2. Quellen
Thalliumacetat und Thalliumsulfat werden als Rodentizide eingesetzt (Köder als Paste oder Körner, in der Schweiz seit 1973 verboten); Thalliumpräparate wurden früher als kosmetische Enthaarungsmittel verwendet. Verschiedene Thalliumsalze werden bei Industrieprozessen eingesetzt (Chemie, Elektronik, zur Herstellung von Halbleitern und künstlichen Diamanten). Thalliumsalze werden in Ködern oder im Boden nicht abgebaut und besitzen daher eine hohe Persistenz. Alte Köder bleiben auch nach Jahrzehnten gefährlich!
3. Kinetik
Thallium wird über die Haut, über den Respirationstrakt und besonders über den Verdauungstrakt gut resorbiert, da das einwertige Thallium-Ion dem Kalium-Ion sehr ähnlich ist und dessen Transportmechanismen benutzen kann.
Thallium reichert sich vor allem in der Leber, in den Tubulusepithelien der Nieren, im Knochen und in der Schleimhaut, Haut und Hautanhangsgebilden an.
Die Halbwertzeit beträgt 14 Tagen oder länger. Die Ausscheidung erfolgt über die Nieren und den Darm, wobei Thallium einem enterohepatischen Kreislauf unterliegt. Thallium kann auch in der Milch nachgewiesen werden.
4. Toxisches Prinzip
Der genaue Mechanismus der Thalliumvergiftung ist unbekannt, möglicherweise besteht eine kompetitive Verdrängung von Kaliumionen. Thallium wird statt Kalium in Enzyme, Ionenkanäle oder Ionenpumpen eingebaut, die dadurch ihre physiologische Funktion verlieren.
5. Toxizität bei Labortieren
Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):
| Maus | Ratte | Kaninchen | Huhn |
Thalliumacetat | 22 | 16 | 15 | |
Thalliumcarbonat | 21 | 23 | | |
Thalliumchlorid | 24 | | | |
Thalliumnitrat | 33 | | | |
Thalliumoxid | | 44 | | |
Thalliumsulfat | 29 | 25 | 25 | |
II. Spezielle Toxikologie - Pferd
1. Toxizität
- | Minimale toxische Dosis (oral): Thalliumacetat 27 mg/kg Körpergewicht, Thalliumsulfat 10-24 mg/kg. |
- | Thalliumsulfat ist in der oralen Dosis von 50 mg/kg für das Pferd letal. |
2. Latenz
Mindestens 12 Stunden, meistens 1-2 Tage; die Vergiftungserscheinungen beginnen schleichend.
3. Symptome
3.1 | Allgemeinzustand, Verhalten |
| Anorexie, Ataxie, Hyperthermie |
|
3.2 | Nervensystem |
| Hyperästhesie, Muskeltremor, Krämpfe, Paresen, Paralyse |
|
3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Salivation, Gingivitis |
|
3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Durchfall, manchmal hämorrhagischer Durchfall, Kolik |
|
3.5 | Respirationstrakt |
| Dyspnoe, Pneumonie |
|
3.6 | Herz, Kreislauf |
| Tachykardie |
|
3.7 | Bewegungsapparat |
| Muskelschwäche |
|
3.8 | Augen, Augenlider |
| Konjunktivitis, Sehstörungen bis Erblindung |
|
3.9 | Harntrakt |
| Keine Symptome |
|
3.10 | Fell, Haut, Schleimhäute |
| Alopezie, Erytheme, Hyperkeratose |
|
3.11 | Blut, Blutbildung |
| Keine Symptome |
|
3.12 | Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation |
| Missbildungen |
4. Sektionsbefunde
Magenulcera, Gastroenteritis, Leber- und Nierendegeneration (vor allem nach chronischen Vergiftungen)
5. Weiterführende Diagnostik
5.1 | Nachweis von Thallium im Urin mittels Flamme |
| Im Urin eingetauchte Platinöse mit Bunsenbrenner erhitzen, Thallium färbt die Flamme smaragd-grün. |
|
5.2 | Nachweis von Thallium im Urin mittels Farbreaktion |
| Gleiche Teile von Urin, 10%igem Natriumjodid und 0.4%igem Natriumbismuth in 20%iger Salpetersäure vermischen. Ein backsteinrotes Präzipitat weist auf die Gegenwart von Thallium hin. |
|
5.3 | Nachweis von Thallium in Urin, Blut, Mageninhalt, Haaren, Köder, Leber oder Niere mittels Atomabsorptionsspektrometrie (Normalwerte < 0.05 ppm). |
6. Differentialdiagnosen
Vergiftungen mit
Arsen,
Blei, Chloraten,
Fluor,
Quecksilberverbindungen.
7. Therapie
7.1 | Dekontamination |
| Wiederholte Verabreichung von Aktivkohle und Glaubersalz oder Paraffinöl per Nasenschlundsonde |
|
7.2 | Kalium |
| Infusion mit Kalium-Zusatz, dabei Herz- und Nierenfunktion überwachen! |
|
7.3 | Vitamin B |
| Zusatz von Vitamin B-Komplex |
|
7.4 | Antibiotika |
| Antibiotische Versorgung gegen Haut- und Lungeninfektionen |
|
7.5 | Kolik |
| Metamizol verabreichen |
|
7.6 | Krämpfe |
| Diazepam verabreichen |
8. Fallbeispiel
Weder in der Literatur noch in den Aufzeichnungen des Tox Info Suisse konnte ein Fallbeispiel für eine Thalliumvergiftung beim Pferd gefunden werden.
9. Literatur
Gangolli S (1999) The dictionary of substances and their effects, Second Edition. Royal Society of Chemistry, Cambridge
Humphreys DJ (1988) Veterinary Toxicology, Baillière Tindall, London, pp 73-75
Kühnert M & Gaede W (1991) Vergiftungen durch Emissionen und Immissionen. In: Veterinärmedizinische Toxikologie (M Kühnert, ed) Gustav Fischer, Jena, pp 174-175
Lorgue G, Lechenet J & Rivière A (1987) Précis de Toxicologie Clinique Vétérinaire, Édition du Point Vétérinaire, Maisons-Alfort, pp 180-181
Moeschlin S (1980) Klinik und Therapie der Vergiftungen, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, pp 99-115
Olson, KR (1999) Poisoning and Drug Overdose, Appleton and Lange, Stamford, Connecticut, pp 302-303
Perkow W (1988) Wirksubstanzen der Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel, Paul Parey, Berlin