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Anwendungssicherheit

Obwohl Trichlorfon zu den mindertoxischen Organophosphaten gehört (Kühnert 1991a), verfügt es nur über eine geringe Verträglichkeit. Die therapeutische Breite ist sehr klein. Für die orale Anwendung beim Pferd beträgt der Sicherheitsindex (Faktor für die maximal über der therapeutischen Dosierung liegende, noch verträgliche Dosis) 1 (Eckert 1999a).
Besonders junge und geschwächte Tiere, Katzen, bestimmte Hunderassen (Greyhounds, andere Windhunde), Vögel (z.B. Gänse), Fische und Bienen sind sehr empfindlich.
 
Einen grossen Einfluss auf die Toxizität der Organophosphate üben die Formulierungszusatzstoffe, insbesondere die organischen Lösungsmittel, aus. Hier spielen die Transmitter- oder Carrierfunktionen dieser Stoffe eine Rolle (Transportgeschwindigkeit durch die Haut oder Schleimhaut).
Auch das Vorhandensein weiterer chemischer Verbindungen im Körper kann die Toxizität der Organophosphate beeinflussen. Zwei Organophosphate können im Organismus sowohl als Synergisten wirken (z.B. Malathion und Trichlorfon) als auch antagonistisch reagieren (Malathion und Parathion).
Auch Arzneimittel mit esterasesenkender Wirkung (z.B. Succinylcholin, Phenothiazine, Procaine) und Arzneimittel mit neuromuskulären Angriffsort (z.B. Anästhetika, Magnesiumionen) können die Toxizität von Organophosphaten erhöhen (Kühnert 1991a).
 

Akute Toxizität

Allgemein

Eine akute Organophosphatintoxikation wird durch die irreversible Hemmung des Enzyms Acetylcholinesterase verursacht. Organophosphate blockieren die Acetylcholinesterase durch Phosphorylierung an der esteratischen Gruppe. Das gebildete Phosphorylenzym blockiert die Kopplung von Enzym und Acetylcholin und damit die biokatalytische Spaltung durch die Esterase. In der Folge findet eine Anreicherung von Acetylcholin an neuromuskulären Verbindungstellen, den parasympathischen postganglionären Enden der glatten Muskulatur, am Herzmuskel und an den Drüsen, allen autonomen Ganglien und an den cholinergen Synapsen im Zentralnervensystem statt. Damit sind alle muskarin- und nikotinartigen cholinergen Rezeptoren übererregt, es kommt zu unkontrollierten und für den Organismus dysphysiologischen Organreaktionen (Hass 1970a; Kühnert 1991a).
 

LD50

Ratteoral: 430 - 630 mg/kg
dermal: 2000 mg/kg
Mausoral: 660 mg/kg
Hundoral: 420 mg/kg
Schaforal: 300 mg/kg (Kühnert 1991a)
 

Akut letale Dosen (LD100)

Mausi.p.: 390 mg/kg
Rattei.p.: 225 mg/kg
Meerschweincheni.p.: 300 mg/kg (Kühnert 1991a)
 

Akut toxische Dosen in mg/kg

Kalbp.o.: 20 mg/kg
Rindp.o.: 75 mg/kg
Schafp.o.: 200 mg/kg
Pferdp.o.: 100 mg/kg (Kühnert 1991a)
Schwein100 mg/kg (Dobson 1977a)
Meerschweinchenp.o.: 600 mg/kg (Dobson 1977a)
Mäusep.o.: 1000 mg/kg (Dobson 1977a)
 
Die tägliche Verabreichung hoher Dosen kann durch die Akkumulation der irreversiblen Wirkung auf die Acetylcholinesterase bereits nach 3 - 5 Tagen zu Intoxikationen führen (Dobson 1977a).
 

Vögel

Finken und Prachtfinken tolerieren die doppelte therapeutische Dosis bei dreimaliger topischer Verabreichung im Abstand von je 4 Tagen gut. Bei der dreifachen therapeutische Dosis können Todesfälle auftreten. Bei Verabreichung der therapeutischen Dosis an drei aufeinanderfolgenden Tagen verenden die Vögel. Typische Vergiftungssymptome bei Vögeln sind Salivation, Dyspnoe, Rasselatmung, Muskelkrämpfe und gehäufter Kotabsatz. Im Gegensatz zu Säugern können bei Finken und Prachtfinken nach Trichlorfon-Überdosierungen Todesfälle noch bis zu einer Woche nach Applikation auftreten. Solche Vögel zeigen kaum typische Symptome einer akuten Phosphorsäureestervergiftung, sondern verlieren unter einem gestörten Allgemeinbefinden täglich bis zu 2,0 g ihres Körpergewichtes. Das Sektionsbild zeigt keine von der Norm abweichende Befunde (Kummerfeld 1982b).
 

Reptilien

Für Reptilien sind Organophosphate ebenfalls nicht ungefährlich. Stark geschwächte Tiere verenden mitunter nach einer Behandlung oder zeigen Anzeichen von Intoxikationen, wie krampfartige Konvulsionen, Ataxien und ähnliche zentralnervöse Störungen. Einen sehr beachtenswerten Faktor stellt die Umgebungstemperatur dar. Höhere oder niedrigere Temperaturwerte als das Optimum (in Abhängigkeit von der Reptilienspezies) können unter Umständen fatale Folgen haben, da neben der Aktivität des Reptilienstoffwechsels die Toxizität der Wirkstoffe zu- bzw. abnimmt. Die Toxizität der Organophosphate korreliert positiv mit einer Temperaturerhöhung (Mutschmann 1993a; Göbel 1990a).
 

Symptome der Trichlorfonintoxikation

Die Vergiftung läuft nach der Giftaufnahme im allgemeinen perakut bis akut, chronische Vergiftungen sind selten. Nach oraler Aufnahme werden die Organophosphate vom Magen schnell resorbiert, so dass klinische Symptome schon 1 - 2 Stunden nach der Aufnahme auftreten. Auch nach dermalen Kontakt treten die Krankheitsbilder schnell auf. Der Vergiftungsverlauf ist ebenfalls rasch und dramatisch. Werden die ersten 24 - 48 Stunden überlebt, verbessert sich die Prognose (Kühnert 1991a).
Überdosierungserscheinungen entsprechen dem typischen Bild einer Alkylphosphatvergiftung und sind Ausdruck überhöhter Acetylcholinkonzentrationen durch Hemmung der Acetylcholinesterasen.
Infolge dessen es zur Übererregung des peripheren cholinergischen Systems (Hass 1970a). Die Symptomatik kann sowohl durch muskarinartige, nikotinartige oder zentralnervöse Effekte bestimmt sein (Courtney 1995a).
 

Stimulation der muskarinartigen Rezeptoren

Exokrine Drüsen:Salivation, Lakrimation, Schwitzen
Augen:Miosis (beim Schwein Nystagmus), injizierte Konjunktivalgefässe
Gastrointestinaltrakt:Übelkeit, Erbrechen (besonders beim Hund), Diarrhoe, Tenesmus, fäkale Inkontinenz
Respirationsapparat:Bronchokonstriktion, Bronchospasmus, Husten, Bradypnoe, Dyspnoe
Kardiovaskuläres System:Bradykardie, Blutdruckabfall, Zyanose
Blase:frequenter Harnabsatz (Adam 1987a; Rosenberger 1956a; Kühnert 1991a).
 

Stimulation nikotinartiger Rezeptoren

Muskulatur:Unruhe, Tremor, Ataxie, Muskelsteife, generalisierte Muskelzuckungen und Paralyse (Courtney 1995a; Adam 1987a).
 

Stimulation der Acetylcholinrezeptoren im Gehirn

ZNS:Bei Passieren der Blut-Hirnschranke und Erregung zentraler Cholinozeptoren kommt es zu Lethargie, Müdigkeit, Tremor, Krämpfen und Koma mit Atemlähmung.
 
Die Todesursache ist eine durch Lähmung der Atemmuskulatur, Hemmung des Atemzentrums und gesteigerte Bronchokonstriktion und -sekretion hervorgerufene Dyspnoe (Dobson 1977a; Adam 1987a; Kühnert 1991a).
 

Diagnose

Die Gesamtblut-Acetylcholinesteraseaktivität ist ein wichtiger Parameter für eine Organophosphatvergiftung. Sinkt diese unter 25% des Normalwertes, liegt ein hohes Indiz für die Wirkung eines Acetylcholinesterase-Hemmers vor; allerdings nicht spezifisch für Organophosphate (Kühnert 1991a).
 

Therapie der Trichlorfonintoxikation

Da die Hemmung der Acetylcholinesterase durch Alkylphosphate nahezu irreversibel ist, muss die esteratische Aktivität grösstenteils durch Neusynthese wiederhergestellt werden, was entsprechend lange Zeiträume in Anspruch nimmt (Adam 1987a). Eine völlige Enzymreversibilität ist von der Schwere des Vergiftungsfalles abhängig und verläuft über mehrere Tage bzw. Wochen (Kühnert 1991a).
 
Das bevorzugte Antidot für die akuten, lebensbedrohlichen, muskarinartigen Symptome ist Atropin (parasympatholytisch). Es antagonisiert kompetitiv die Wirkung von Acetylcholin an den muskarinartigen Rezeptoren im autonomen Nervensystem und auch an nicht definierten Rezeptoren des ZNS (Kühnert 1991a; Adam 1987a; Rosenberger 1956a)
 
Dosierung des Atropins (ein Drittel intravenös, den Rest subkutan):
-Rind:0,6 mg/kg
-Schaf:1,0 mg/kg
-Pferd:0,1 mg/kg
-Hund:0,3 mg/kg
-Katze:0,3 mg/kg
 
Eine wirksame Atropinisierung ist erreicht, wenn die Pupillen dilatieren und die Salivation sistiert; Wiederholung falls nötig alle 4 - 6 Stunden bis maximal 6 mg/kg Totaldosis erreicht sind (Kühnert 1991a; Adam 1987a; Echobichon 1996a).
 
Darüberhinaus ist der Einsatz kausaler Antidote mit Eingriff in den toxischen Wirkungsmechanismus der Noxe möglich. Mit Pralidoxim und Obidoxim kann die Cholinesterase durch Ablösen des Alkylphosphates und Dephosphorylierung des Enzyms reaktiviert werden. Dies ist jedoch nur bis maximal 24 Stunden nach der Giftaufnahme möglich. Obidoxim oder Pralidoxim sollten nur bei schweren Intoxikationen und erst nach der Behandlung der akuten Vergiftungsymptome mit Atropin verabreicht werden. Die Dosierung für Obidoxim ist 2 - 5 mg/kg i.v. (evtl. auch i.m.) Wiederholung frühestens nach 20 min, in der Regel nach 2 Stunden, für Pralidoxim 20 - 100 mg/kg i.v. zweimal täglich. CAVE: Obidoxim und Pralidoxim können durch Bindung an Kalziumionen Muskelspasmen verursachenann auch Cholinesterasen hemmen. Ausserdem kann Obidoxim selbst auch Cholinesterasen hemmen (Courtney 1995a; Adam 1987a; Echobichon 1996a) !
 
Als weitere symptomatische Therapiemassnahmen sind nötig:
-1. Aufrechterhaltung der Atmung (Absaugen des Bronchialsekretes und Beatmung)
-2. Bei oraler Aufnahme Giftentfernung durch Emesis oder Magenspülung, Aktivkohle, Glaubersalz oder neutrales Mineralöl
-3. Bei Aufnahme über die Haut Waschbehandlung mit wässriger, alkalischer, detergenzienhaltiger Lösung
-4. Bei zentralnervöser Symptomatik Diphenhydraminhydrochlorid: 4 mg/kg i.v. (Hund) oder i.m. (Hund oder Katze) alle 8 Stunden bis zum Verschwinden der Symptome. Bei einsetzender Depression Dosis auf 1 - 2 mg/kg senken (Courtney 1995a).
-5. Azidose- und Krampfbehandlung (Ungemach 1994b).
-6. Elektrolyt- und Multivitamingaben zur Unterstützung des Leberstoffwechsels (Kühnert 1991a; Adam 1987a; Ungemach 1994b).
 

Chronische Toxizität

Bei einigen Organophosphaten ist ein verspäteter neurotoxischer Effekt bekannt. Die sogenannte OPIDN (organophosphorus ester-induced delayed neuropathy) tritt ca. 7 - 21 Tage nach der Exposition zu einer neurotoxischen Dosis eines Organophosphates auf und äussert sich in Schwäche, Ataxie, propriozeptiven Defiziten, insbesondere in den Hintergliedmassen, bis hin zur Paralyse. Histologisch kann eine symmetrische, distale, primäre axonale Degeneration im zentralen und peripheren Nervensystem, mit sekundärer Myelindegeneration beobachtet werden (Fikes 1990a; Francis 1985a; Richardson 1992a). Dieses Syndrom ist speziesspezifisch (Francis 1985a) und konnte experimentell bei verschiedenen Spezies, einschliesslich Hunden, Katzen, Kaninchen und Meerschweinchen, hervorgerufen werden (Johnson 1975a). Je nach Organophosphatverbindung kann die Symptomatik irreversibel verlaufen oder aber auch langsam über Wochen zur Regeneration führen (Kühnert 1991a).
 
Auch eine andauernde oder sich wiederholende starke Hemmung der Cholinesterasen durch Organophosphate führt zu degenerativen Veränderungen an den Nervenachsen (Demyelinisierung), beginnend an den peripheren motorischen Bahnen, über den Spinalstrang zum Hirnstrang fortschreitend (Kühnert 1991a).
 
Der dermale Kanzerogenitätstest für Trichlorfon verläuft bei der Maus positiv (Kühnert 1991a).
 

Reproduktion

Organophosphate sind im allgemeinen nicht teratogen. Bei Schweinen wurden jedoch nach Verabreichung von Trichlorfon zwischen dem 50. - 70. Trächtigkeitstag bei den neugeborenen Ferkeln zerebellare Hypoplasien, assoziiert mit kongenitaler Ataxie und Tremor, beobachtet (Dobson 1977a; Kronevi 1977a; Knox 1978a). Ausserdem besteht in der Spätträchtigkeit erhöhte Abortgefahr. Aus diesen Gründen sollten Zuchtsauen nicht mit Trichlorfon behandelt werden (Ungemach 1994b).
 
Trächtige Stuten können ohne negative Effekte mit Trichlorfon behandelt werden. Auch eine Kombination mit Pyrantel ist in trächtigen Stuten sicher (Bentley 1978a). Andere Autoren empfehlen, trächtige Stuten aus Sicherheitsgründen von der Behandlung auszuschliessen (Eckert 1999a), besonders im letzten Trächtigkeitsmonat besteht erhöhte Abortgefahr (Plumb 1991a)!
 
Positive Mutagenitätstests für Trichlorfon liegen für Labortiere im In-vivo- Befund und für isolierte Humanzellen in-vitro vor (Kühnert 1991a).
 

Umwelttoxizität

Trichlorfon ist relativ stark fischtoxisch, die LD100 beträgt 0,75 - 1,0 mg/l (Kühnert 1991a).
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