mdi-book-open-variant Impressum mdi-help Hilfe / Anleitung mdi-printer Webseite ausdrucken mdi-bookmark Bookmark der Webseite speichern mdi-magnify Suche & Index Toxikologie mdi-sitemap Sitemap CliniPharm/CliniTox-Webserver mdi-home Startseite CliniPharm/CliniTox-Webserver mdi-email Beratungsdienst: Email / Post / Fax / Telefon

Phenoxycarbonsäure-Herbizide

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Es kommen hauptsächlich wasserlösliche Salze der Phenoxycarbonsäuren zum Einsatz.
 

2. Quellen

Phenoxycarbonsäuren werden als Herbizide verwendet und zeichnen sich durch eine ausgesprochen geringe Säugetiertoxizität aus. Tiervergiftungen können nur nach Einnahme grosser Mengen dieser Substanzen als Folge unvorsichtiger Lagerung oder fahrlässiger Handhabung auftreten.
 

3. Kinetik

Phenoxycarbonsäurederivate werden enteral schnell resorbiert. Von Bedeutung ist aber auch die Resorption über die Haut. Es findet eine starke Plasmaproteinbindung statt, ohne dass es zur Anreicherung der Substanz im Organismus kommt.
Die Ausscheidung erfolgt hauptsächlich über den Harn und nur zu einem sehr kleinen Teil über Kot oder Milch. Drei Tage nach oraler Aufnahme sind 90% des Wirkstoffes, überwiegend in unveränderter Form, wieder ausgeschieden.
 

4. Toxisches Prinzip

Bei Vergiftungen mit Phenoxycarbonsäure-Herbiziden steht deren schleimhautreizende Wirkung im Vordergrund, weswegen sich die Vergiftung mit Anorexie und weiteren gastrointestinalen Symptomen äussert. Die Verbindungen sind auch stark augenreizend.
In hohen Dosen wirken die Phenoxycarbonsäurederivate depressiv auf das ZNS ("narkoseähnliche" Wirkung).
Bei den mit Phenoxycarbonsäure-Herbiziden behandelten Pflanzen kann es darüber hinausgehend zur Anreicherung von Nitrat in der Futterpflanze und somit sekundär zu Nitratvergiftungen kommen.
Über die toxische Wirkung der Substanz hinausgehend enthalten einige Präparate toxische Lösungsmittel, die Vergiftungen verursachen können, zum Beispiel Dichlorphenol.
Bei der chemischen Synthese der Phenoxycarbonsäure-Herbizide entsteht als Verunreinigung eine äusserst gefährliche Substanz, nämlich 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin (TCDD). Während des Vietnam-Krieges wurden zwischen 1962 und 1970 50'000 Tonnen "Agent Orange" zum Entlauben der Bäume versprüht. Dieses Mittel bestand aus verschiedenen Phenoxycarbonsäuren und war so stark mit TCDD verunreinigt, dass die Bevölkerung in Südvietnam noch Jahrzehnte später erhöhte Dioxinkonzentrationen in Blut und Gewebe aufweist.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatteKaninchenHuhn
2,4-D (= 2,4-Dichlorphenoxy-essigsäure)347375-1'200  
Dicamba1'1901'040-2'9002'000 
2,4-DB (= 4-(2,4-Dichlorphenoxy)-buttersäure)400370-1'500 541
Dichlorprop 450-800  
Diclofopmethyl 557-580  
Fenoprop 500-1'000  
Fenoxaprop4'670-5'4902'357-2'500  
Fluazifopbutyl1'490-1'7703'328621 
Flurenol> 5'000> 5'000  
Flurprimidol602-702709-914  
Flutolanil> 10'000> 10'000  
Fluvalinat > 3'000  
Fomesan 1'250-2'000  
Haloxyfop 518-531  
2,4-MCPA (= 4-Chlor-2-methyl-phenoxy-essigsäure)440-550700  
2,4-MCPB (= 4-(4-Chlor-2-methyl-phenoxy)-buttersäure)700680  
Mecoprop (MCPP)369580-1'490  
2,4,5-T (= 2,4,5-Trichlorophenoxy-essigsäure)240-380300-500 310
2,3,6-TBA (= 2,3,6-Trichlor-benzoesäure)1'000750-1'500  
 

II. Spezielle Toxikologie - Wiederkäuer

1. Toxizität

Ernsthafte Vergiftungen bei Nutztieren sind durch die Aufnahme von besprühtem Gras nicht möglich. Nur durch die direkte Aufnahme grösserer Mengen der Konzentrate oder Spritzlösungen kann es zu Vergiftungserscheinungen kommen. Einzelne Toxizitätsdaten sind wie folgt angegeben:
 
1.12,4-D
Kalb:Die minimale letale Dosis beträgt 200 mg/kg Körpergewicht p.o.
Rind:Die minimale toxische Dosis beträgt 300 mg/kg.
Schaf:Die minimale toxische Dosis beträgt 250 mg/kg p.o. während 2-10 Tagen.
  
1.2Dicamba
Rind, Schaf:Die minimale letale Dosis beträgt 500 mg/kg/Tag p.o.
  
1.3MCPA
  
Rind:Die minimale toxische Dosis beträgt 50 mg/kg p.o. während 8 Tagen.
Schaf:Die minimale toxische Dosis beträgt 250 mg/kg p.o. während 6 Tagen.
  
1.4MCPB
Rind:Die minimale toxische Dosis beträgt 500 mg/kg p.o. während 8 Tagen.
Schaf:Die minimale toxische Dosis beträgt 250 mg/kg p.o. während 6 Tagen.
  
1.52,4,5-T
Rind, Schaf:Die minimal toxische Dosis beträgt 250 mg/kg p.o. während 4 Tagen.
 

2. Latenz

Die Latenzzeit beträgt in der Regel einige Stunden, die Gefahr einer chronischen Vergiftungen ist auf Grund der raschen Ausscheidungskinetik gering.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Teilnahmslosigkeit, Fress- und Saufunlust, trockenes Flotzmaul, Schwäche, Ataxie, Lethargie, Koma, Exitus ohne Todeskampf nach 2-3 Tagen
  
3.2Nervensystem
Tremor, Nachhandschwäche
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Salivation
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Durchfall, verminderte Vormagentätigkeit, Tympanie, Kolik
  
3.5Respirationstrakt
Keine Symptome
  
3.6Herz, Kreislauf
Selten Kammerflimmern und Kreislaufversagen (Tachyarrhythmie)
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Proteinurie
  
3.10Fell, Haut, Schleimhäute
Keine Symptome
  
3.11Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Panseninhalt trocken, geruchslos, kaum zerkleinert; Entzündungen, Nekrosen und Ulcerationen im Gastrointestinaltrakt; Nierendegeneration, Leber leicht geschwollen mit feinen nekrotischen Herden, petechiale Blutungen am Herz.
 

5. Weiterführende Diagnostik

Die Wirkstoffe sind im Futter und Panseninhalt nachweisbar, wie auch in Urin und Plasma.
 

6. Differentialdiagnosen

Weidetetanie, Enteritiden anderer Ursache , Nitrat- oder Nitritvergiftung.
 

7. Therapie

7.1Notfalltherapie
-Kreislauf: Dehydratation ausgleichen, Elektrolytsubstitution.
 
7.2Dekontamination
-Verabreichung von Aktivkohle.
-Bei Hautkontakt Reinigung von Fell und Haut durch Abwaschen mit Detergens.
-Forcierte Ausscheidung: Diurese fördern.
 
7.3Weitere symptomatische Massnahmen
-Um eine bakterielle Infektion der Schleimhautläsionen zu verhindern systemisch Antibiotika verabreichen.
-Analgetika und Kolikbehandlung: Bei starken Schmerzen Verabreichung eines Analgetikums (Metamizol, Flunixin).
 

8. Fallbeispiele

8.1Vier adulte Schafe haben Gras gefressen, das erst kürzlich mit Herbizid (Wirkstoff: MCPB) behandelt wurde. Sie zeigten daraufhin Anorexie. Behandelt wurden sie mit Aktivkohle, Cortison und Penicillin. Alle Tiere erholten sich rasch (Schweizerisches Toxikologisches Informationszentrum).
  
8.2Holstein-Stieren mit einem Gewicht von 320-430 kg wurde 2,4-D in verschiedenen Dosierungen verabreicht. Nach der Behandlung mit 100 mg/kg Körpergewicht waren keine Symptome zu beobachten. Tiere, die 300 mg/kg erhalten hatten, zeigten Schwäche, vor allem in der Nachhand, und herabgesetzte Pansenmotorik. Bei einer Dosierung von 600 mg/kg zeigten die Tiere Apathie, Lethargie, Ataxie, Hypersalivation und Kolik. Die Pansenmotorik war herabgesetzt und einige Tiere wiesen eine Proteinurie auf. Die meisten Symptome verschwanden nach 12 Stunden, die Vormagentätigkeit war insgesamt über 48 Stunden vermindert. Eine Woche nach der Exposition konnten keinerlei Abnormitäten mehr festgestellt werden (Paulino et al., 1994).
 

9. Literatur

Arnold EK & Beasley VR (1988) The pharmacokinetics of chlorinated phenoxy acid herbicides: a literature review. Vet Human Toxicol 31, 121-125
 
Buck WB (1978) Clinical toxicosis induced by pesticides in livestock. Vet Med 73, 810-819
 
Clark DE & Palmer JS (1971) Residual aspects of 2,4,5-T and an ester in sheep and cattle with observations on concominant effects. J Agr Food Chem 19, 761-764
 
Clark DE, Palmer JS, Radeleff RD, Crookshank HR & Farr FM (1975) Residues of chlorphenoxy acid herbicides and their phenolic metabolites in tissues of sheep and cattle. J Agr Food Chem 23, 573-578
 
Bukowska B, Reszka E & Duda W (1998) Influence of phenoxyherbicides and their metabolites on the form of oxy- and deoxyhemoglobin of vertebrates. Biochem Mol Biol Int 45, 47-59
 
Kelley M & Vessey DA (1986) Interaction of 2,4-dichorophenoxyacetate (2,4-D) and 2,4,5-trichlorophenoxyacetate (2,4,5-T) with the acyl-CoA:amino acid N-acyltransferase enzymes of bovine liver mitochondria. Biochem Pharmacol 35, 289-295
 
Lorgue G, Lechenet J & Rivière A (1996) Clinical Veterinary Toxicology, Blackwell, London, pp 153-154
 
Orberg J (1980) Observations on the 2,4-dichlorophenoxyacetic acid (2,4-D) excretion in the goat. Acta Pharmacol Toxicol 46, 78-80
 
Orberg J (1980) Effects of low protein consumption on the renal clearance of 2,4-dichlorophenoxyacetic acide (2,4-D) in goats. Acta Pharmacol Toxicol 46, 138-140
 
Paulino CA, Oliveira GH & Palermo-Neto J (1994) Acute 2,4-dichlorophenoxyacetic acid intoxication in cattle. Vet Hum Toxicol 36, 433-436
 
Paulino CA & Palermo-Neto J (1995) Effects of acute 2,4-dichlorophenoxyacetic acid on cattle serum components and enzyme acitivities. Vet Hum Toxicol 37, 329-332
 
Radostits OM, Gay CC, Blood DC & Hinchcliff KW (1999) Herbicides. In: Veterinary Medicine (Radostits OM, Gay CC, Blood DC & Hinchcliff KW eds) Saunders Company London, pp 1618-1619
 
Smith EA & Oehme FW (1991) A rewiew of selected herbicides and their toxicity. Vet Human Toxicol 33, 596-616
© 2024 - Institut für Veterinärpharmakologie und ‑toxikologie

Es kann keinerlei Haftung für Ansprüche übernommen werden, die aus dieser Webseite erwachsen könnten.