2. Quellen
Propylenglykol wird zur Raumluftdesinfektion, als Mittel zur Behandlung der Ketose beim Rind, als Lösungs- und Konservierungsmittel für Arzneistoffe und Kosmetika sowie als Frostschutzmittel eingesetzt. Propylenglykol ist auch ein Zusatzmittel in Konservenfutter für Kleintiere. Katzenfutter kann bis zu 13% Propylenglykol (bezogen auf das Trockengewicht) enthalten.
3. Kinetik
Propylenglycol wird nach oraler Aufnahme resorbiert. Eine weitere Aufnahmemöglichkeit besteht über verletzte Hautpartien.
Im Organismus wird Propylenglykol durch die Alkoholdehydrogenase und Aldehyddehydrogenase in Milchsäure umgewandelt. Ein kleiner Teil wird nicht-metabolisiert mit dem Harn ausgeschieden oder abgeatmet.
Beim Hund ist die Elimination 24 Stunden nach Aufnahme abgeschlossen.
4. Toxisches Prinzip
Propylenglykol führt durch Einlagerung in die Membranen der ZNS-Neuronen zu einem narkoseartigen Zustand mit Muskellähmungen bis hin zum Atemstillstand. Durch Reaktion mit Sulfhydrylgruppen des Hämoglobins entstehen (besonders bei der Katze) Heinz' Körper, die Erythrozyten können hämolysieren.
5. Toxizität bei Labortieren
Akute orale LD50 (in ml/kg oder mg/kg Körpergewicht):
| Maus | Ratte | Kaninchen | Huhn |
1,2-Propylenglycol | 22-23.9 ml/kg | 20-25 ml/kg | 18 ml/kg | |
1,3-Propylenglycol | | 10 ml/kg | | |
Propylenglykolallylether | | 510 mg/kg | | |
Propylenglykoldinitrat | | 250-1'190 mg/kg | | |
Polypropylenglykole werden kaum resorbiert und sind daher untoxisch.
II. Spezielle Toxikologie - Pferd
1. Toxizität
Ab einer Dosis von 6 ml Propylenglykol/kg ist mit Todesfällen zu rechnen.
2. Latenz
Die Zeit zwischen Aufnahme und Ausbruch der Symptome beträgt wenige Minuten bis Stunden.
3. Symptome
3.1 | Allgemeinzustand, Verhalten |
| Ataxie, Depression |
|
3.2 | Nervensystem |
| Paresen |
|
3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Vermehrte Salivation |
|
3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Kolik, stark stinkender Kot |
|
3.5 | Respirationstrakt |
| Stinkender Atem, Atemstillstand |
|
3.6 | Herz, Kreislauf |
| Keine Symptome |
|
3.7 | Bewegungsapparat |
| Keine Symptome |
|
3.8 | Augen, Augenlieder |
| Keine Symptome |
|
3.9 | Harntrakt |
| Keine Symptome |
|
3.10 | Fell, Haut, Schleimhäute |
| Schweissausbruch |
|
3.11 | Blut, Blutbildung |
| Keine Symptome |
|
3.12 | Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation |
| Keine Symptome |
4. Sektionsbefunde
Propylenglykolvergiftungen hinterlassen keine spezifischen Veränderungen.
5. Weiterführende Diagnostik
Propylenglykolnachweis im Serum und im Urin mittels Gaschromatographie.
6. Differentialdiagnosen
Vergiftungen mit anderen Alkoholen, Kolik anderer Ursache.
7. Therapie
Es gibt kein spezifisches Antidot. Nur symptomatische Therapie:
Durch Verabreichung von
Paraffinöl (3 Liter/Pferd) per Nasenschlundsonde (Aktivkohle bindet keine Alkohole!)
7.2 | Kreislauf |
| Intravenöse Versorgung mit Flüssigkeit und Elektrolyten |
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7.3 | Azidose |
| Verabreichung von Bikarbonat i.v. |
|
7.4 | Diurese |
8. Fallbeispiele
8.1 | Einem 8jährigen, 500 Kilogramm schweren Hengst mit Verdacht auf Obstipation wurde aus Versehen 3.8 Liter Propylenglykol statt Paraffinöl verabreicht. Nach wenigen Minuten bekam das Pferd eine heftige Kolik und es begann zu schwitzen, stark zu speicheln und wurde ataktisch. Nachdem der Irrtum bemerkt wurde, kam es zur Behandlung mit 3.8 Liter Paraffinöl p.o. Ausserdem wurden 3.5 Liter Natriumbikarbonat und 30 Liter physiologische Kochsalzlösung infundiert. Am nächsten Tag verstärkte sich die Ataxie, die Atemfrequenz stieg stark an und die Schleimhäute wurden zyanotisch. Der Hengst starb 28 Stunden nach Verabreichung des Propylenglykols (Dornman & Haschek, 1991). |
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8.2 | Einer 6 Jahre alten, 500 kg schweren Stute, die seit zwei Tagen an einer Obstipation litt, wurden statt 3 Liter Paraffinöl versehentlich 3 Liter Propylenglykol verabreicht. Als die Stute 2 Stunden später apatisch und ataktisch wurde, bemerkte man den Irrtum. Es wurde sofort eine Magenspülung durchgeführt und 500 g Aktivkohle gegeben. Ausserdem wurden 60 mg Dexamethason, 1'250 mg Vitamin C und 8 ml/kg/Stunde Ringerlaktat, dem 20 mg Vitamin B-Komplex zugesetzt war, intravenös verabreicht. Während der nächsten 10 Stunden wurde alle 2 Stunden 1 Liter Natriumbikarbonat infundiert. Allgemeinbefinden und Koordination verbesserten sich schon nach 4 Stunden. Nach 12 Stunden setzte die Stute grosse Mengen weichen, übelriechenden Kotes ab. Fünf Tage später hatte sich das Pferd vollständig erholt (McClanahan et al., 1998). |
9. Literatur
Dornman DC & Haschek WM (1991) Fatal propylene glycol toxicosis in a horse. J Am Vet Med Ass 198, 1643-1644
Gangolli S (1999) The dictionary of substances and their effects, Second Edition. Royal Society of Chemistry, Cambridge
Hapke H-J (1988) Toxikologie für Veterinärmediziner, Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart, pp 132-134
Humphreys DJ (1988) Veterinary Toxicology, Bailliere Tindall, pp 184-185
Lange N (1991) Vergiftungen durch Desinfektionsmittel. In: Veterinärmedizinische Toxikologie (M Kühnert, ed) Gustav Fischer, Jena, pp 374-375
McClanahan S, Hunter J, Murphy M & Valberg S (1998) Propylene glycol toxicosis in a mare. Vet Hum Toxicol 40, 294-296
Windholz M (1983) The Merck Index, Merck & Co, Rahway, New Jersey