2. Quellen
Der Wirkstoff wird in Köderform (mit Mehl oder Getreide vermischt) als Rodentizid und Avizid verwendet. Die Köder werden vor allem während der kalten Jahreszeiten ausgelegt, weil α-Chloralose bei Kleintieren zu einer starken Erniedrigung der Körpertemperatur führt.
3. Kinetik
Die Pharmakokinetik der α-Cloralose ist umstritten. In neueren Untersuchungen wurde gezeigt, dass Trichlorethanol im Blut und Urin des Menschen nach α-Cloralose-Exposition nicht nachweisbar war, obwohl in denselben Proben α-Cloralose entdeckt wurde. Dies lässt vermuten, dass zumindest beim Menschen Trichlorethanol im Metabolismus und Wirkung der α-Cloralose keine Rolle spielt (Kintz et al 1996). Beim Tier wird die α-Cloralose im Organismus zum grössten Teil zu Trichlorethanol metabolisiert (Segev et al 2005). Nur ein kleiner Teil der α-Cloralose wird nach oraler Aufnahme nicht metabolisiert und unverstoffwechselt, in freier Form mit dem Urin ausgeschieden (Kintz et al 1996). Aus Trichlorethanol entsteht in einem weiteren Umwandlungsprozess Trichloressigsäure, die in der Leber glucuronidiert und als inaktive Urochloralsäure über den Urin ausgeschieden wird (Segev et al 2005). Von der aufgenommenen Gesamtmenge werden etwa 50% innerhalb der ersten 24 Stunden umgewandelt und ausgeschieden, der gesamte Giftstoff wird innerhalb weniger Tagen vollständig eliminiert.
4. Toxisches Prinzip
α-Chloralose und Trichlorethanol haben eine depressive Wirkung auf das Zentralnervensystem (vor allem in der Formatio reticularis), α-Chloralose wirkt gleichzeitig stimulierend auf die spinalen Reflexe (Hyperreflexie). Dadurch können schon kleinste taktile oder akustische Reize zu Krämpfen und Konvulsionen führen. Daneben kann eine bronchiale Hypersekretion auftreten, die die Atmung behindert. Infolge Beeinträchtigung der Temperaturregulation wird die Körpertemperatur in einem für Kleintiere tödlichen Ausmass gesenkt.
5. Toxizität bei Labortieren
Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):
| Maus | Ratte | Kaninchen | Huhn |
α-Chloralose | 300 | 400 | | 100 |
Chloralhydrat | 640 | 479 | | |
Für Enten und Tauben betragen die akuten oralen LD
50-Werte der α-Chloralose 42 und 178 mg/kg Körpergewicht.
II. Spezielle Toxikologie - Pferd
1. Toxizität
Es liegen keine spezifische Angaben zur Toxizität von α-Chloralose bei Equiden vor. Die minimale letale Dosis für Pferde wäre im Bereich von 200-500 mg/kg Körpergewicht p.o. zu erwarten. Die minimale letale Dosis von Chloralhydrat wird beim Pferd mit 200-300 mg/kg p.o. angegeben.
2. Latenz
Die Latenzzeit zwischen Giftaufnahme und Beginn der Symptome kann 30 Minuten bis drei Stunden betragen.
3. Symptome
Es sind uns keine Berichte über schwerwiegende α-Chloralosevergiftungen bei Equiden bekannt. Durch einen Vergleich mit anderen Tierarten wäre die folgende Symptomatik zu erwarten:
3.1 | Allgemeinzustand, Verhalten |
| Aggressivität, Ataxie, Hypothermie, Hypnose, in Extremfällen Koma |
|
3.2 | Nervensystem |
| Hyperästhesie, Tremor, Krämpfe |
|
3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Keine Symptome |
|
3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Keine Symptome |
|
3.5 | Respirationstrakt |
| Dyspnoe |
|
3.6 | Herz, Kreislauf |
| Keine Symptome |
|
3.7 | Bewegungsapparat |
| Keine Symptome |
|
3.8 | Augen, Augenlider |
| Keine Symptome |
|
3.9 | Harntrakt |
| Keine Symptome |
|
3.10 | Fell, Haut, Schleimhäute |
| Keine Symptome |
|
3.11 | Blut, Blutbildung |
| Keine Symptome |
|
3.12 | Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation |
| Keine Symptome |
4. Sektionsbefunde
Die Sektion ergibt keine spezifischen Befunde.
5. Weiterführende Diagnostik
Nachweis von α-Chloralose in Serum, Urin, Mageninhalt oder Futter mittels Gaschromatographie.
6. Differentialdiagnosen
Aufgrund der teilweise ähnlichen Symptomatik sind Vergiftungen mit
Strychnin,
Metaldehyd,
chlorierten Kohlenwasserstoffen oder
Organophosphaten in Betracht zu ziehen.
7. Therapie
8. Fallbeispiele
8.1 | Eine 600 kg schwere Stute hat etwa einen Kaffeelöffel eines α-Chloralose enthaltenden Rodentizids gefressen. Eine halbe Stunde nach Aufnahme des Giftes wurden 300 g Aktivkohle verabreicht. Das Tier blieb symptomlos (Tox Info Suisse). |
|
8.2 | Ein 120 kg schweres Pony hat einen Kaffelöffel eines α-Chloralose enthaltenden Rodentizids aufgenommen. Das einzige Symptom war eine leichte Apathie, die sich wieder legte. Eine Behandlung wurde nicht durchgeführt (Tox Info Suisse). |
9. Literatur
Balis GU & Monroe RR (1964) The pharmacology of chloralose: a review. Psychopharmacol 6, 1-30
Gras G, Pellissier C & Fauran F (1975) Toxicologie analytique du chloralose. Application dans 3 cas d'intoxication aiguë. Europ J Toxicol 8, 371-377
Humphreys DJ (1988) Veterinary Toxikologie, Bailliere Tindall, pp. 107-108, 174-175
Kintz P, Jamey C, Mangin P (1996) Trichloroethanol is not a metabolite of alpha chloralose. Int Legal Med 108, 191-193
Kühnert M (1991) Vergiftungen durch Pflanzenschutzmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel und Mittel zur biologischen Prozesssteuerung. In: Veterinärmedizinische Toxikologie (M Kühnert, ed) Gustav Fischer, Jena, pp. 98-189
Lees P (1972) Pharmacology and toxicology of alpha-chloralose: a review. Vet Rec 91, 330-333
Lorgue G, Lechenet J & Riviere A (1996) Clinical Veterinary Toxicologie, Blackwell Science, pp 38-39
Segev G, Yas-Natan E, Shlosberg A, Aroch I (2006) Alpha-chloralose poisoning in dogs and cats: A retrospective sudy of 33 canine and 13 feline confirmed cases. The Veterinary Journal 172, 109-113
Thomas HM, Simpson D & Prescott LF (1988) The toxic effects of alpha-chloralose. Human Toxicol 7, 285-287
Windholz M (1983) The Merck Index. Merck & Co, Rahway, New Jersey