiesen eine signifikant höhere Morbidität (Gewichtsverlust und Leukopenie) sowie eine geringere Überlebensrate auf als unbehandelte Taubenvögel. Die postmortalen pathologischen Befunde, Knochenmarkshypoplasie sowie Zellnekrosen in den Dünndarmkrypten, waren typisch für eine Benzimidazol-Toxizität. Die häufigste Todesursache der mit Fenbendazol oder Albendazol behandelten Taubenvögel war eine perakute bakterielle Infektion und/oder Mykose, was auf eine toxische Immunsuppression des Knochenmarks zurückgeführt wurde. Da die Vögel, welche 100 mg/kg Fenbendazol erhielten, einen stärkeren Gewichtsverlust und eine geringere Überlebensrate aufwiesen sowie früher verstarben, als diejenigen, welche mit 50 mg/kg behandelt wurden, scheint der toxische Effekt dosisabhängig zu sein (Howard 2002a).
Eine Gruppe von 12 Haustauben wurde aufgrund einer Capillariose mit 30 mg/kg Fenbendazol einmal täglich p.o. während 5 Tagen behandelt. Nach dem Behandlungsbeginn entwickelten 8 der 12 Tauben eine Anorexie, wurden lethargisch und wiesen eine Dehydratation auf. Diese Tiere starben innerhalb von 2 Tagen nach dem Auftreten der klinischen Symptome. Es wurden 6 der verstorbenen Tiere seziert: makroskopisch konnten keine pathologischen Veränderungen gefunden werden. Die histopathologische Untersuchung lieferte folgende Ergebnisse: akute hämorrhagische Enteritis, diffuse lymphoplasmozytische Enteritis, Nekrose der Dünndarmkrypten, periportale lymphoplasmozytische Hepatitis, Gallengangshyperplasie sowie renale Tubulusnekrose. Bei den überlebenden Tauben wurde bei einer hämatologischen Untersuchung eine Polychromasie diagnostiziert, welche mit einer regenerativen Anämie assoziierbar ist. Insgesamt weisen die klinischen sowie die histopathologischen Untersuchungsergebnisse auf eine Fenbendazoltoxizität hin, wie sie auch in anderen Berichten beschrieben wird (Gozalo 2006a).
Amerikanischer weisser Pelikan
Einem Fallbericht zufolge starb ein klinisch gesunder Pelikan, nachdem er während fünf Tagen einmal täglich 50 mg/kg Fenbendazol p.o. erhalten hatte. Die postmortale histopathologische Untersuchung lieferte die zur Fenbendazoltoxizität bei Vögeln bekannten Ergebnisse: fibronekrotische Enterokolitis bedingt durch Zellnekrosen in den Krypten des Dünndarmes, Stomatitis sowie eine Depletion der Lymphozyten in der Milz (Lindemann 2016a).
Buntstorch
Gemäss einem Fallbericht starben 4 von 5 Buntstörchen nachdem sie während 5 Tagen einmal täglich mit Fenbendazol in einer Dosierung von 100 mg/Tier, das entspricht 35 - 45 mg/kg, behandelt wurden. Am fünften Behandlungstag zeigten die Vögel einen reduzierten Appetit, ein Tier wurde sieben Tage nach dem Beginn der Behandlung tot aufgefunden. Die Blutbefunde zeigten eine starke Heteropenie sowie eine fortgeschrittene Anämie. Histopathologisch konnten bei den toten Tieren Zellnekrosen in den Dünndarmkrypten sowie eine schwere Knochenmarkshypoplasie und Knochenmarksnekrose festgestellt werden. (Weber 2002b)
Subchronische bis chronische Toxizität:
Ratte, Hund, Schaf
Die Verabreichung von 1,6 g/kg/Tag über 90 Tage an Ratten, 125 mg/kg/Tag über 90 Tage oder 250 mg/kg/Tag über 30 Tage an Hunde und 45 mg/kg/Tag über 30 Tage an Schafe hatte keine toxischen Symptome zu Folge (Van den Bossche 1982a; Thienpont 1978a).
Rind
Die Gabe von 50 mg/kg/Tag über 5 Tage hatte keine klinischen, chemischen, hämatologischen oder pathologischen Veränderungen zur Folge (Muser 1984a).
Schwein
Die Gabe von 3, 9, 15 und 25 mg/kg/Tag über 3 Tage rief keine klinischen, chemischen, hämatologischen, pathologischen, histopathologischen oder Knochenmarks-zytologischen Veränderungen hervor (Booze 1983a).
Die Gabe von 25, 75 und 125 mg/kg/Tag über 5 Tage verursachte eine dosisabhängige Leukopenie (hauptsächlich Lymphozyten und segmentkernige Neutrophile), welche sich innerhalb von 15 Tagen vollständig regenerierte (Hayes 1983b).
Die Gabe von 2 g/kg/Tag über 14 Tage führte zur transistenten Leukopenie und zur Erhöhung der SDH (Sorbitoldehydrogenase). Es waren jedoch keine klinischen Symptome und keine histopathologischen Veränderungen zu verzeichnen (Hayes 1983a).
Reproduktion
Fenbendazol ist nicht embryotoxisch (Manger 1991a; Delatour 1983b). Fenbendazol gilt als Wirkstoff erster Wahl zur Behandlung einer Giardiose bei trächtigen Tieren. Der Einsatz von Fenbendazol während der Trächtigkeit wird allgemein als sicher erachtet (Plumb 2018a).
Ratte
Dosen von 119,6 mg/kg/Tag vom 8. - 15. Trächtigkeitstag an Ratten verabreicht, hatten keine embryotoxischen Effekte (Delatour 1977a). Der Sulfoxidmetabolit Oxfendazol zeigt sich jedoch als teratogen (Delatour 1983b).
Schaf
Fenbendazol hatte bei trächtigen Schafen in therapeutischen Dosen keine teratogenen Effekte (Wilkens 1974a). Der Sulfoxidmetabolit Oxfendazol zeigt sich jedoch als teratogen (Delatour 1983b).
Rinder
Bei Kälbern von Kühen, welche am 12. und 21. Tag der Trächtigkeit, dann im 3-Wochen-Intervall bis zum 5. Trächtigkeitsmonat und danach im 2-Monat-Intervall bis zur Geburt 50 mg/kg 10%iges Fenbendazol verabreicht bekamen, konnten keinerlei Abnormalitäten festgestellt werden (Muser 1984a).
Bei einer Studie mit 35 Milchkühen, welche 9, 10, 19, 30, 69, 99, 129, 159 und 189 Tage nach der Besamung 20 mg/kg einer 10%igen Fenbendazol-Suspension erhielten, konnten keine Effekte auf die Konzeptionsrate und die Entwicklung und Gesundheit der Kälber festgestellt werden. 25 Tiere wurden nach der ersten, 9 Tiere nach der zweiten und 1 Tier nach der dritten Besamung trächtig. Der Inseminationsindex betrug 1,31 (Muser 1984a).
Bei Bullen, welche dreimal 10 mg/kg einer 10%igen Fenbendazol-Suspension im Abstand von 4 Wochen erhielten, konnten 24 und 72 Stunden nach der Behandlung keine Veränderungen der Samenqualität festgestellt werden (Krause 1975a).
Hund
Beim Hund wurden bei 3-facher Überdosierung teratogene Wirkungen festgestellt. Bei längerer Verabreichung von 100 mg/kg bis 150 mg/kg täglich an trächtige Hündinnen können vereinzelt Schädigungen von Föten auftreten. Infolge degenerativer Vorgänge im Gehirn kommt es zur eingeschränkter Sinneswahrnehmung (Stoye 1985b).
Andere Autoren stellten nach der Behandlung trächtiger Hündinnen mit 100 mg/kg/Tag vom 30. Trächtigkeitstag bis zur Geburt bzw. vom 20. bis 39. Tag der Gravidität keinen Einfluss von Fenbendazol auf die Entwicklung der Welpen fest. Die Geburtsgewichte entsprachen denen der Welpen unbehandelter, nicht infizierter Hündinnen (Bosse 1981a; Stoye 1985b).
Therapeutische Dosen werden auch von Welpen gut vertragen (Deplazes 1999a).
Tauben
Fenbendazol führt bereits in therapeutischen Dosen zu Federschäden bei halbwüchsigen, noch im Nest befindlichen Jungtauben (Lüthgen 1979a).