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Zutreffende Spezies (Botanik)

Armoracia rusticana P.Gaertn. & al. - schwach giftig
Brassica napus L. - stark giftig
Brassica nigra (L.) W.D.J.Koch - giftig
Brassica oleracea L. - schwach giftig
 

Toxizitätsgrad

Schwach giftig (+) bis stark giftig ++ (Erläuterungen)
-Brassica nigra: Da die Verfütterung der Pflanze oder ihrer Pressrückstände verboten ist, sind Vergiftungen selten.
-Brassica oleracea: Vergiftungsfälle nur bei einseitiger Kohlfütterung.
 

Hauptwirkstoffe

-SMCO (S-Methyl-Cystein-Sulfoxid): der Anämiefaktor SMCO wird durch Trocknung und Silierung inaktiviert.
-Glucosinolate (Senfölglykoside): bei Schädigung der Pflanze oder durch die Pansenflora werden Glucosinolate in Isothiocyanate, Nitrile, Thiocyanate und andere Derivative umgewandelt. Die Reduktion des Gehaltes an Glucosinolaten bewirkt eine erhöhte geschmackliche Attraktivität. Keine Inaktivierung durch Trocknung.
 

Zielorgane

Schleimhaut des Magendarmtraktes; Schilddrüse; Nieren; Leber; Erythrozyten
 

Wirkungsmechanismen

Durch erhöhte oder ausschliessliche Aufnahme von Raps (Brassica napus) kommt es infolge des hohen Eiweissgehaltes und des geringen Rohfaseranteils zu schweren Verdauungsstörungen (Tympanie, schaumige Gärung des Panseninhaltes und weitgehende Zerstörung der Pansenflora). Im Verlaufe auch zentralnervöse Erscheinungen.
-SMCO wird im Pansen zu Dimethyldisulfid umgewandelt, das die Erythrozyten schädigt.
-Glucosinolat-Derivate wirken lokal, d.h. auf die Schleimhäute, stark reizend, was sich mit Brennen im Maul und Pharynx bzw. einer gesteigerten Salivation und Dysphagie äussert. Grössere Mengen führen zu einer Gastroenteritis mit Nausea, Vomitus, Abdominalschmerzen und Diarrhoe. Nach Resorption wirken die Glucosinolat-Derivate goitrogen, nephro- und hepatotoxisch.
-Schilddrüse: Glucosinolate werden im Körper teilweise zu Thiocyanaten umgebaut, die die Iodaufnahme im Körper reduzieren.
 
Veterinärtoxikologie

Letale Dosis / Toxische Dosis

Rind:Tägliche Einahme von max. 10 g SMCO/100 kg Körpergewicht kann zu leichter Anämie, die tägliche Einnahme von 15 g SMCO/100 kg Körpergewicht zu akuter hämolytischer Anämie führen.
LD Schaf (p.o.):100-180 mg SMCO/kg Körpergewicht.
LD Ziege (p.o.):100-150 mg SMCO/kg Körpergewicht.
 

Klinische Symptome

Vergiftung durch Grünverfütterung: im Vordergrund stehen Symptome des Gastrointestinal- oder Respirationstrakts, des ZNS oder des Harntrakts (Hämoglobinurie).
Gastrointestinale Form:Fressunlust, fehlendes Wiederkäuen, vermehrt Durst, Salivation, Milchrückgang, herabgesetzte Vormagenmotorik, Kolik, anfänglich Obstipation und anschliessend profuser, oft blutige Diarrhoe mit Tenesmus, häufiger Harnabsatz. Die Maulschleimhaut ist entzündlich gerötet.
Respiratorische Form:Dyspnoe, Lungenödem, Lungenemphysem.
Nervöse Form:Kreiswandern, Taumeln, Mydriasis, Erblindung.
Rapsbedingte Hämoglobinurie:Harn portweinfarben.
Leberschädigung:kann zu sekundärer Photosensibilisierung führen.
Vergiftung durch Raps-Mehl, -Kuchen oder -Schrot: Nieren- und lebertoxische Wirkung, Wachstumsdepression (Hühner), Rückgang der Eiproduktion, Geschmacks- und Geruchsveränderungen bei Eiern.
 

Therapie

Dekontamination / Symptomatische Therapie (siehe Notfalltherapie)
Prophylaxe: Grünen Raps nur bis zur Blütezeit verfüttern oder beweiden, Rapskuchen nur trocken und möglichst nicht zusammen mit anderen Brassicaceae verabreichen.
 
Veterinärpathologie

Sektionsbefunde

Allgemein: Hämorrhagische bis nekrotisierende Schleimhautentzündung im Gastrointestinaltrakt
Lungenödeme, Lebernekrosen
 

Fall 1

Institut für Veterinärpathologie der Universität Zürich

Reh, weiblich, 6 Jahre, 39 kg
Makroskopisch: Nährzustand: sehr mager. Unterhaut im Bereich der Kruppe beidseits blutig inbibiert, ebenso am Schwanzansatz.
Brustraum: Spitzenlappen links erhöhte Konsistenz und leicht dunkelrot verfärbt.
Histologie von Leber, Milz, Niere, Gehirn: beginnende Malazieherde im Gehirn, mittelgradige Spongiose der weissen Substanz, hochgradige chronische Hämosiderose in der Milz.
Kommentar: Die Befunde sind zu vereinbaren mit einer chronischen Raps-Intoxikation.
 

Fall 2

Institut für Veterinärpathologie der Universität Zürich

Reh, männlich, 7 Jahre, 20 kg
Diagnose: hochgradige Hämosiderose in Milz, Leber und Nieren, herdförmige leichtgradige gemischtzellige Enzephalitis mit ausgedehnten Malazien im Ammonshorn und Artheriosklerose im Stammhirn, Kachexie (seröse Atrophie des Herzkranzfettes), hochgradiges, akutes Labmagenödem, leichtgradige akute Enteritis, multiple Lungenwurmknoten, Parasitosen (Schaflausfliegen und Zecken, Lungenwürmer, Magen-Darm-Strongyliden und Kokzidien), stark abgenutztes Gebiss (Stufenbildung).
Kommentar: Tod durch prähepatische Hämolyse (Hämosiderin in verschiedenen Organen) infolge Rapsvergiftung möglich. Malazien im Hirn infolge Hypoxie durch hochgradige Hämolyse möglich. Arteriosklerose infolge Parasitenwanderungen.
 

Fall 3

Institut für Veterinärpathologie der Universität Zürich

Reh, weiblich, 4 Jahre, 22 kg
Diagnosen: hochgradige Hämosiderose in der Milz, mittelgradige katarrhalische Enteritis, Ektoparasitenbefall (Lausfliegen und Schildzecken).
Kommentar: Hämosiderose in der Milz wahrscheinlich infolge prähepatischer Hämolyse, die nach übermässiger Aufnahme von 00-Raps (Raps-Vergiftung) auftreten kann. Als Ursache für die Darmentzündung kann die Düngung des nahe gelegenen Feldes nicht ausgeschlossen werden.
 

Fall 4

Institut für Veterinärpathologie der Universität Zürich

Reh, weiblich, halbjährig, 13 kg
Diagnosen: hochgradige Pansen-Tympanie infolge schaumiger Gärung, ausgedehnte Hämosiderin-Ablagerungen in der Leber (Kupffer'sche Sternzellen) und in der Niere (Tubulus-Epithelien), diffuse Braunverfärbung der Muskulatur, geringgradige, chronische Encephalitis, Vaskulitis und Meningitis.
Kommentar: Es liegt vermutlich eine hämolytische Anämie und ev. eine Nitrat-Vergiftung vor. Die Beschaffenheit des Pansen-Inhalts lässt sich mit einer Raps 00-Vergiftung vereinbaren und würde die anderen Befunde erklären.
 
Literatur
-Anonymus (1979-1980) Toxic effects of rapeseed meal. Report of the Houghton Poultry Research Station, Huntingdon, UK, 77-79
-Anonymus (1984) Die geheime Botschaft des Rapses. Zürcher Tierschutz 4/94
-Butler E.J., Pearson A.W. & Fenwick G.R. (1982) Problems which limit the use of rapeseed meal as a protein source in poultry diets. J Sci Food and Agriculture 33, 866-875
-Cote F.T. (1944) Rape poisoning in cattle. Can J Comp Med. 8, 38-41
-Dalton P.J. (1953) Rape blindness. Vet Rec. 65, 298
-Fehlberg U., Schoon H.-A., Kamphues J., Kikovic D. & Sodeikat G. (1989) Auswirkung der Fütterung von erucasäurefreiem und glukosinolatarmem Ölraps an Rehwild im Gehege. Zeitschrift für Jagdwissenschaft 35, 50-63
-Fenwick G.R. & Curtis R.F. (1980) Rapeseed meal and its use in poultry diets. A review. Animal Feed Science and Technology 5, 255-298
-Hill R.A. (1979) A review of the 'toxic' effects of rapeseed meals with observations on meal from improved varieties. Brit Vet J. 135, 3-16
-Josefsson E. & Appelquist L.A. (1968) Glucosinolates in seed of rape and turnip rape as affected by variety and environment. J Sci Food and Agriculture 19, 564-570
-Onderscheka K., Tataruch F., Steineck T., Klansek E., Vodnansky M., Wagner J. & Echsel H. (1987) Gehäufte Rehwildverluste nach Aufnahme von 00-Raps. Zeitschrift für Jagdwissenschaft 33, 191-205
-Pearson A.W., Butler E.J., Curtis R.F., Fenwick G.R., Hobson-Frohock A. & Land D.G. (1979) Rapeseed meal and egg taint: demonstration of the metabolic defect in male and female chicks. Vet Rec. 104, 318-319
-Schofield F.W. (1947) The constant occurrence of macrocytic anemia in cattle feeding on rape. Report of the Ontario Veterinary College 29, 122-125
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