2. Quellen
Die Sporen von
C. botulinum können nur in einem eiweisshaltigem Substrat unter anaroben Verhältnissen, bei hoher Feuchtigkeit und einem pH grösser als 4.5 auskeimen und proliferieren. Botulismus kann auf zwei Arten entstehen: Entweder durch direkte Aufnahme von Botulinustoxin oder durch die Produktion des Toxins in infizierten Wunden, Abszessen oder geschädigten Darmabschnitten. In der Regel erfolgt die Aufnahme des Toxins über Futter (Silage, Heu, Futterwürfel), das mit Kadavern (zum Beispiel Mäusen oder Ratten) kontaminiert ist. Vergiftungen durch kontaminiertes Wasser sind ebenfalls möglich.
3. Kinetik
Nach oraler Aufnahme wird das Botulinustoxin resorbiert und über die Blutbahn verteilt, ohne aber die Blut-Hirn-Schranke zu überqueren. Das Toxin wird von peripheren Nervenendigungen aufgenommen und reichert sich in den motorischen Endplatten an.
4. Toxisches Prinzip
Das Botulinustoxin blockiert die vesikuläre Freisetzung von Acetylcholin, womit es unter anderem zu einer schlaffen Lähmung der quergestreiften Muskulatur kommt. Die Wirkung auf die Vesikel basiert auf der proteolytischen Spaltung eines Membranproteins, das die Fusion zwischen Vesikeln und Plasmamembran vermittelt. Auf diese Weise wird die Ausschüttung von Acetylcholin verhindert. Diese Wirkung ist irreversibel, das heisst zur Wiederherstellung von funktionellen Synapsen müssen zuerst neue, intakte Vesikel gebildet werden.
5. Toxizität bei Labortieren
Die letale Dosis für alle Säugetierarten beträgt wenige Nanogramm pro kg Körpergewicht.
II. Spezielle Toxikologie - Pferd
1. Toxizität
Auch für das Pferd liegt die minimale letale Dosis bei wenigen Nanogramm pro kg Körpergewicht. Somit können schon 50-100 g Heu aus der Umgebung eines infizierten Kadavers tödlich sein. Während das erwachsene Pferd durch direkte Aufnahme des Toxins erkrankt, nimmt das Fohlen Sporen von Clostridium botulinum auf, die erst im Darmtrakt auskeimen, Toxin bilden und das sogenannte "Shaker foal syndrom" herforrufen.
2. Latenz
Die klinischen Symptome treten 1-14 Tage nach einer Exposition auf. Erste klinische Symptome sind: langsames Fressen, Salivation, Raushängen der Zunge, Dysphagie beim Trinken und Fressen, reduzierter Augenlid- und Schweiftonus.
3. Symptome
3.1 | Allgemeinzustand, Verhalten |
| Ataxie, Festliegen bei vollem Bewusstsein |
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3.2 | Nervensystem |
| Tremor und Paresen beginnend an den Hintergliedmassen, gefolgt von Paralysen |
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3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Lähmung der Zunge (heraushängende Zunge), später Lähmung der Kaumuskulatur, des Rachens und des Kehlkopfes (Kau- und Schluckbeschwerden, Regurgitieren des Futters) |
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3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Obstipation |
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3.5 | Respirationstrakt |
| Atemnot, Aspirationspneumonie, später Tod durch Atemlähmung |
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3.6 | Herz, Kreislauf |
| Keine Symptome |
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3.7 | Bewegungsapparat |
| Lähmung der Skelettmuskulatur |
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3.8 | Augen, Augenlider |
| Sehstörungen |
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3.9 | Harntrakt |
| Keine Symptome |
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3.10 | Fell, Haut, Schleimhäute |
| Keine Symptome |
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3.11 | Blut, Blutbildung |
| Keine Symptome |
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3.12 | Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation |
| Keine Symptome |
4. Sektionsbefunde
Ausser Futterresten in den Atemwegen oder einer Aspirationspneumonie, sind keine speziellen histopathologischen Veränderungen zu erwarten.
5. Weiterführende Diagnostik
Die Diagnosestellung erfolgt meistens im Ausschlussverfahren. Der Toxinnachweis in Futter, Mageninhalt, Serum oder Leber muss mittels Mäuseversuchen durchgeführt werden ("Wespentaille"-Atmung) und ist bei negativem Befund unzuverlässig. Eine Bestätigung kann mittels Immunoassay erfolgen. Für das Pferd sind vor allem die Toxine B und C von Bedeutung. Falls eine Clostridieninfektion vermutet wird, bietet sich der Nachweis der Erreger im veränderten Gewebe an.
6. Differentialdiagnosen
Weissmuskelkrankheit bei Fohlen (Vitamin E/Selen-Mangel), Leukoencephalomalazie (
Fumonisine).
7. Therapie
7.1 | Dekontamination |
| Sofern die Aufnahme von Botulinustoxin über den Darm vermutet wird: Aktivkohle und Glaubersalz oder Paraffinöl verabreichen |
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7.2 | Antibiotika |
| Bei Clostridiuminfektionen mit Penicillin G behandeln |
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7.3 | Atmung |
| Beatmung des Patienten |
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7.4 | Ernährung |
| Künstliche Ernährung mittels Magensonde |
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7.5 | Dekubitusprophylaxe |
| Vermeidung von Dekubitus mittels Aufhängevorrichtung, erkrankte Tiere erholen sich nur sehr langsam |
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7.6 | Antidottherapie |
| Polyvalentes Antitoxin, 5'000 Einheiten i.m., aufgeteilt auf verschiedene Orte; das Antitoxin kann jedoch nur frei zirkulierendes, noch nicht an die Neurone gebundenes Toxin neutralisieren. Gabe sofort beim Auftreten erster Symptome. |
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7.7 | Parasympathomimetika |
| Vorsichtige Verabreichung von Parasympathomimetika (zum Beispiel Neostigmin) zur Anregung der Darmperistaltik |
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7.8 | Prophylaxe |
| Botulismus Vakzinen: siehe Clostridium botulinum |
8. Fallbeispiele
8.1 | Eine 19-jährige Holsteiner Warmblutstute wurde zur Untersuchung vorgestellt. Sie stammte aus einem Bestand mit 5 Pferden in dem neben einem handelsüblichen Mischfutter, Heu und Stroh, auch Silage gefüttert wurde. Zwei der anderen Pferde waren wenige Tage zuvor ebenfalls erkrankt und zeigten folgende Symptome: Schluckbeschwerden, Kotabsatzschwierigkeiten, Ataxie und stinkenden Nasenausfluss. Eines dieser Tiere wurde nach einer Laparatomie euthanasiert. Nach Angaben der Besitzerin hatte die Stute seit 48 Stunden keinen Kot und nur wenig Harn abgesetzt. Es zeigte sich, dass das Pferd zwar Weichfutter und Wasser schlucken konnte, Raufutter aber nach mehreren langsamen Kaubewegungen wieder ausspuckte. Auffallend war ein verminderter Zungentonus, eine Darmperistaltik war nicht zu hören. Bei der rektalen Untersuchung war eine Obstipation zu fühlen. Weiter zeigte die Stute Muskelzittern und geringgradige Ataxie der Hinterbeine. |
| Aufgrund des Vorberichts und der Symptomatik wurde die Verdachtsdiagnose Botulismus gestellt, die durch den Nachweis von Botulismustoxin C/D in einer Silageprobe aus dem Herkunftsbestand bestätigt wurde. Aus Kostengründen wurde auf die Verabreichung des Antitoxins verzichtet. Dagegen wurde die Stute symptomatisch mit Paraffinöl (per Nasenschlundsonde), Neostigminbromid (2.5 mg/kg s.c.) und Flunixin (1.1 mg/kg i.v.) behandelt. Nach 15 Stunden löste sich die Obstipation. Da die Stute in der Lage war Weichfutter zu schlucken wurde sie mit Masch und nur sehr kleinen Mengen Heu ernährt. Nach 10 Tagen war eine deutliche Zunahme des Zungentonus zu bemerken und nach 14 Tagen war die Futteraufnahme wieder ungestört (Dietz, 1998). |
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8.2 | Ein zweijähriges Quarter Horse wurde wegen Kolik mit einer intramuskulären Injektion behandelt. Darauf entwickelte sich an der Injektionsstelle ein Abszess, der trotz intensiver Behandlung nicht zurückging. Nach einer Woche wurde das Pferd apathisch, hörte auf zu fressen und zeigte Gangstörungen. Daraufhin wurde es in die Klinik gebracht. Bei der dortigen Untersuchung zeigte es folgende Symptome: Muskelzittern, Ataxie, reduzierter Tonus von Zunge, Augenlidern und Schweif. Die Endoskopie ergab eine Verlagerung des weichen Gaumens nach dorsal, die Blutgasanalyse eine respiratorische Azidose und eine Hypoxämie. Es wurde die Verdachtsdiagnose Botulismus gestellt und mit Antitoxin (keine Dosisangabe!), Penicilling G (40'000 IE/kg i.v. alle 6 Stunden) behandelt. Eine Stunde nach Einlieferung in die Klinik kam der Patient zum Festliegen. Trotz intensiver Behandlung mit Beatmung und Infusionen, wurde die Atemnot am dritten Tag nach der Einlieferung so stark, dass das Pferd eingeschläfert werden musste. Bei der Untersuchung des nekrotischen Gewebes aus dem Abszess wurde mittels Mäusebioassay Botulismustoxin B festgestellt (Mitten et al., 1994). |
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8.3 | Vier Pferde aus dem selben Bestand entwickelten während der Wintermonate Botulismussymptome. Drei von ihnen starben, das vierte erholte sich innerhalb von sechs Wochen. Die Sektion schloss andere Ursachen aus. Botulismustoxin C wurde mittels Mäusebioassay in Bodenproben eines von allen Pferden benutzten Sandplatzes und im Darminhalt eines der gestorbenen Pferde nachgewiesen (Heath et al., 1990). |
9. Literatur
Bohnel H (1999) Botulismus - Eine vergessene Erkrankung? Berl Münch Tierärtzl Wschr 112, 139-145
Dietz B (1998) Botulismus beim Pferd - Ein Fallbericht. Pferdeheilkunde 14, 373-376
Gudmundsson SH (1997) Type B botulinum intoxication in horses: a case report and literature review. Eq Vet Ed 9, 156-159
Haagsma J, Haesebrouck F, Devriese L & Bertels G (1990) An outbreak of botulism type B in horses. Vet Rec 127, 206
Heath SE, Bell RJ, Chirino-Trejo M, Schuh JC & Harland RJ (1990) Feedtrough dirt as a source of Clostridium botulinum type C intoxication in a group of farm horses. Can Vet J 31, 13-19
Heath SE, Bell RJ & Harland RJ (1988) Botulinum type C intoxication in a mare. Can Vet J 29, 530-531
Kelly AP, Jones RT, Gillick JC & Sims LD (1984) Outbreak of botulism in horses. Eq Vet J 16, 519-521
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Mechen CC & Walter FG (1994) Wound botulism. Vet Hum Toxicol 36, 233-237
Mitten LA, Hinchcliff KW, Holcombe SJ & Reed SM (1994) Mechanical ventilation and management of botulism secondary to an injection abscess in an adult horse. Eq Vet J 26, 420-423
Raisbeck MF (1992) Feed-associated poisoning. In: Current Therapy in Equine Medicine (NE Robinson, ed) WB Saunders Company, Philadelphia, pp 366-372
Ricketts SW, Greet TR, Glyn PJ, Ginnett CD, McAllister et al (1984) Thirteen cases of botulism in horses fed big bale silage. Eq Vet J 16, 515-518
Sakaguchi G, Ohishi I & Kozaki S (1988) Botulism: structure and chemistry of botulinum. In: Bacterial Toxins (MC Hardegree & AT Tu, eds) Marcel Dekker, New York, pp 191-216
Swerczek TW (1980) Experimentally induced toxicoinfectious botulism in horses and foals. Am J Vet Res 41, 348-350
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Tacket CO & Rogawski MA (1989) Botulism. In: Botulinum Neurotoxin and Tetanus Toxin (LL Simpson, ed) Academic Press, San Diego, pp 351-378
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Witchel JL & Whitlock RH (1991) Botulism associated with feeding alfalfa hay to horses. J Am Vet Med Ass 199, 471-472