Wirkstoff - Pharmakologie
Oxytocin

Eigenschaften

Oxytocin ist ein Peptidhormon, welches in den Nervenzellen des Nucleus supraopticus und Nucleus paraventricularis des Hypothalamus gebildet wird. Durch Neurosekretion gelangt es in den Hypophysenhinterlappen, wo es an Neurophysin gebunden gespeichert wird. Durch nervale Stimuli erfolgt die Freisetzung. Freisetzungsreize sind der Saugreiz bzw. Stimulierung der Zitzen, sowie eine Dilatation von Cervix und Vagina (Kroker 1999e; Bruckmaier 1998a; Aurich 2002a).
 
Beim Rind erfolgt zusätzlich eine zyklusabhängige Synthese von Oxytocin im Gelbkörper. Es spielt gemeinsam mit dem Prostaglandin F eine wichtige Rolle bei der Rückbildung der Gelbkörper (Bruckmaier 1998a).
 
Im ZNS ist während der Geburt freigesetztes Oxytocin für die Etablierung maternaler Verhaltensmuster von Bedeutung (Aurich 2002a).
 
Oxytocin ist das erste Peptidhormon, welches synthetisch hergestellt wurde (Kroker 1999e).
 

Wirkungsmechanismus

Oxytocin führt über eine Membranpolarisierung zur Kontraktion der glatten Muskelzellen der Genitale und der Milchdrüse und ist somit an der Regulierung der Milchabgabe, der Steuerung der Wehen und dem Transport der Eizellen und Spermien im weiblichen Genitaltrakt beteiligt (Aurich 2002a). Nach erfolgter Kontraktion ist die Muskelzelle refraktär, bis Oxytocinasen das Hormon enzymatisch abgebaut haben. Nach einer Repolarisierung wird die Muskelzelle wieder sensibel gegenüber Oxytocin (Kroker 1999e).
 

Gebärmutter

Oxytocin induziert in der Spätträchtigkeit und im frühen Puerperium kräftige Uteruskontraktionen. Die Wirkung tritt bei intravenöser Applikation sofort ein und hält etwa 20 Minuten an (Kündig 1990a).
 
Das Myometrium ist gegenüber Oxytocin besonders in Gegenwart hoher Östrogenkonzentrationen ansprechbar. Östrogene erhöhen die Empfindlichkeit des Myometriums gegenüber uterotonen Substanzen, indem sie nicht nur die Anzahl der Oxytocinrezeptoren, sondern auch die intrazelluläre Konzentration von Inositoltriphosphat und Diacylglycerin erhöhen. Diese beiden Substanzen sind wichtige, durch Oxytocin und Prostaglandin F aktivierte Botenstoffe, welche die Ca2+-Konzentration in der Zelle erhöhen und dadurch eine Kontraktion der glatten Muskelzelle ermöglichen. Während der Spätgravidität und der Geburt, sowie im Frühpuerperium ist es möglich, mit Oxytocin die Kontraktionsaktivität der Gebärmutter anzuregen (Kündig 1990a).
 
Die Applikation von Oxytocin führt zur Erhöhung der Prostaglandin F-konzentrationen im Plasma. Das Ausmass der Prostaglandinfreisetzung ist abhängig vom Zyklusstand (Paccamonti 1999a; Del Vecchio 1990a).
 

Milchdrüse

In der Milchdrüse führt Oxytocin zu einer Kontraktion der Myoepithelzellen der Milchalveolen und der grossen Milchgänge. Dadurch kommt es zum Übertreten der Milch aus den Alveolen in die Zisterne und zu einer Erhöhung des intramammären Drucks. Diese Milchejektion ist die Voraussetzung zur Gewinnung der Alveolarmilch während des Melkens (Bruckmaier 1992a). Die Zeit zwischen dem Stimulus an der Zitze und dem Beginn der Milchejektion beträgt 1 - 2 Minuten. Während des gesamten Melkvorganges bleiben die Oxytocinkonzentrationen hoch (Bruckmaier 1998a; Plumb 1999a).
 
Oxytocin besitzt keine milchbildungsfördernden Eigenschaften (Plumb 1999a). Die täglich Gabe von Oxytocin vor dem Melken hat keinen Einfluss auf die Zusammensetzung der Milch, erhöht jedoch die Gesamtmilchmenge (Nostrand 1991a).
 

Weitere Effekte

Oxytocin hat minimale antidiuretische Eigenschaften (Plumb 1999a).
 
Durch Interaktion mit der Insulin- und Glukagonsezernierung wird eine Glucosemobilisierung hervorgerufen (Kroker 1999e).
 

Sekretion von Oxytocin während der Spätträchtigkeit und Geburt bei der Kuh

Während der Trächtigkeit wird Oxytocin intermittierend sezerniert. Menge und Frequenz der Sekretion bleiben bis ca. 2 Wochen vor der Geburt niedrig. Dann steigt die Sekretionsrate schrittweise an. Der erste signifikante Anstieg von Oxytocin fällt mit einem markanten Anstieg der Östrogenkonzentration und dem beginnenden Abfall des Progesterons zusammen. Beim zweiten starken Anstieg von Oxytocin, unmittelbar vor der Geburt, sind die Progesteronkonzentrationen auf Basalwerte gesunken und die Östrogenkonzentrationen steigen sehr schnell. Es wird vermutet, dass die ovariellen Steroidhormone einen Einfluss auf die Regulation der Oxytocinsekretion besitzen.
 
Der letze grosse Anstieg der Oxytocinkonzentration findet während der Austreibungsphase der Geburt statt und wird durch den Druck des Kalbes beim Eintritt in den Geburtskanal über einen neuralen Reflex ausgelöst (Fuchs 2001a).