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Zutreffende Spezies (Botanik)

Amanita phalloides (Vaill. ex Fr.) Link - sehr stark giftig
 

Toxizitätsgrad

Sehr stark giftig +++ (Erläuterungen)
 

Hauptwirkstoffe

Cyklische Oligopeptide
-Amatoxine: α- und β-Amanitin (80%), γ-Amanitin (10% ) und ε-Amanitin. Sie sind hitzeresistent und in getrockneten Pilzen bis mehr als 10 Jahre wirksam.
-Phallotoxine: Bei den europäischen Pilzen überwiegen Phallacin und Phallisacin (saure Phallotoxinen), bei den Nordamerikanischen Phalloidin, Phallacidin, Phallisin und Phalloin (neutrale Phallotoxine).
Die Amatoxinkonzentration bei A. phalloides beträgt im Durchschnitt 1.5-2.3 mg/g Trockengewicht; 0.25-0.52% bzw. 0.08 mg α- und 0.08 mg β-Amanitin/g Frischgewicht. Amatoxine sind 10-20x wirksamer als Phallotoxine.
(Puschner & Wegenast, 2018; Teuscher & Lindequist, 1994)
 

 

Zielorgane

Magendarmtrakt; Leber; Nieren; Pankreas
 

Wirkungsmechanismen

Amatoxine
-Die Amanitine werden schnell in den systemischen Kreislauf aufgenommen und dann im extravaskulären Raum verteilt. In der Leber wird α-Amanitin von den Hepatozyten über OATP1B3, einem Polypeptid, das organische Anionen transportiert, aufgenommen. Amanitine werden nicht metabolisiert und hauptsächlich unverändert mit dem Urin ausgeschieden, eine kleine Menge (bis zu 7%) mit der Galle. Bei Hunden sind die Amanitinkonzentrationen im Urin am 1. Tag am höchsten, können aber bis zu 4 Tage nach der Exposition nachgewiesen werden. Amanitine sind im Serum und Urin, lange bevor klinische Anzeichen einer Vergiftung auftreten, bestimmbar. Bei Hunden sind α- und β-Amanitine im Plasma innerhalb von 1 Stunde nach der Exposition messbar, wobei die Plasmahalbwertszeit zwischen 25 und 50 Minuten liegt. Plasma- und Amanitinkonzentrationen im Urin korrelieren nicht mit dem klinischen Schweregrad. Amanitine unterliegen einem ausgeprägten enterohepatischen Kreislauf.
-Die Amanitine hemmen die RNA-Polymerase II und verhindern dadurch die mRNA- und Proteinsynthese. Dies führt zu einem Abfall der Gerinnungsfaktoren sowie zum Zelltod. Zellen mit einer hohen Stoffwechselrate wie die Hepatozyten, Kryptenzellen und die proximalen Tubuli der Nieren sind am anfälligsten für die toxischen Wirkungen. Apoptose von Hepatozyten und Amanitin-induzierte Insulinfreisetzung sind weitere Effekte, die zur Pathogenese beitragen. Die klinischen Symptome sind Anstieg der Leberenzyme (Alanin-Aminotransferase/ALAT/GPT, Aspartat-Aminotransferase/ASAT/GOT), Hypoglykämie, Blutungen, Ikterus und hepatische Enzephalopathie bis Koma.
-In den Nieren kommt es nach einer Phase mit Urämie, Oligurie und Anurie zum Nierenversagen.
-Der Insulinanstieg mit sekundärer Hypoglykämie wird einer direkte Wirkung auf die β-Zellen im Pankreas zugeschrieben.
(Puschner & Wegenast, 2018)
 
Phallotoxine
Besonders gut untersucht ist das Phalloidin. Phallotoxine werden im Gegensatz zu den Amatoxinen nach peroraler Zufuhr kaum resorbiert. Befinden sie sich im Blut, werden sie rasch von den Hepatozyten aufgenommen.
-Sie binden an das Actin der Schleimhaut-Zellen des Magen-Darmtraktes und führen zu einer Funktionsstörung der Zellmembran mit anschliessender Transmineralisation und Austreten wichtiger Zellenzyme.
-Falls die Toxine in die Leber gelangen, binden sie an das Actin der Leberzellen.
 
Veterinärtoxikologie

Letale Dosis / Toxische Dosis

LD Hund p.o.:1 Pilzhut (Puschner & Wegenast, 2018); Pilzhut > 1 cm3 (Tox Info Suisse).
LD Hund p.o.:60 mg Pilzpulver/kg Körpergewicht (Sun et al., 2018).
LD50 Hund p.o.:0.5 mg γ-Amanitin/kg Körpergewicht (Puschner & Wegenast, 2018).
 

Klinische Symptome

-Die gastrointestinale Absorptionsrate von Amanitin ist bei Hunden grösser als bei Mäusen und Kaninchen. Ratten sind gegenüber der toxischen Wirkungen von Amanitin vergleichsweise resistent (Puschner & Wegenast, 2018).
 
Hunde, Katzen, 4 Phasen:
-Phase 1) Latenzzeit 6-12 Stunden, keine klinischen Symptome.
-Phase 2) Nach 6-24 Stunden: gastrointestinale Beschwerden mit Vomitus, Bauchschmerzen, Diarrhoe, Lethargie, Anorexie.
-Phase 3) Nach 12-24 Stunden, scheinbare Erholung, Entwicklung eines fulminanten Leberversagens; die Leber- und Nierenwerte müssen engmaschig kontrolliert werden. Schwere Hypoglykämie möglich. 50% der Hunde mit letalen Amanitin-Dosen sterben nach 1-2 Tagen infolge einer Hypoglykämie.
-Phase 4) Letzte Phase: 36-48 Stunden nach Exposition, gekennzeichnet durch fulminantes Leberversagen mit anschliessenden Gerinnungsstörungen, Enzephalopathie und Nierenversagen; häufig signifikante Erhöhungen der ASAT (Aspartat-Aminotransferase/GOT), ALAT (Alanin-Aminotransferase/GPT), AP (Alkalischen Phosphatase) und des Bilirubins. Welpen oder Hunde, die grosse Mengen Amanitin aufgenommen haben, können innerhalb von 24 Stunden an einer Amanitinvergiftung sterben (Puschner & Wegenast, 2018).
 
Schwein:In einem Schweinemodell wiesen verringerte Albumin- und Gesamtplasmaproteinkonzentrationen in der der frühen Vergiftungsphase auf einen tödlichen Ausgang hin (Puschner & Wegenast, 2018).
  
Huhn:Anämie, Lympho-, Mono-, Anisozytose, Polychromasie, Herabsetzung bis Aufhebung der Blutgerinnung.
 

Therapie

Dekontamination (siehe Notfalltherapie): provozierte Emesis innerhalb 1-2 Stunden nach Ingestion, repetitive Kohlegabe (z.B. Carbovit ®); zur Verhinderung der Aufnahme in die Leberzellen: Cyclosporin A, Rifampicin oder Silibinin (Hunde: 50 mg/kg Silinbinin i.v., 5 und 24 Stunden nach Pilzingestion); bei Anstieg der Transaminasen kann zusätzlich N-Acetylcystein gegeben werden. Supportive Therapie: Glukose, Vitamin K1, Gerinnungsfaktoren (Gefrorenes Frischplasma), Antiemetika (Metoclopramid, Maropitant).
 
Veterinärpathologie

Sektionsbefunde

-Die Amanitine und Phalloidin bewirken in der Leber entzündliche periportale Infiltrate und zentrolobuläre Nekrosen, die nur teilweise auch die Läppchenperipherie ergreifen, zusätzlich entsteht eine sekundäre Verfettung.
-Nieren, Herz und Skelettmuskulatur weisen eine fettige Degeneration und Blutungen auf, der Gastrointestinaltrakt Hämorrhagien in den Schleimhäuten.
  
-Meerschweinchen: besonders starke Nierenschädigung, fettige Degeneration und Blutungen nur an der Leber.
  
-Versuch mit Beaglen: Leber: blassbraun bis gelb, leicht geschwollen, Leberlappen mit vielen hämorrhagischen Flecken.
Histologie: hämorrhagische Nekrosen der Hepatozyten überall in den Leberläppchen, Zerstörung der normalen Gewebestruktur der Leber sowie undeutliche Läppchen, Sinusoide erweitert und mit Erythrozyten gefüllt, erhebliche Infiltration von Entzündungszellen. Keine signifikanten Läsionen in Herz, Niere, Lunge, Harnblase, Milz, Bauchspeicheldrüse, Magen, Dünndarm und Dickdarm (Sun et al., 2018).
 
Humantoxikologie

Toxische Dosis

Wenig Pflanzenmaterial.
 

Klinische Symptome

Dreiphasiger Verlauf:
1.Symptomlose Latenzphase von 5-12-24 Stunden. Jedoch kurze Latenzzeit, wenn grosse Pilzmengen verzehrt wurde.
2.Gastrointestinale Phase während 12-24 Stunden mit wiederholter, unstillbarer Emesis, profuser, wässriger Diarrhoe, Exsikkose und Schock. Danach wieder oligosymptomatisch bis
3.Hepatorenale Phase: Beginn am 2. bis 3. Tag mit Anstieg der Transaminasen und Abfall des Quick; Leberschwellung, Ikterus, Blutungen.
 

Diagnose

Amanitin-Nachweis im Urin.
 

Therapie

Erste Hilfe Massnahmen durch Laien nach Einnahme von Pflanzenteilen: Verabreichung von Kohlesuspension/-pulver (1 g/kg Körpergewicht; nicht bei bewusstlosen Patienten). Für das weitere Vorgehen den Arzt oder das Tox-Zentrum konsultieren.
Ärzteinformation: Antidot: Silibinin (20 mg/kg KG täglich i.v., in 4 Dosen, in 5%iger Glukose oder 0.9% NaCL über 2 Stunden); Acetylcystein; Aktivkohle repetitiv (0.5 g/kg KG alle 4 Stunden) zu Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufs, zusätzlich allgemein unspezifische supportive Massnahmen.
 
Literatur
-Cristea I. (1970) Poisoning of goats by mushrooms. Recueil de Médecine Vétérinaire 146, 507-512
-Ellenhorn M.J. (1997) Ellenhorn's medical toxicology - diagnosis and treatment of human poisoning. 2nd edition. Williams & Wilkins, Baltimore (USA)
-Floersheim G.L. (1975) Treatment of experimental poisoning produced by extract of Amanita phalloides. Toxicology and Applied Pharmacology 34, 499-508
-Gessner O. (1953) Die Gift- und Arzneimittelpflanzen von Mitteleuropa. 2. Auflage. Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg
-Giftinformationszentrale Mainz: "Der Knollenblätterpilz" (siehe Toxikologie-Datenbanken)
-Piercy, P.L., Hargis, G. & Brown, C.A. (1944) Mushroom poisoning in cattle. J Am Vet Med Assoc. 105, 206-208
-PubChem (2016) pubchem.ncbi.nlm.nih.gov
-Puschner B., Rose H.H. & Filigenzi M.S. (2007) Diagnosis of Amanita toxicosis in a dog with acute hepatic necrosis. J Vet Diagn Invest 19, 312-317
-Puschner B. & Wegenast C. (2018) Mushroom poisoning cases in dogs and cats. Vet Clin North Am Small Anim Pract. 48(6), 1053-1067
-Sun J., Niu Y.M., Zhang Y.T., Li H.J., Yin Y., Zhang Y.Z., Ma P.B., Zhou J., Huang L., Zhang H.S. & Sun C.Y. (2018) Toxicity and toxicokinetics of Amanita exitialis in beagle dogs. Toxicon 143, 59-67
-Tegzes J.H. & Puschner B. (2002) Toxic mushrooms. Vet Clin North Am Small Anim Pract. Elsevier Science (USA), 32, pp. 397-407
-Wink M., van Wyk B.E. & Wink C. (2008) Handbuch der giftigen und psychoaktiven Pflanzen. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart, p. 48
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