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Bor und Borverbindungen

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Bor ist ein Nichtmetall, das in seinen Eigenschaften dem Kohlenstoff und dem Silizium ähnelt. In der Natur kommt Bor stets an Sauerstoff gebunden vor, hauptsächlich in Form von Borsäure (H3BO3) und von Salzen der Borsäure, vor allem als Borax (Natriumtetraborat). Borwasserstoffe (Borane) erscheinen als gasförmige Verbindungen.
 

2. Quellen

Borsäure und Calciumboroglukonat werden als Arzneimittel angewendet. Andere Borverbindungen werden auf Grund ihrer antiseptischen Wirkung vor allem in Form von Pudern oder Seifen eingesetzt. Ferner sind Borverbindungen Bestandteil einiger Herbizide, Insektizide und Düngemittel. Natriumperborat ist in manchen Waschmitteln und Zahnpasten enthalten. Die Borwasserstoffe (Borane) entstehen durch industrielle Prokutionsprozesse oder werden als Treibstoffe für Raketen entwickelt.
 

3. Kinetik

Nach oraler Aufnahme erfolgt die Resorption schnell und vollständig. Die Resorption ist auch über die Haut und Wunden möglich. Bei einer akuten Vergiftung wird das Bor über den Harn relativ schnell ausgeschieden, bei einer chronischen Intoxikation erfolgt die Ausscheidung jedoch langsam, so dass es zu einer Kumulation im Organismus kommen kann. Aus diesem Grund ist die subchronische und chronische Toxizität von Bor grösser als die akute.
 

4. Toxikologisches Prinzip

Die enterale Resorption erfolgt schnell und vollständig, eine beträchtliche Aufnahme kann auch über Hautwunden, die wegen Verletzungen oder Verbrennungen entstehen, stattfinden. Es folgt eine Kumulation im Organismus (ZNS, Leber), so dass die andauernde Exposition zu einer chronischen Vergiftung führen kann. Borverbindungen werden hauptsächlich über die Nieren ausgeschieden.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Die akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht) ist wie folgt:

-Boroxid: 3`136 bei der Maus.
-Borsäure: 3`200-5`100 bei der Ratte.
-Natriumborat: 2`700-6`100 bei der Ratte.
-Natriumtetraborat (Borax): 2`000 bei der Maus, 2`660 bei der Ratte.
 
Die MAK-Werte für Borane sind wie folgt: Decaboran 0.05 ppm, Diboran 0.1 ppm; Pentaboran 0.005 ppm.
 

II. Spezielle Toxikologie - Wiederkäuer

1. Toxizität

Die minimal letale Dosis beträgt für Borverbindungen 1-3.5 g/kg Körpergewicht p.o. Versuche an Ratten deuten darauf hin, dass Borsäure im Trinkwasser ab einer Konzentration von 0.25% toxisch ist.
 

2. Latenz

Es sind sowohl akute Vergiftungen (Latenzzeit im Bereich von Stunden bis wenigen Tagen) wie auch chronische Vergiftungen (Latenzzeit von mehreren Monaten) möglich.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Anorexie, Schwäche, Ataxie, Festliegen, Dehydratation, Schock. Bei chronischer Vergiftung: Abmagerung und Wachstumsdepression
  
3.2Nervensystem
Zittern, Hyperästhesie, Krämpfe; Bei der Ziege Kopfschütteln, Zucken der Ohren, Sägebockstellung
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Keine Symptome
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Durchfall, zum Teil auch blutiger Durchfall
  
3.5Respirationstrakt
Nach Inhalation von Borwasserstoffen Husten und Dyspnoe
  
3.6Herz, Kreislauf
Schock bei akuten Vergiftungen
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Fell, Haut, Schleimhäute
Lokale Verätzungen nach Kontakt mit flüssigem Borwasserstoff
  
3.11Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Gastroenteritis, Leber- und Nierendegeneration, je nach Vergiftungsart lokale Dermatitis, Lungenödem, eventuell zerebrales Oedem.
 

5. Weiterführende Diagnostik

Bestimmung des Borgehaltes im Heparinblut oder im Harn (Normalwerte < 2 mg/100 ml).
 

6. Differentialdiagnosen

Azetonämie, BSE, Enteritis anderer Genese, bei chronischer Intoxikation Parasitosen.
 

7. Therapie

7.1Notfalltherapie
-Kreislauf: Substitution von Flüssigkeit und Elektolyten.
-Krämpfe: Verabreichung von Xylazin oder Diazepam
 
7.2Dekontamination
-Orale Gabe von Aktivkohle, bei Verstopfung in Verbindung mit Glaubersalz (Borverbindungen werden nur schwach an Aktivkohle gebunden).
-Reinigung von Fell und Haut: Abwaschen mit lauwarmem Wasser und mildem Detergens.
 
7.3Weitere symptomatische Massnahmen
-Förderung der renalen Elimination (Diurese).
-Bei Vergiftung durch Inhalation: Antibiotische Versorgung zur Verhinderung einer bakteriellen Infektion.
 

8. Fallbeispiele

8.1In einer Herde von etwa 100 Mutterkühen und 50 Kälbern (1 Woche bis 8 Monate alt) wurden einige Kühe krank oder tot aufgefunden. Die Herde war drei Tage zuvor auf eine neue Weide verbracht worden. Die betroffenen Tiere waren schwach, leicht ataktisch und apathisch. Muskelzittern im Nacken- und Schulterbereich sowie an der Hinterhand wurde ebenfalls beobachtet. Einige Kühe hatten Krämpfe, einen steifen Gang oder lagen fest. Die meisten betroffenen Tiere entwickelten grünlichen Durchfall und waren leichtgradig dehydriert. Obwohl die erkrankten Kühe auf eine andere Weide verbracht wurden, verendeten fast alle Tiere innerhalb der nächsten 6 Stunden. Die ursprüngliche Weide wurde aufs genaueste untersucht. Dabei konnte nahe des Zaunes ein Loch in der Grasnarbe festgestellt werden, 10-12 cm tief, 1.5 m breit. Offensichtlich war an dieser Stelle der Boden intensiv geschleckt worden. Daneben lagen noch zerkaute Fragmente eines Plastiksackes, der ein Düngemittel mit Natriumborat enthalten hatte. Der Bauer erwähnte, dass die Kühe zuvor zwei Wochen lang ohne Mineralsalz gewesen seien (Dudley et al., 1988).
  
8.2Um den vorgängigen Fall weiter abzuklären wurden zwei Ziegen hinzugezogen und mit dem gleichen Düngemittel behandelt. Die orale Dosis der betrug 1.8 mg/kg Körpergewicht. Die jüngere der beiden Ziegen zeigte nach 4 Stunden Zittern, Liegen und Durchfall und verendete 8 Stunden nach Verabreichung des Düngemittels (Dudley et al., 1988).
 

9. Literatur

Baker MD & Bogema SC (1986) Ingestion of boric acid by infants. Am J Emerg Med 4, 358-361
 
Brockman RP, Audette RJ & Gray M (1985) Borax Toxicity. Can Vet J 26, 147
 
Dudley B. Sisk, Billy M. Colvin & Cleve R. Bridges (1988) Acute, fatal illness in cattle exposed to boron fertilizer. J Am Vet Med Ass 193, 943-945
 
Hapke HJ (1975) Bor. In: Toxikologie für Veterinärmediziner (Hapke HJ ed) Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart, pp 286-287
 
Humphreys DJ (1988) Veterinary Toxicology, Baillières Tindall, London, pp 25-26
 
Kiesche-Nesselrodt A & Hooser SB (1990) Boric acid. Vet Clin North Am Sm Anim Pract 20, 369-373
 
Radostits OM, Blood DC, Gay CC & Hinchcliff KW (1999) Boron poisoning. In: Veterinary Medicine (Radostits OM, Blood DC, Gay CC & Hinchcliff KW, eds) Saunders Company, London, p 1610
 
Oderda GM, Klein-Schwartz W & Insley BM (1985) In vitro study of boric acid and activated charcoal. Vet Hum Toxicol 28, 314
 
Plumlee KH (1996) Boron Fertilizer. In: Large Animal Internal Medicine (Smith BP, ed) Mosby Year Book, St.Louis, pp 1914-1915
 
Sisk DB, Colvin BM & Bridges CR (1988) Acute, fatal illness in cattle exposed to boron fertilizer. J Am Vet Med Assoc 193, 943-945
 
Sisk DB, Colvin BM & Merill A (1990) Experimental acute inorganic boron toxicosis in the goat: effects on serum chemistry and CSF biogenic amines. Vet Human Toxicol 32, 205-211
 
Stöber M (1978) Bor, Borate. In: Krankheiten des Rindes (Rosenberger G ed) Blackwell Wissenschafts-Verlag, Berlin, p 1165
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