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Kochsalz / Natriumchlorid

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Natriumchlorid (NaCl, Kochsalz) kommt in der Natur kristallin in Form von Steinsalz in Bodenlagerstätten vor und gelöst im Meerwasser. Es ist sehr gut wasserlöslich (bis 360 g/L = 36%).
 

2. Quellen

Grosstiere: Nasse (verregnete) Salzlecksteine, herumliegende Mineralzusätze, überreichliche Salzgaben bei Lecksucht, zu knappes Wasserangebot bei normalem Salzangebot, Fehlmischung in Milchaustauscher. Im Ausland auch Meer- oder Brackwasser in Abzugsgräben, Abwässer von Salzbergwerken.
Kleintiere: Salzteig, selbstgefertigte Knetmasse, Kochsalz, Streusalz, Steinsalz, salzige Nahrungsmittel, Meerwasser, Paintballs mit osmotisch aktiven Subsztanzen, Aktivkohle mit oder ohne Sorbitol, hypertone Infusionen.
Handelsübliche Kochsalzpräparationen für die Tierernährung sind:
-Siedesalz: Natriumchlorid (93%), Magnesiumchlorid (bis 0.3%), Kaliumchlorid (bis 0.5%), Wasser (0.5%).
-Steinsalz: Kochsalz (bis 99%), meist verunreinigt durch Anhydrit und Magnesiumsalze.
-Viehsalz: Natriumchlorid (mindestens 95%), Eisenoxid (Vergällungsmittel, 0.3%), Wasser (höchstens 1%).
-Iodiertes Viehsalz: Natriumchlorid (mindestens 95%), Iod (0.004-0.015%), Wasser (höchstens 1%).
-Salzlecksteine: Natriumchlorid (86.6-88.5%), Eisen-, Calcium-, Magnesium-, Kalium- und Natriumphosphate, Salze der Fluss- und Schwefelsäure (zum Beispiel Glaubersalz), Bindemittel.
 

3. Kinetik

Kochsalz wird enteral rasch resorbiert und schnell durch die Nieren wieder ausgeschieden. Die renale Elimination ist abhängig von der Wassserversorgung. Als Faustregel gilt, dass 10 g Kochsalz 1 Liter Wasser aus dem Organismus mitnehmen (Eksikkose bei chronischer Exposition).
 

4. Toxisches Prinzip

-Hypertone Lösungen wirken stark reizend auf Schleimhäute und Gewebe. Bei Hund und Katze kann oral verabreichtes Kochsalz zu Erbrechen führen.
-Die Resorption von Salz aus dem Magen-Darm-Trakt führt zu einem hypertonischen Zustand. Aufgrund einer Reizung der Osmorezeptoren kommt es zu starkem Durst.
-Die erhöhte Salzkonzentration im Blut führt zur Degeneration des vaskulären Kapillarendothels im Gehirn und in den Meningen, ein Prozess, der später auch in den parenchymatösen Organen stattfindet. Durch die erhöhte Kapillarpermeabilität geht Wasser aus dem Vaskulärsystem in das Interstitium verloren, was zu Ödemen führt.
-Die Folgen des Hirnödems sind zerebrale Ausfallserscheinungen. Die Zirkulationsstörungen führen zu Nekrosen. Beim Schwein entsteht das charakteristische Bild einer eosinophilen Meningitis.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Die akute orale LD50 beträgt 3.75 g/kg Körpergewicht für die Ratte. Schweine und Geflügel sind die empfindlichsten Tierarten.
 

Relative akut tödliche Dosis (in g/kg Körpergewicht):

 Maus i.p.Ratte i.p.KaninchenHuhn p.o.
Kochsalz3.093.5 bis 4.5
 

II. Spezielle Toxikologie - Wiederkäuer

1. Toxizität

-Eine Kochsalzvergiftung ist nur unter zwei Bedingungen möglich:
1. Extremer Salzhunger mit der Möglichkeit einer unbegrenzten oralen Aufnahme.
2. Fehlende Tränkewasserzufuhr.
-Minimal toxische Dosis: Rind 2 g/kg Körpergewicht p.o., Schaf 6 g/kg p.o. Der tägliche Kochsalzbedarf des Rindes beträgt 25-50 g, beziehungsweise 15-20 g für das Schaf.
-Minimal toxische Dosis im Futter: 1.5-2%.
-Die empfohlene Höchstkonzentration im Trinkwasser beträgt 0.9%.
-Die Toxizität von Kochsalz ist bei mangelnder Trinkwasserzufuhr gesteigert.
 

2. Latenz

Es können sowohl akute Vergiftungen (mit einer Latenzzeit von wenigen Stunden) wie auch chronische Vergiftungen auftreten (Latenzzeit: Tage bis Wochen).
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand
Starker Durst, Anorexie, Erregung, Brüllen, kalte Ohren, Hypothermie; Ataxie, Taumeln, Umfallen, Pressen mit dem Kopf. Bei chronischer Exposition: Anorexie, Abmagerung, Durst, Exsikkose, Ketose bei laktierenden Kühen
  
3.2Nervensystem
Zittern, Zuckungen, Krämpfe, Opisthotonus, zunehmende Schwäche der Hinterhand
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Salivation, Zungenparalyse
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Durchfall, Kolik, Tympanie, Regurgitieren
  
3.5Respirationstrakt
Paralyse der Larynxmuskulatur, Tachypnoe
  
3.6Herz, Kreislauf
Tachykardie, Kreislaufschwäche
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Sehstörungen, Erblindung, Nystagmus
  
3.9Harntrakt
Polyurie
  
3.10Fell, Haut, Schleimhaut
Schleimhäute trocken und gerötet; bei chronischer Exposition rauhes, schuppiges Fell
  
3.11Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefund

Zerebralödem, Meningoenzephalitis, eosinophile Invasion der Meningen, Gastroenteritis, Organödeme, Flüssigkeiten in den Körperhöhlen und im Perikard.
 

5. Weiterführende Diagnostik

Bestimmung der Kochsalzkonzentration im Futter oder Trinkwasser; Natrium- und Chloridbestimmung im Blut (nur während der Phase der Resorption erhöht).
 

6. Differentialdiagnosen

Tollwut, Weidetetanie, Vergiftungen mit chlorierten Kohlenwasserstoffen, Blei-, Arsen- oder Blausäurevergiftung; bei chronischer Vergiftung: Magendarmwurmbefall, Paratuberkulose.
 

7. Therapie

7.1Notfalltherapie
-Wasserzufuhr nur in kleinen Portionen (Gefahr der Entstehung eines Gehirnödems).
-Falls die Tiere nicht mehr fähig zur Wasseraufnahme sind, mit Schlundsonde eingeben.
-Krämpfe: Xylazin oder Diazepam
 
7.2Weitere symptomatische Massnahmen
-Behandlung des Hirnödems durch Mannitolinfusion und Glucocorticoide.
 

8. Fallbeispiel

Eine Herde von etwa 100 Lämmern mit einem Körpergewicht um 30 kg blieb während 24 Stunden ohne Trinkwasser. In dieser Zeit erhielten die Tiere einen Mineralzusatz mit 4% NaCl ad libitum. Da sie vorher drei Wochen lang keine Salzquelle zur Verfügung hatten, wurde vom Angebot stark Gebrauch gemacht. Schon 12 Stunden nach Erhalt des Mineralzusatzes wurde die Wassertränke wieder aufgefüllt. Trotzdem waren zwei Lämmer tot aufgefunden worden, weitere vier befanden sich in einem schlechten Zustand. Zwei dieser Lämmer wurden in der Klinik näher untersucht: Sie waren sehr durstig, leicht dehydriert, somnolent, hatten Hypothermie, Tachykardie (130/Minuten) und Tachypnoe (60/Minute). Pupillarreflex und Sehfähigkeit waren erhalten. Die Lämmer zeigten Muskelzittern, das verstärkt wurde, wenn sie zur Bewegung gezwungen wurden. Die Lämmer wurden mit Furosemid (2 mg/kg) und Dexamethason (0.5 mg/kg) therapiert und erhielten alle 4 Stunden 8 ml/kg Wasser. Sie wurden zunehmend schwächer und starben innerhalb der nächsten 24 Stunden (Scaratt et al., 1985).
 

9. Literatur

George LW (1996) Salt poisoning. In: Large Animal Internal Medicine (Smith BP, ed) Mosby-Year Book St.Louis, pp 1062-1064
 
Lorgue G, Lechenet J & Rivière A (1996) Clinical Veterinary Toxicology, Blackwell, London, p 171
 
Jaster EH, Schuh JD & Wegner TN (1978) Physiological effects of saline drinking water on high producing dairy cows. J Dairy Sci 61, 66-71
 
Miller PE (1999) Neurogenic vision loss. In: Current Veterinary Therapy, Food Animal Practice (Howard JL, ed) Saunders Company, Philadelphia, pp 654-657
 
Pearson EG & Kallfelz FA (1982) A case of presumptive salt poisoning (water deprivation) in veal calves. Cornell Vet 72, 142-149
 
Pringle JK & Berthiaume LM (1988) Hypernatremia in calves. J Vet Int Med 2, 66-70
 
Rademacher G & Lorenz I (1998) Bestandsweise gehäuft auftretende Kochsalzvergiftungen bei mit Milchaustauscher getränkten Kälbern. Prakt Tierarzt 79, 841-850
 
Radostits OM, Blood DC, Gay CC, Hinchcliff KW (1999) Sodium chloride poisoning. In: Veterinay Medicine (Radostits OM, Blood DC, Gay CC, Hinchcliff KW, eds) Saunders Company, pp 1603-1606
 
Sandals WC (1978) Acute salt poisoning in cattle. Can Vet J 19, 136-137
 
Scaratt WK, Collins TJ & Sponenberg DP (1985) Water deprivation-sodium chloride intoxication in a group of feeder lambs. J Am Vet Med Assoc 186, 977-978
 
Trueman KF & Clague DC (1978) Sodium chloride poisoning in cattle. Austr Vet J 54, 89-91
 
Van Leeuwen JA (1999) Salt poisoning in beef cattle on coastal pasture in Prince Edward Island. Can Vet J 40, 347-348
 
Zettl K (1981) Tierärztliche Aufgaben und Massnahmen in der Schafhaltung. Tierärztl Praxis 9, 445-460
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