2. Quellen
Grosstiere: Nasse (verregnete) Salzlecksteine, herumliegende Mineralzusätze, überreichliche Salzgaben bei Lecksucht, zu knappes Wasserangebot bei normalem Salzangebot, Fehlmischung in Milchaustauscher. Im Ausland auch Meer- oder Brackwasser in Abzugsgräben, Abwässer von Salzbergwerken.
Kleintiere: Salzteig, selbstgefertigte Knetmasse, Kochsalz, Streusalz, Steinsalz, salzige Nahrungsmittel, Meerwasser, Paintballs mit osmotisch aktiven Subsztanzen, Aktivkohle mit oder ohne Sorbitol, hypertone Infusionen.
Handelsübliche Kochsalzpräparationen für die Tierernährung sind:
- | Siedesalz: Natriumchlorid (93%), Magnesiumchlorid (bis 0.3%), Kaliumchlorid (bis 0.5%), Wasser (0.5%). |
- | Steinsalz: Kochsalz (bis 99%), meist verunreinigt durch Anhydrit und Magnesiumsalze. |
- | Viehsalz: Natriumchlorid (mindestens 95%), Eisenoxid (Vergällungsmittel, 0.3%), Wasser (höchstens 1%). |
- | Iodiertes Viehsalz: Natriumchlorid (mindestens 95%), Iod (0.004-0.015%), Wasser (höchstens 1%). |
- | Salzlecksteine: Natriumchlorid (86.6-88.5%), Eisen-, Calcium-, Magnesium-, Kalium- und Natriumphosphate, Salze der Fluss- und Schwefelsäure (zum Beispiel Glaubersalz), Bindemittel. |
3. Kinetik
Kochsalz wird enteral rasch resorbiert und schnell durch die Nieren wieder ausgeschieden. Die renale Elimination ist abhängig von der Wassserversorgung. Als Faustregel gilt, dass 10 g Kochsalz 1 Liter Wasser aus dem Organismus mitnehmen (Eksikkose bei chronischer Exposition).
4. Toxisches Prinzip
- | Hypertone Lösungen wirken stark reizend auf Schleimhäute und Gewebe. Bei Hund und Katze kann oral verabreichtes Kochsalz zu Erbrechen führen. |
- | Die Resorption von Salz aus dem Magen-Darm-Trakt führt zu einem hypertonischen Zustand. Aufgrund einer Reizung der Osmorezeptoren kommt es zu starkem Durst. |
- | Die erhöhte Salzkonzentration im Blut führt zur Degeneration des vaskulären Kapillarendothels im Gehirn und in den Meningen, ein Prozess, der später auch in den parenchymatösen Organen stattfindet. Durch die erhöhte Kapillarpermeabilität geht Wasser aus dem Vaskulärsystem in das Interstitium verloren, was zu Ödemen führt. |
- | Die Folgen des Hirnödems sind zerebrale Ausfallserscheinungen. Die Zirkulationsstörungen führen zu Nekrosen. Beim Schwein entsteht das charakteristische Bild einer eosinophilen Meningitis. |
5. Toxizität bei Labortieren
Die akute orale LD
50 beträgt 3.75 g/kg Körpergewicht für die Ratte. Schweine und Geflügel sind die empfindlichsten Tierarten.
Relative akut tödliche Dosis (in g/kg Körpergewicht):
| Maus i.p. | Ratte i.p. | Kaninchen | Huhn p.o. |
Kochsalz | 3.09 | 3.5 | | bis 4.5 |
II. Spezielle Toxikologie - Kleintier
1. Toxizität
- | Eine Hypernatriämie tritt infolge einer übermässigen Salzeinnahme, einer Wasserdeprivation, grossem Wasserverlust bei Magen-Darm-Erkrankungen, Hitzschlag oder metabolischen Störungen, wie Diabetes insipidus, Diabetes mellitus, bei akutem oder chonischem Nierenversagen oder Hypoadrenokortizismus auf. |
- | Die akute letale Dosis beim Hund p.o. beträgt 4 g Natriumchlorid/kg Körpergewicht, die toxische Dosis 2 g Natriumchlorid/kg Körpergewicht. |
2. Latenz
Die Symptome treten innerhalb weniger Stunden auf.
3. Symptome
3.1 | Allgemeinzustand |
| Apathie, Lethargie, Koma; Ataxie, Muskelsteifheit; Durst, Hyperthermie, evtl. Dehydratation |
|
3.2 | Nervensystem |
| Zittern, Myoklonien, terminale zentrale Krampfanfälle; Hyperreflexie |
|
3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Vomitus |
|
3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Durchfall |
|
3.5 | Respirationstrakt |
| Tachypnoe |
|
3.6 | Herz, Kreislauf |
| Tachykardie, Arrhythmie, Q-T-Verlängerung |
|
3.7 | Bewegungsapparat |
| Keine Symptome |
|
3.8 | Augen, Augenlider |
| Blindheit |
|
3.9 | Harntrakt |
| Polyurie |
|
3.10 | Fell, Haut, Schleimhaut |
| Lokale Schleimhautreizungen und -entzündungen |
|
3.11 | Blut, Blutbildung |
| Keine Symptome |
|
3.12 | Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation |
| Keine Symptome |
4. Sektionsbefund
Blutungen im Magen, Dünndarm und Colon; Hirnödem. Histologie: akute Leber- und Nierennekrosen. Zerebrale Natriumwerte > 1800 ppm (mg/kg Nassgewicht) ≡ 78.3 mEq/L (mmol/L) (Tegzes, 2013).
5. Weiterführende Diagnostik
Natriumkonzentration im Serum > 170 mEq/L = 170 mmol/L.
6. Differentialdiagnosen
- | Enzephalitis |
- | Andere Vergiftungen zum Beispiel mit Methaldehyd |
7. Therapie
- | Wasserzufuhr nur in kleinen Portionen (Gefahr der Entstehung eines Gehirnödems) |
- | Bei Schluckproblemen: 5%ige Glucose-Infusion i.v., langsam, der Natriumspiegel darf nicht mehr als 1 mEq/L = 1 mmol/L pro Stunde sinken. Der geschätzte Volumenersatz kann mit der folgenden Formel berechnet werden: 0.6 x Körpergweicht in kg x (1 - normales Natrium/aktuell gemessenes Natrium) |
- | Zusätzliche Natrium-Ausscheidung mit Furosemid: Hund, Katze 2.2.-4.4 mg/k Körpergewicht p.o., i.v. oder i.m. 2mal täglich |
- | Bei Krämpfen: Diazepam oder Propofol |
7.2 | Dekontamination und Elimination |
- | Emesis auslösen, sofern noch kein spontanes Erbrechen erfolgte und der Schluckreflex noch gut ist |
- | Keine Aktivkohle |
7.3 | Weitere symptomatische Massnahmen |
8. Fallbeispiele
Ein 8 jähriger Airedale Terrier, männlich kastriert, wurde nach einer 45-minutigen Episode von zentralen Krampfanfällen vorgestellt. Er hatte eine kleine Salzteigfigur gefressen. Die gemessenen Serumwerte betrugen für Natrium 211 mEq/L (Referenzbereich 145-158 mEq/L) und für Chlorid 180 mEq/L (Referenzbereich 105-122 mEq/L). Der Hund verstarb trotz intensiver Therapie. Der Natriumwert im Gehirn lag bei 108 mEq/L (Referenzwert < 80 mEq/L), was diagnostisch für eine Salzvergiftung ist (Khanna et al., 1997).
9. Literatur
Gfeller RW & Messonnier SP (2004) Handbook of small animal toxicology and poisonings. Mosby, St. Louis, p. 194
Khanna C, Boermans H & Wilcock BJ (1997) Fatal hypernatremia in a dog from salt ingestion. Am Anim Hosp Assoc. 33(2), 113-117
Tegzes JH (2013) Sodium. In: Small animal toxicology, third edition. Eds. Peterson ME & Talcott PA. W.B. Saunders Company, Philadelphia, pp. 807-810