2. Quellen
Akute Cadmiumvergiftungen werden bei Tieren kaum beobachtet. Als mögliche Quelle für chronische Cadmiumvergiftungen sind kontaminierte Futter- und Düngemittel in Betracht zu ziehen.
3. Kinetik
Cadmiumverbindungen werden nach oraler Aufnahme nur langsam und in begrenztem Umfang resorbiert. Ein Calcium-, Eisen-, Kupfer-, Zink oder Manganmangel kann die Resorptionsrate von Cadmiumsalzen erhöhen. Zum Teil ist dieser Effekt dadurch zu erklären, dass diese Elemente die gleichen Aufnahmemechanismen verwenden. Über die Lungen ist eine höhere Resorptionsrate als über den Darm zu beobachten. Im Gewebe wird Cadmium als Komplex mit einem cysteinreichen Speicherprotein (Metallothionein) eingelagert. Zur stärksten Anreicherung von Cadmium kommt es in den Tubuluszellen der Nieren. Dort beträgt die Halbwertszeit von Cadmium mehrere Jahre, beim Menschen etwa 30 Jahre. Erst nach Überschreiten der Speicherkapazitäten erfolgt eine Ausscheidung über den Harn.
4. Toxisches Prinzip
Trotz einer Vielzahl von Studien konnte der toxische Wirkungsmechanismus von Cadmium bis heute nicht gänzlich geklärt werden. Diskutiert wird die Blockade von Sulfhydrylgruppen von Proteinen, eine Verdrängung anderer Metalle aus Strukturproteinen, Enzymen oder Ionenkanälen sowie eine Entkopplung der oxidativen Phosphorylierung. In den fünfziger Jahren wurde in Japan eine Massenvergiftung durch cadmiumkontaminierte Nahrungsmittel ausgelöst, die "Itai-Itai"-Erkrankung. Dabei wurden cadmiumhaltige Abwässer auf Reisfelder geleitet, was die Aufnahme von Cadmium über die Nahrung zur Folge hatte. Dies führte mehrheitlich bei Frauen zu unerträglichen Schmerzen im Rücken und in den Beinen. Die Patientinnen litten unter einer massiven Osteoporose mit nachfolgenden Skelettdeformationen, Knochenbrüchen und Schrumpfung der Körpergrösse.
5. Toxizität bei Labortieren
Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):
| Maus | Ratte | Kaninchen | Huhn |
Cadmium | 890 | 225 | | |
Cadmiumchlorid | 60-93.7 | 88 | 70-150 | |
Cadmiumiodid | 166 | 166 | | |
Cadmiumoxid | 72 | 72 | | |
Cadmiumstearat | 590 | 1'125 | | |
Cadmiumsuccinat | 312 | 660 | | |
Cadmiumsulfat | 46-47 | | | |
6. Umwelttoxikologie
Die Einsatzgebiete für Cadmium haben sich seit Bewusstwerden der Toxizität dieses Stoffes drastisch reduziert. Früher benutzte man Cadmium aufgrund seiner Korrosionsfestigkeit als Legierungszusatz und als Überzug in der Metallurgie. Cadmiumsalze wurden auch in Malerfarben, Kunststoffen und Halbleitern eingemischt. Heute fliesst die grösste Cadmiummenge in die Herstellung von Batterien und Akkumulatoren. Infolge dieser vielseitigen Anwendung resultieren Cadmiumemissionen aus Industrie- und Müllverbrennungsanlagen. Auch der Klärschlamm enthält erhebliche Mengen von Cadmium, ebenso Phosphatdünger und fossile Brennstoffe. Diese Einträge gehen mit einer bedeutenden Speicherung von Cadmium in den oberen Bodenschichten einher, wobei Cadmium in einem grösseren Ausmass als andere Schwermetalle durch Pflanzen aufgenommen wird. Daraus lässt sich eine Umweltbelastung ableiten, deren langfristige Folgen noch ungenügend untersucht sind.
II. Spezielle Toxikologie - Wiederkäuer
1. Toxizität
Cadmium ist ab einer Konzentration von 50 ppm im Futter (bezogen auf die Trockensubstanz) toxisch. Beim Schaf liegt dieser Grenzwert bei 30 ppm.
2. Latenz
Meistens handelt es sich um chronische Vergiftungen, die sich über Wochen oder Monate hinziehen.
3. Symptome
3.1 | Allgemeinzustand, Verhalten |
| Inappetenz, Abmagerung, Schwäche, schlechtes Wachstum, Inkoordination, Bewegungsstörungen |
|
3.2 | Nervensystem |
| Keine Symptome |
|
3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Keine Symptome |
|
3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Durchfall, Kolik bei akuter Vergiftung |
|
3.5 | Respirationstrakt |
| Keine Symptome |
|
3.6 | Herz, Kreislauf |
| Keine Symptome |
|
3.7 | Bewegungsapparat |
| Schlechte Keratinisierung der Klauen, brüchiges Horn, Bewegungsstörungen, schmerzhafte Gelenkauftreibungen, multiple Knochenbrüche. |
|
3.8 | Augen und Augenlider |
| Keine Symptome |
|
3.9 | Harntrakt |
| Polyurie, Proteinurie |
|
3.10 | Fell, Haut, Schleimhäute |
| Rauhes Haarkleid, Parakeratose, Alopezie (Beine, Innenseite der Schenkel, Unterbrust, Triel) |
|
3.11 | Blut, Blutbildung |
| Anämie |
|
3.12 | Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation |
| Bei männlichen Tieren Schrumpfung, Schuppung und Oedematisierung des Skrotums, Unfruchtbarkeit; Bei weiblichen Tieren: Fertilitätsstörungen, erhöhte embryonale Mortalität, Aborte, sinkende Milchleistung. |
4. Sektionsbefunde
Hautveränderungen (Alopezie, Parakeratose), Klauen- und Horndefekte, Hodenveränderungen (Keimdrüsennekrosen), Hyperkeratose der Vormägen, Nierendegeneration, fettige Degeneration der Leber, Osteoporose
5. Weiterführende Diagnostik
Nachweis eines erhöhten Cadmiumgehaltes in Futter, Leber (>120 ppm) oder Nieren (>150 ppm) mittels Atomabsorptionsspektrometrie. Bei der Beurteilung der Cadmiumanreicherung in den Nieren ist das Lebensalter zu berücksichtigen.
6. Differentialdiagnosen
Zink-, Eisen- oder Calciummangel, Magendarmparasiten, andere Metallvergiftungen; Bei akuter Exposition: infektiöse und nicht-infektiös Ursachen einer Gastroenteritis.
7. Therapie
Die sofortige Entfernung der Giftquelle wird als einzig praktikable Massnahme angesehen. Diskutiert wird auch die Zufüttterung von Zinksalzen bei einer chronischen Cadmiumbelastung. Kälber, die 600µg Zink pro Tag erhielten, wiesen deutlich geringere Cadmiumwerte in den Nieren und der Leber auf als Kälber, die kein Zink erhielten.
8. Fallbeispiel
Auf einer Farm in Kentucky fiel eine Kuh durch ihr rauhes Haarkleid und Auftreibungen an den Gelenken auf. Zwei Jungstiere hatten ebenfalls ein solch rauhes Haarkleid, zudem war ihre schwarze Farbe in eine rostbraune übergegangen. Da sich der Zustand der Tiere verschlechterte wurden sie euthanasiert und einer Sektion unterzogen. Man fand dabei deutliche erhöhte Kadmiumwerte. Bei genaueren Untersuchungen kam heraus, dass in den letzten zwei Jahren wiederholt die weisse Farbe von Zäunen abgekratzt und die Zäune zusätzlich mit Hochdruck gereinigt worden waren. Tatsächlich enthielt besagte Farbe hohe Cadmiumkonzentrationen (Swerczek et al., 1997).
9. Literatur
Gangolli S (1999) The dictionary of substances and their effects, Second Edition. Royal Society of Chemistry, Cambridge
Goyer RA (1996) Toxic effects of metals. In: Toxicology (CD Klaassen, ed) McGraw-Hill, New York, pp 691-736
Huebers HA, Huebers E, Csiba E, Rummel W & Finch CA (1981) The cadmium effect on iron absorption. Am J Clin Nutr 45, 1007-1012
Humphreys DJ (1988) Cadmium. In: Veterinary Toxicology (Humphreys DJ ed) Baillières Tindall Verlag London, pp 26-28
Klaassen CD, Liu J & Choudhuri S (1999) Metallothionein: an intracellular protein to protect against cadmium toxicity. Annu Rev Pharmacol Toxicol 39, 267-294
Kessels BGF, Wensing Th, Wentink GH & Schotman AJH (1990) Clinical, chemical, and hematological parameters in cattle kept in a cadmium-contaminated area. Bull Environ Contam Toxicol 44, 339-344
Kreis IA (1990) Cadmium contamination of the countryside, a case study on health effects. Toxicology & Industrial Health 6, 181-188
Lamphere DN, Dorn CR, Reddy CS & Meyer AW (1984) Reduced cadmium body burden in cadmium-exposed calves fed supplemental zinc. Environ Res 33, 119-129
Milhaud GE & Mehennaoui S (1988) Indicators of lead, zinc and cadmium exposure in cattle. Vet Hum Tox 30, 513-517
Neathery MW & Miller WJ (1975) Metabolism and toxicity of cadmium, mercury, and lead in animals. J Dairy Sci 58, 1767-1781
Parada R, Gonzalez S & Berqvist E (1987) Industrial pollution with copper and other heavy metals in a beef cattle ranch. Vet Hum Tox 29, 122-126
Reddy CS, Mohammad FK, Ganjam VK, Martino MA & Brown EM (1987) Mobilization of tissue cadmium in mice and calves and reversal of cadmium induced tissue damage in calves by zinc. Bull Environ Cont & Tox 39, 350-357
Smith RM (1998) Comments on chronic environmental cadmium toxicosis in horses and cattle. J Am Vet Med Ass 212, 340-341
Swerczek TW (1997) Chronic environmental cadmium toxicosis in horses and cattle. J Am Vet Med Ass 211, 1229-1230