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Eisen und Eisenverbindungen

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Eisen ist ein weit verbreitetes und essentielles Spurenelement; Eisenverbindungen liegen in zwei- (Fe2+) oder dreiwertiger (Fe3+) Form vor.
 

2. Quellen

In der Praxis treten beim Tier eher Eisenmangelerkrankungen auf. Vergiftungen können durch Fehlapplikation oder Fehldosierung eisenhaltiger Präparate erfolgen, da neugeborenen Tieren zur Prophylaxe einer Eisenmangelanämie Eisenpräparate gespritzt oder zugefüttert werden. Toxisch ist auch die übermässige Einnahme gut löslicher Eisensalze, die in Ergänzungspräparaten (beispielsweise für Sportpferde), Multivitamin-Präparaten, Eisentabletten (oft mit Zuckerüberzug), Schneckengift, sauerstoff-absorbierenden Sachets, Handwärmekissen und Düngern vorkommen. Eisentabletten sind röntgendicht, jedoch nicht -Kapseln.
Ungefährlich sind metallisches Eisen und Rost (Eisenoxid).
 

3. Kinetik

Fe2+ ist im Dünndarm wesentlich besser löslich als Fe3+ und wird dementsprechend umfangreicher resorbiert. Die Aufnahme des zweiwertigen Eisens erfolgt hauptsächlich im Duodenum und oberen Jejunum. Dreiwertiges Eisen muss reduziert werden, bevor es resorbiert werden kann. Im Blut wird das Eisen wieder in der dreiwertigen Form an das Transferrin gebunden. Andere Metalle oder Liganden (zum Beispiel Oxalsäure), das schwerlösliche Eisenkomplexe bilden, hemmen die Eisenresorption. Im Körper ist Eisen zu etwa 70% an Hämoglobin gebunden, den Rest findet man im Myoglobin sowie als Ferritin oder Hämosiderin gespeichert. Das beim Hämoglobin- und Myoglobin-Abbau frei werdende Eisen wird zu einem grossen Teil wiederverwendet. Nur etwa 10% des Eisens werden mit Kot, Harn oder Schweiss ausgeschieden.
Eisenhaltige Schneckenkörner enthalten in der Regel 12.5-15 g/kg Eisen-III-Phosphat. Dreiwertiges Eisenphosphat enthält 37% Eisen. Pro Kilogramm Schneckenkörner muss demzufolge mit 4.6-5.6 g Fe3+ gerechnet werden.
 

4. Toxisches Prinzip

Eisenverbindungen sind stark korrosiv. In hoher Dosierung hat Eisen eine reizende Wirkung auf die Schleimhäute des Magen-Darm-Traktes sowie einen toxischen Effekt auf Gefässe, Leber- und Herzparenchym. Wird die Bindungskapazität des Transferrins im Blut überschritten, kommt es zu schweren Vergiftungserscheinungen.
Die Radikalbildung spielt beim Mechanismus der Zellschädigung durch Eisenionen eine bedeutende Rolle. Übergangsmetallionen wie Fe2+/Fe3+ oder Cu+/Cu2+ sind in der Lage, Sauerstoffspezies mit geringer Toxizität (zum Beispiel O2, NO oder H2O2) in das äusserst reaktive Hydroxylradikal (OH) umzuwandeln. Solche Radikalübergänge wurden bereits 1934 von Haber und Weiss postuliert und werden deshalb gesamthaft als Haber-Weiss-Reaktion bezeichnet. Das dabei entstehende Hydroxylradikal ist ein besonders starkes Oxidationsmittel: es reagiert mit organischen Molekülen und setzt die Lipidperoxidation in Gang, die sich kettenreaktionsartig über den Zellmembranen ausbreitet und zu Gewebeschädigung sowie -nekrose führt. Bei schwerer Schädigung kommt es sogar zu Koagulopathien. Die Flüssigkeits- und Elektrolytsverluste sowie die direkte Mitochondrialschädigung führen zu einer schweren metabolischen Azidose. Es resultieren eine gastrointestinale Schädigung, hepatische Nekrosen, kardiovaskulärer Kollaps und gelegentlich der Tod.
Aufgrund der toxischen Wirkung des freien Eisens werden zur Behandlung von Mangelkrankheiten dreiwertige Verbindungen, meist als Komplex mit Dextran, verwendet. Diese Komplexe dürfen nicht intravenös injiziert werden.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatteKaninchenHuhn
Ammoniumeisensulfat (Mohrs Salz, FeH8N2O8S2) 3'250  
Eisen 30'000  
Eisen(II)ammoniumsulfat 3'250  
Eisen(III)chlorid1'280   
Eisen(III)dextran1'000   
Eisen(II)fumarat1'5703'850  
Eisenpentacarbonyl  12 
Eisen(II)sulfat680-1'520319600 
 

II. Spezielle Toxikologie - Wiederkäuer

1. Toxizität

Eine toxische Dosis kann nicht genau festgelegt werden, weil die Toxizität von Eisen weitgehend von der Versorgung mit Selen, Vitamin E oder anderen Antioxidantien abhängig ist. Mit Ausnahme der Milchaustaucher sollte das Futter für Wiederkäuer nicht Eisen supplementiert werden.
Der Normalgehalt von Eisen im Serum beträgt bei Schafen und Rindern 100-200 µg/dl (= 17.9-35.8 µmol/l), bei neugeborenen Kälbern 170 µg/dl (= 30.4 µmol/l), bei 50 Tage alten Kälbern 67 µg/dl (= 12 µmol/l) (Radostits et al., 2007).
 

2. Latenz

Akute Vergiftungen manifestieren sich innerhalb von wenigen Stunden nach der Exposition. Chronische Vergiftungen infolge eines mässigen Eisenüberangebotes im Futter sind unwahrscheinlich, da bei bedarfsüberschreitender Dosierung die Resorption aus dem Verdauungskanal reguliert wird.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Zusammenbrechen, Schock
  
3.2Nervensystem
Tremor, Krämpfe, Zähneknirschen
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Keine Symptome
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Bei einer durch perorale Aufnahme von Eisen verursachten Vergiftung: Durchfall, wobei der Kot durch die Bildung von Eisensulfid schwarz gefärbt sein kann; Kolik
  
3.5Respirationstrakt
Dyspnoe, Tachypnoe
  
3.6Herz, Kreislauf
Tachykardie, schwacher Puls
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Fell, Haut, Schleimhäute
Keine Symptome
  
3.11Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefund

Lungenödem, Leberschwellung mit periportalen Nekrosen, Fibrose oder Zirrhose der Leber, Hämosiderose, Hämorrhagien im Gastrointestinaltrakt, schokoladebraunes, hyperplastisches Knochenmark. Die Leberveränderungen lassen sich auch am lebenden Tier durch Entnahme von Biopsien nachweisen.
 

5. Weiterführende Diagnostik

5.1Direkter Nachweis
Im Fall einer Vergiftung steigt der Eisengehalt in der Leber meistens auf über 5000 ppm, in der Niere auf über 750 ppm.
 
5.2Laborwerte
Gesteigerte Serumaktivität von γ-Glutamyltransferase, Aspartat-Aminotransferase, Laktatdehydrogenase und alkalischen Phosphatase. Die Konzentration der Gallensäuren und des unkonjugierten Bilirubins können erhöht sein.
 

6. Differentialdiagnosen

Anaphylaktischer Schock, andere toxische Lebererkrankungen zum Beispiel durch Pyrrolizidinalkaloide.
 

7. Therapie

7.1Notfalltherapie
-Kreislauf: Substitution von Flüssigkeit und Elektrolyten. Eisenvergiftungen sind oft mit Hypovolämie verbunden.
-Krämpfe: Xylazin oder Diazepam
 
7.2Antidottherapie
-Als Antidot wird der Chelatbildner Deferoxamin eingesetzt, in einer Dosis von bis zu 80 mg/kg/Tag i.v. oder i.m. Bei intravenöser Applikation sollte eine Infusionsgeschwindigkeit von 15 mg/kg pro Stunde nicht überschritten werden. Die Eisenkomplexe verfärben den Harn orangerot. Die Therapie kann abgebrochen werden, sobald der Harn wieder seine normale Farbe bekommt. Daneben kann Deferoxamin zur Bindung von Eisen im Magen-Darm-Trakt benutzt werden (bis zu 100 mg/kg p.o.).
 
7.3Forcierte Ausscheidung
-Diurese fördern mit Furosemid i.v. oder Mannitolinfusionen.
 
7.4Weitere symptomatische Massnahmen
-Korrektur der Azidose: Laktat- oder Bikarbonatinfusionen
-Analgetika und Kolikbehandlung: Bei starken Schmerzen Metamizol oder Flunixin verabreichen.
-Antibiotische Versorgung der Haut- und Schleimhautläsionen, bei Lungenödemen zusätzlich Kortikosteroide.
 
7.5
-Aktivkohle bindet Eisen nicht und ist daher wirkungslos.
 

8. Fallbeispiele

8.1Ein Kalb (3 Wochen, 60 kg) erhielt 6 ml eines Eisenpräparates (200 mg Eisen als Eisen(III)-Dextran-Komplex) i.m. Die in der Packungsbeilage empfohlene Dosis beträgt 1-2 ml. Bereits 3 Minuten nach der Injektion zeigte das Kalb Tachypnoe und Dyspnoe. Das Tier wurde mit Flumethason i.v. und Vitamin E/Selen i.m. behandelt, und die Atemluft wurde mit Sauerstoff angereichert. Die starke Dyspnoe hielt 30 Minuten an, danach kam es langsam, im Verlauf von 3-4 Stunden, zur vollständigen Erholung (Tox Info Suisse).
  
8.2Eine Herde Jungbullen erkrankte an einer Pneumonie, hervorgerufen durch Pasteurella hämolytica. Die Tiere wurden mit Erythromycin behandelt, zusätzlich wurde ihnen ein Eisenpräparat intramuskulär verabreicht. Einen Tag später verendeten 25 Bullen, nachdem sie zentralnervöse Symptome, wie Ataxien, Zittern und Krämpfe gezeigt hatten. Bei der Sektion war die geschwollene und bleiche Leber auffällig. Die Eisenkonzentration in der Leber der verstorbenen Tiere betrug 190-235 ppm. Es wurde eine Eisenvergiftung diagnostiziert (Holter et al., 1990).
  
8.3Elf Kälber wurden intramuskulär mit einem Eisenpräparat behandelt, das eigentlich nur für Pferde zugelassen war. Einige Stunden später bemerkte der Bauer, dass die Kälber unruhig wurden. Die behandelten Kälber stolperten und zitterten. Einige von ihnen knirschten mit den Zähnen und zeigten Koliksymptome. Mit fortschreitendem Verlauf fielen die Kälber um, lagen fest und hatten Krämpfe. Zehn Kälber verendeten. Bei der Sektion wurde eine Lebernekrose festgestellt. Das einzige Kalb, das die Behandlung überlebt hatte, wurde eingehend untersucht. Die Serumwerte der Laktatdehydrogenase, γ-Glutamyltransferase und der alkalischen Phosphatase waren erhöht. Der Eisengehalt im Blut war 543 µg/100 ml (Ruhr et al., 1983).
 

9. Literatur

Furugoui K, Miyata Y & Shijimaya K (1982) Ferritin in blood serum of dairy cows. J Dairy Sci 65, 1529-1534
 
Gooneratne DR & Christensen DA (1997) Effect of Chelating Agents on the Excretion of Copper, Zinc and Iron in the Bile of Sheep. Vet J 153, 1717-178
 
Holter JA, Carson TL & Witte ST (1990) Acute iron intoxication in a herd of young bulls. J Vet Diagn Invest 2, 229-230
 
House JK, Smith BP, Maas J, Lane MV, Anderson BC, Graham TW & Pino MV (1994) Hemochromatosis in Salers Cattle. J Vet Internal Medicine 8, 105-111
 
Lepper AW, Wilks CR, Kotiw M, Whitehead JT & Swart KS (1989) Sequential bacteriological observations in relation to cell-mediated and humoral anitbody responses of cattle infected with Mycobacterium paratuberculosis and maintained on normal or high iron intake. Austr Vet J 66, 50-55
 
Plumlee KH (1996) Iron. In: Large Animal Internal Medicine (Smith BP ed) Mosby-Year Book, St. Louis, p 1906
 
Radostits OM, Gay CC, Hinchcliff KW & Constable PD (2007) Iron deficiency. In: Veterinay Medicine (Radostits OM, Gay CC, Hinchcliff KW & Constable PD eds) Saunders Company London, pp 1725-1729
 
Smith BP (1991) Iron toxicosis in cattle. J Am Vet Med Ass 198, 10
 
Ruhr LP, Nicholson SS, Confer AW & Blakewood BW (1983) Acute intoxication from a hematinic in calves. J Am Vet Med Ass 182, 616-618
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