2. Quellen
Amitraz wird als Insektizid und Akarizid mit breiter Wirkung eingesetzt. In der Landwirtschaft kommt Amitraz als Emulsionskonzentrat vor allem auf Obstkulturen zum Einsatz. Beim Hund wird Amitraz als Waschlösung oder in Form von Halsbändern gegen Ektoparasiten angewendet. Beim Schwein wird Amitraz als Aufgusspräparat ebenfalls gegen Ektoparasiten gebraucht. Die handelsüblichen Konzentrate von Amitraz enthalten organische Lösungsmittel. Oftmals sind diese Lösungsmittel Verursacher weiterer Vergiftungssymptome.
3. Kinetik
Amitraz wird sowohl dermal wie enteral resorbiert. Die dermale Bioverfügbarkeit beträgt jedoch weniger als 40%. Bereits 3 Stunden nach oraler Aufnahme erreicht der Plasmaspiegel seine höchsten Werte. Der aufgenommene Wirkstoff wird umfangreich metabolisiert und als Konjugat überwiegend renal ausgeschieden.
Nach Überdosierung wird eine Eliminationshalbwertszeit von ca. 24 Stunden gemessen.
4. Toxisches Prinzip
Amitraz entfaltet eine agonistische Wirkung an α-2-Adrenozeptoren, ähnlich wie Xylazin oder Medetomidin. Als Hauptkennzeichen der Vergiftung ist deshalb eine zentrale Sedation mit Analgesie und Muskelrelaxation zu erwarten. Ferner führt die α-2-adrenerge Wirkung zu Bradykardie, Blutdruckabfall und Magen- sowie Darmatonie. Bei Ratten und Hunden vermindert Amitraz die Freisetzung von Insulin, womit sich eine Hyperglykämie einstellt.
Die meisten Amitrazpräparate enthalten ausserdem Lösungsmittel (zum Beispiel Xylol), die ebenfalls toxische Wirkungen besitzen können.
5. Toxizität bei Labortieren
Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):
| Maus | Ratte | Kaninchen | Huhn |
Amitraz | 800-1'600 | 600-800 | > 100 | |
Bei Aufnahme über die Haut erhöht sich die LD
50 um einen Faktor von 2-4. Der akute orale LD
50-Wert von Amitraz beträgt für das Meerschwein > 400 mg/kg Körpergewicht.
6. Umwelttoxikologie
Amitraz wird in der Umwelt zwar rasch zersetzt, infolge der hohen Fischtoxizität sollte diese Substanz jedoch nicht in die Gewässer gelangen.
II. Spezielle Toxikologie - Kleintier
1. Toxizität
1.1 | Minimal toxische Dosis |
10 mg/kg p.o. beim Hund, die Katze reagiert empfindlicher.
100 mg/kg Körpergewicht beim Hund
2. Latenz
Die Latenzzeit beträgt 30 Minuten; nach perkutaner Vergiftung kann es auch länger dauern, bis die Symptome auftreten.
3. Symptome
3.1 | Allgemeinzustand, Verhalten |
| Depression, Somnolenz, Sedation, Koma, Ataxie, Hypothermie |
|
3.2 | Nervensystem |
| Muskelschwäche |
|
3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Erbrechen, Salivation |
|
3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Magenatonie, Magendilatation, herabgesetzte Darmmotilität, Ileus, Obstipation |
|
3.5 | Respirationstrakt |
| Das in Präparationen enthaltene Xylol ist oftmals Verursacher von Verschluckpneumonien |
|
3.6 | Herz, Kreislauf |
| Kurz nach der Ingestion Hypertonie, dann Hypotonie, Bradykardie, verlängerte Kapillarrückfüllungszeit, Zyanose |
|
3.7 | Bewegungsapparat |
| Keine Symptome |
|
3.8 | Augen, Augenlider |
| Mydriasis (gelegentlich) |
|
3.9 | Harntrakt |
| Polyurie |
|
3.10 | Fell, Haut, Schleimhäute |
| Klebrige, kalte Schleimhäute, kirschrote oder bläuliche Schleimhäute |
|
3.11 | Blut, Blutbildung |
| Keine Symptome |
|
3.12 | Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation |
| Keine Symptome |
4. Sektionsbefunde
Spezifische postmortale Befunde sind bei den Kleintieren nicht bekannt.
5. Weiterführende Diagnostik
- | Nachweis von Amitraz im Plasma mittels Gaschromatographie. |
- | Blutchemie: Es kann eine Hyperglykämie, manchmal auch eine Glukosurie festgestellt werden |
6. Differentialdiagnose
- | Ileus oder Obstipation anderer Genese |
- | Anwendung von Sedativa |
- | Weitere Vergiftungen, vor allem mit Pyrethoiden, Carbamaten, Organophosphaten, Rotenon |
7. Therapie
- | Kreislauf stabilisieren.Vorsicht mit Flüssigkeitssubstitution, wenn eine Hypertension vorliegt. |
- | Atmung stabilisieren |
7.2 | Dekontamination und Elimination |
- | Bei dermaler Exposition: Sorgfältiges Waschen mit ausreichend warmem Wasser und milder Seifenlösung. |
- | Entfernung eines abgeschluckten Halsbandes mittels Endoskopie. |
- | Erbrechen sollte nur dann ausgelöst werden, wenn in der abgeschluckten Substanz keine organische Lösungsmittel enthalten sind und keine Anzeichen einer ZNS-Depression vorliegen. |
- | Sofern guter Schluckreflex: wiederholte Verabreichung von Aktivkohle mit einem Laxans, z.B. Carbodote, Trinklösung (24 g Carbo activatus/100 ml) oder Carbovit® (15 g Carbo activatus/100 ml). |
- | Atipamezol: 0.1-0.2 mg/kg Körpergewicht i.m. |
7.4 | Weitere symptomatische Massnahmen |
- | Regulierung der Körpertemperatur: Wärme |
- | Antiemetika: sofern das Erbrechen auch nach längerer Zeit anhält, Metoclopramid oder Domperidon |
- | Antibiotische Versorgung: im Fall einer Aspirationspneumonie muss der Patient mit Breitspektrumantibiotika abgedeckt werden |
- | Xylazin, Medetomidin und andere α-2-Agonisten wegen der Synergien mit Amitraz |
- | Atropinsulfat ist nur mit Vorsicht anzuwenden: da die Bradykardie durch eine Blockade der Norepinephrinausschüttung bedingt ist und die restlichen α-Effekte nicht aufgehoben werden, besteht durch die Atropingabe die Gefahr von Herzarrhythmien und der zusätzlichen Dämpfung der Motilität des Magen-Darm-Trakts (Grossmann, 1993) |
- | Gastrotomie zur Giftquellenentfernung wegen der Gefahr einer Magendilatation |
8. Fallbeispiele
8.1 | Ein Labrador (18 kg) hat vor 2 Stunden ein 5 cm langes Stück seines Zeckenhalsbandes gefressen (etwa 180 mg Amitraz). |
| Symptome: Hypothermie, verlängerte Kapillarrückfüllungszeit, Bradykardie, Lethargie, Mydriasis |
| Therapie: Emesis mit Ipecac-Syrup, Aktivkohle, Atropin, Flüssigkeit |
| Verlauf: Heilung innerhalb von 3 Tagen |
| (Tox Info Suisse). |
|
8.2 | Ein Hund (20 kg) hat während der Nacht Teile seines Zeckenhalsbandes gefressen. Die aufgenommene Amitraz-Menge beträgt maximal 500 mg. |
| Symptome: Somnolenz, Ataxie, Bradykardie |
| Therapie: Flumethason, Atropin |
| Verlauf: Besserung innerhalb von 48 Stunden |
| (Tox Info Suisse). |
9. Literatur
Ameno K, Fuke C, Ameno S, Kiriu T, Shinohara T & Ijiri I (1991) A rapid and sensitive quantitation of amitraz in plasma by gas chromatography with nitrogenphosphorus detection and its application for pharmacokinetics. J Anal Toxicol 15, 116-118
Chen TH & Hsu WH (1994) Inhibition of insulin release by the formamidine pesticide amitraz and its metabolites in a rat β-cell line: an action mediated by α-2 adrenoceptors, a GTP-binding protein and a decrease in cyclic AMP. J Pharmacol Exp Ther 271, 1240-1245
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Kunkle G (1997) An updated review of ectoparsiticide treatments in dogs and cats. J Vet Pharm Therap 20, Suppl 1, 110-112
Lorgue G, Lechenet J & Riviere A (1987) Precis de Toxicologie Clinique Veterinaire. Edition du Point Veterinaire, Maisons Alfort, pp 37-38
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