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Alkohole

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Alkohole sind Kohlenwasserstoffe mit einer Hydroxylgruppe (-OH). Oft verwendete Alkohole sind Ethanol (Ethylalkohol, gewöhnlicher Alkohol), ein aliphatischer, einwertiger, primärer Alkohol mit der Summenformel C2H6O (Halbstrukturformel CH3CH2OH), Methanol (Methylalkohol, Holzalkohol), eine organisch-chemische Verbindung mit der Summenformel CH4O (Halbstrukturformel CH3OH), und Isopropanol (Isopropylalkohol, 2-Propanol, Propan-2-ol, Isopropylalkohol), der einfachste nicht-zyklische sekundäre sowie einwertige Alkohol mit der Summenformel C3H8O (Halbstrukturformel (CH3)2CHOH).
 

2. Quellen

-Ethanol ist das Produkt der alkoholischen Gärung und kommt in reifen Früchten, Säften und rohem Brotteigen vor, Isopropanol in Äpfeln (Malus domestica) und Pelargonien (Pelargonium graveolens), Methanol in Baumwollpflanzen, Früchten und Gräsern sowie als Stoffwechselprodukt von Bakterien.
-Diese Alkohole befinden sich in Arzneimitteln, Reinigungsmitteln, KFZ-Produkten und bestimmten Kraftstoffen; Methanol im Treibstoff für Modellflugzeuge und in Scheibenwischwasser (max. 0.6%).
-Ethanol (Wodka) wird zur Behandlung von Ethylenglykolvergiftungen bei Hunden und Katzen eingesetzt.
 

3. Kinetik

Kurzkettige Alkohole können oral, inhalativ und kutan absorbiert werden. Die höchsten Blutspiegel werden nach oraler Verabreichung erreicht, niedrigere nach Inhalation und die geringsten nach der Anwendung auf der Haut. Die Alkohole werden aus dem Magen-Darm-Trakt sehr schnell aufgenommen, verteilen sich schnell im Körper und überwinden die Blut-Hirn-Schranke sowie die Plazenta. Ethanol, Methanol und Isopropanol werden zunächst von der hepatischen Alkoholdehydrogenase zu Acetaldehyd, Formaldehyd bzw. Aceton umgewandelt. Acetaldehyd wird anschliessend zu Essigsäure, Formaldehyd zu Ameisensäure und Aceton zu Essigsäure metabolisiert. Die Ausscheidung der Stamm-Alkohole erfolgt vorwiegend über den Urin und die Ausatmung. Ein Teil der Metaboliten wird mit dem Urin ausgeschieden.
 

4. Toxisches Prinzip

-Die kurzkettigen Alkohole haben eine multifaktorielle neurotoxische Wirkung. Die akzidentelle Einnahme beeinträchtigt die Gehirnfunktion indem das Gleichgewicht zwischen hemmender und erregender Neurotransmission verändert wird. So erhöht Ethanol in bestimmten Dosen die Funktion des hemmenden Neurotransmitters Gamma-Aminobuttersäure (GABA).
-Diese Alkohole wirken auch direkt reizend auf Schleimhäute und Augen. Der keimtötende Wirkmechanismus der Alkohole beinhaltet die Denaturierung von Proteinen und die Zerstörung von Zellmembranen.
-Methanol wird von der hepatischen Alkoholdehydrogenase über Formaldehyd zu Ameisensäure metabolisiert. Bei Arten mit niedrigem Tetrahydrofolatspiegel (z.B. Mensch und andere Primaten) verlangsamt sich der Ameisensäure-Stoffwechsel, was zu metabolischer Azidose und Erblindung führt. Hunde und Katzen haben eine höhere Entgiftungsrate der Formiate (Salze und Ester der Ameisensäure) und entwickeln diese Anzeichen nicht.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Die LD50 oral von Ethanol bei Ratten beträgt 9 ml/kg Körpergewicht.
 

II. Spezielle Toxikologie - Kleintier

1. Toxizität

-Ethanol: die minimale letale Dosis bei Hunden intravenös beträgt 1.6 ml/kg Körpergewicht, oral 5-8 ml/kg Körpergewicht.
-Methanol: die LD50 bei Hunden oral beträgt 4-8 ml/kg Körpergewicht, die toxischen Dosen entsprechen bei Hunden und Katzen der von Ethanol.
-Isopropanol: die LD50 bei Hunden oral beträgt für eine 70%ige Lösung etwa 2 ml/kg Körpergewicht; Isopropanol wirkt doppelt so stark ZNS-depressiv wie Ethanol.
-Ethanolkonzentrationen im Blut von ≥ 87-109 mmol/L (400-500 mg/dL) gelten beim Menschen als schwerwiegend und potenziell lebensbedrohlich; bei Haustieren sind diese Werte ähnlich bedenklich.
 

2. Latenz

Die Symptome treten rasch auf. Eine Isopropanol-Vergiftung kann im Vergleich zu einer Ethanol- und Methanol-Vergiftung länger andauern, da der Metabolit Aceton ebenfalls ZNS-depressiv wirkt.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
ZNS-Depression mit Ataxie, Apathie, Lethargie, Hypothermie
  
3.2Nervensystem
Keine Symptome
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Salivation, Vomitus
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Keine Symptome
  
3.5Respirationstrakt
Keine Symptome
  
3.6Herz, Kreislauf
Keine Symptome
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Haut, Schleimhäute
Keine Symptome
  
3.11Blut, Blutbildung
Methanol verursacht bei nichtmenschlichen Primaten eine metabolische Azidose; Ethanol bei Menschen eine Laktatazidose, Hypoglykämie, Hypokaliämie, Hypomagnesiämie, Hypokalzämie und Hypophosphatämie.
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Keine spezifischen Befunde.
 

5. Weiterführende Untersuchungen

-PCV (gepacktes Zellvolumen) / TS (Gesamtfeststoffgehalt), Blutglukose- und venöser Blutgastest, zur Beurteilung des Schweregrads der Dehydratation und des Elektrolyt- und Säure-Basen-Status.
-Bei der Isopropanol-Intoxikation kann sich eine osmotische Lücke entwickeln.
-Ethanol-, Methanol- und Isopropanolspiegel im Blut von ≥ 87-109 mmol/L (400-500 mg/dL) sind bedenklich.
 

6. Differentialdiagnose

-Intoxikationen mit 2-Butoxyethanol, Amitraz, Barbituraten, Benzodiazepinen, Ethylenglykol, Avermectinen, Cannabis und anderen flüchtigen Alkoholen
-Primäre neurologische Erkrankungen (z.B. entzündliche, infektiöse, infiltrative u.a.)
-Primäre Stoffwechselerkrankung (z.B. Hypoglykämie, hepatische Enzephalopathie)
-Hypoglykämie (z.B. juvenile Hypoglykämie, Xylitol-Intoxikation, Hypoadrenokortizismus, Insulinom, Lebertumor, Jagdhund-Hypoglykämie)
 

7. Therapie

7.1Notfallmassnahmen
-Kreislauf stabilisieren
-Atmung stabilisieren
 
7.2Dekontamination und Elimination
-Wegen der raschen Absorption, der schnell einsetzenden ZNS-Depression und Gefahr einer Aspirationspneumonie wird die provozierte Emesis nicht empfohlen
-Keine Aktivkohle, da nutzlos
-Bei dermaler Exposition die betroffene Stelle mit einem milden Shampoo und Wasser spülen
-Die forcierte Diurese ist nicht wirksam
-Die Hämodialyse ist wirksam und kann bei potenziell lebensbedrohlichen Fällen von Vorteil sein
-Ethanol, Isopropanol: kein Antidot vorhanden
-Methanol: Antidote sind Ethanol und Fomepizol; diese werden nur beim Menschen, wegen der Gefahr einer Erblindung durch die Bildung von Ameisensäure, eingesetzt; Hunde und Katzen werden nicht behandelt
 
7.3Weitere symptomatische Massnahmen
-Dehydratation ausgleichen: sorgfältige Rehydrierung mit einer isotonischen kristalloiden Infusionsflüssigkeit
-Natriumbicarbonat-Gabe bei einer schweren metabolischen Azidose (z.B. pH < 7.0, BE ≤ 15 mmHg, HC03) < 11 mmHg).
-Glukose-Gabe bei Hypoglykämie
-Regulierung der Körpertemperatur
-Befeuchtung der Cornea
 

8. Erwarteter Verlauf und Prognose

-Fälle mit leichten Symptomen klingen bei sorgfältiger Überwachung und Behandlung innert 24 Stunden ab.
-Langfristige Auswirkungen sind nur bei Hypoxie zu erwarten.
-Bei metabolischer Azidose, schwerer ZNS-, Atemwegsdepression und Aspirationspneumonie ist die Prognose mittelmässig bis schlecht.
 

9. Literatur

Bischoff K (2013) Methanol. In: Small animal toxicology, 3rd ed. (ME Peterson & PA Talcott, eds) Elsevier Saunders, Missouri, pp. 643-645
 
Gwaltney-Brant SM (2013) Miscellaneous indoor toxicants: solvents and alcohols. In: Small animal toxicology, 3rd ed. (ME Peterson & PA Talcott, eds) Elsevier Saunders, Missouri, pp. 298-299
 
Houston DM & Head LL (1993) Acute alcohol intoxication in a dog. Can Vet J 34(1), 41-42
 
Hovda LR, Brutlag AG, Poppenga RH & Epstein SE (2024) Blackwell's five-minute veterinary consult clinical companion: small animal toxicology, 3rd edition. Wiley Blackwell, pp. 61-65
 
Keno LA & Langston CE. (2011) Treatment of accidental ethanol intoxication with hemodialysis in a dog. J Vet Emerg Crit Care (San Antonio) 21(4), 363-368
 
Lignian H, Fontaine J & Askenasi R (1983) Naloxone and alcohol intoxication in the dog. Hum Toxicol 2(2), 221-225
 
PubChem (2024) pubchem.ncbi.nlm.nih.gov
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