mdi-book-open-variant Impressum mdi-help Hilfe / Anleitung mdi-printer Webseite ausdrucken mdi-bookmark Bookmark der Webseite speichern mdi-magnify Suche & Index Toxikologie mdi-sitemap Sitemap CliniPharm/CliniTox-Webserver mdi-home Startseite CliniPharm/CliniTox-Webserver mdi-email Beratungsdienst: Email / Post / Fax / Telefon

Chlornaphthalin

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Chlornaphthaline sind Vertreter der chlorierten Kohlenwasserstoffe, die nadelförmige Kristalle bilden und einen stechenden, mottenkugelartigen Geruch aufweisen. In Wasser sind Chlornaphthaline schlecht, in Alkohol wenig und in Äther gut löslich. Sie sind thermisch und chemisch sehr stabil und haben eine geringe elektrische Leitfähigkeit. Es gibt Mono- und Polychlornaphthaline (Tri-, Tetra-, Penta-, Hexa- oder Octochlornaphthalin). Je höher der Chlorierungsgrad ist, desto lipidlöslicher und wasserunlöslicher sind die Naphthaline. Monochlornaphthaline weisen einen besonders tiefen Dampfdruck auf, womit es zu einer erheblichen Anreicherung dieser Substanzen in der Stalluft oder Innenräumen kommen kann.
 

2. Quellen

Chlornaphthaline wurden als Isoliermaterial in Batterien, Kondensatoren, Transformatoren und Kabeln, als Additive zu Hydraulik-, Schmier- und Getriebeölen, als Trägersubstanzen für Farbpigmente, als Zusätze zu Gummiprodukten, zur Imprägnierung sowie gegen Feuer, Insekten- und Pilzbefall von Holzprodukten, Papier und Textilien und als Bindemittel in der Keramikherstellung verwendet. Die Produktion ist wegen der ungünstigen Stoffeigenschaften weitgehend eingeschränkt.
 

3. Kinetik

Chlornaphthaline können oral, perkutan oder per inhalationem resorbiert werden. Die Ausscheidung erfolgt über die Galle und Milch.
Chlornaphthaline weisen sowohl eine Bioakkumulation als auch Biomagnifikation in der aquatischen Umwelt auf.
 

4. Toxisches Prinzip

Monochlornaphthaline reizen die Atemwege und Konjunktiven.
Polychlornaphthaline führen zu reduzierten Vitamin A-Gehalten im Serum, vermutlich durch Hemmung der Umwandlung von Karotin zu Vitamin A.
Beim Menschen tritt eine Chlorakne auf.
Zellulär erfolgt eine Induktion von mischfunktionellen Oxygenasen der Cytochrom P450-Familie.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Die Toxizität nimmt mit zunehmendem Chlorgehalt zu.
 

Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatteKaninchenHuhn
1-Chlornaphthalin1`0901`540  
2-Chlornaphthalin8862`080  
 
Letale Dosis Schweine: 90-100 mg/kg Körpergewicht.
LD50 Küken: Futter mit 20 ppm eines Gemisches von Penta- und Hexachlornaphthalin.
Letale Dosis Küken: Futter mit 100 ppm eines Gemisches von Penta- und Hexachlornaphthalin, innerhalb von 33 Tagen.
LD50 Nager: 5 mg bis >1000 mg/kg Körpergewicht, je nach Kongenergemisch.
Toxische Dosis Meerschweinchen: 2.5 mg/kg Körpergewicht/Tag Pentachlornaphthalin p.o.; 1.16 mg/kg Körpergewicht/Tag Pentachlornaphthalin per inhalationem.
Toxische Dosis Lachs: Leberschädigungen und Wachstumsstörungen bei > 2 µg polychlorierten Naphthalinen/g Futter.
 

II. Spezielle Toxikologie - Wiederkäuer

1. Toxizität bei Wiederkäuern

Die letale Dosis schwankt beim Rind stark: 2-33 mg/kg Körpergewicht hochchlorierte Naphthaline p.o.
 

2. Latenz

Da Kälber empfindlicher sich als erwachsene Tiere, kommen bei Kälbern eher akute Vergiftungen vor (Latenzzeit 20-30 Minuten bis wenige Tage), während bei adulten Rindern die chronische Form überwiegt (Latenzzeit von mehreren Wochen).
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Anorexie, Abmagerung, Apathie; Neigung zu vermehrten Sekundärinfektionen; Kopfschütteln
  
3.2Nervensystem
Tremor
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Hypersalivation; Ulcera an Zunge und Maulschleimhaut
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Durchfall
  
3.5Respirationstrakt
Nasenausfluss
  
3.6Herz, Kreislauf
Keine Symptome
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Lakrimation
  
3.9Harntrakt
Polyurie
  
3.10Fell, Haut, Schleimhäute
Hyperkeratose beginnend an Widerrist und Rücken (nur bei Rindern und Ziegen, nicht beim Schaf), Alopezie, Schuppenbildung; Schleimhautläsionen am Naseneingang, Flotzmaul, Lippen, Dentalplatte, Gaumen und Zunge
  
3.11Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Rückgang der Milchleistung bis Agalaktie; Infertilität, Abort ohne Abgang der Nachgeburt; Kälber erkranken nach Aufnahme von Milch exponierter Muttertiere und bleiben im Wachstum zurück
 

4. Sektionsbefund

Hyperkeratose; epitheliale Hyper- oder Metaplasie der Gallenblase, der Gallengänge, der Speicheldrüsen, des Pankreas und des Genitaltraktes; ulcerative Abomasitis mit ödematöser Schwellung der Schleimhaut; Leber- und Nierendegeneration.
 

5. Weiterführende Diagnostik

Untersuchung des Futters oder anderer Quellen.
 

6. Differentialdiagnosen

Mucosal Disease, Bösartiges Katarrhalfieber, Stomatitis papulosa, Maul- und Klauenseuche, nutritiver Vitamin A-Mangel, Zinkmangel, Räude.
 

7. Therapie

7.1Notfalltherapie
-Kreislauf unterstützen mittels Volumen- und Elektrolytersatz.
 
7.2Dekontamination
-Bei oraler Aufnahme kann Aktivkohle verabreicht werden.
-Bei Obstipation: Glaubersalz
-Reinigung von Fell und Haut mit lauwarmen Wasser.
-Augenspülung während mindestens 20 Minuten.
 
7.3Weitere symptomatische Massnahmen
-Eine orale Verabreichung von Vitamin A und E kann die Symptome mildern. Zum Beispiel ein Kombinationspräparat: 1 Million IE Vitamin A-Palmitat und 600 mg Vitamin E-Acetat/Tier/Tag per oral, für 2-3 Tage.
-Antibiotische Versorgung von Haut- und Augenläsionen.
-Analgetika
 

8. Fallbeispiele

8.1 In einer Herde von 101 Rindern waren 10 Tiere von Hautveränderungen betroffen, vier davon wurden genauer untersucht. Die Tiere hatten trockene, dicke Haut, die im Nackenbereich und an den Innenschenkeln Falten bildete. Das Haarkleid war schütter und rauh, die Tiere zeigten Hypersalivation, dünnen Kot, waren abgemagert, hatten beidseitig Tränenfluss, Nasenausfluss und Ulcerationen an der Kornea. Die Köpertemperatur war leicht erhöht. Chlornaphthalin konnte als Ursache der Krankheit identifiziert werden (Panciera et al., 1993).
 
8.2 Wegen Verneblungsaktionen mit Perchlornaphthalinen sind in den Jahren 1942 bis 1944 14'500 Kälber, Rinder und Kühe gestorben oder mussten notgeschlachtet werden. Die Tiere sind erkrankt nachdem sie das Gras und Heu von betroffenen Gebieten gefressen haben (SF DRS).
 

9. Literatur

Kühnert M (1991) Sonstige aromatische Verbindungen. In: Veterinärmedizinische Toxikologie (Kühnert M ed) Gustav Fischer Verlag Stuttgart, pp 326-328
 
Panciera RJ, McKenzie DM, Ewing PF & Edwards WC (1993) Bovine hyperkeratosis: historical review and report of an outbreak. Comp Cont Ed Pract Vet 15, 1287-1294
 
Plumlee HK (1996) Industrial toxicants. In: Large Animal Internal Medicine (Smith BP ed) Mosby-Year Book St.Louis, pp 1914-1915
 
Radostits OM, Blood DC, Gay CC & Hinchcliff KW (1999) Highly chlorinated naphtalenes. In: Veterinary Medicine (Radostits OM, Blood DC, Gay CC & Hinchcliff KW eds) Saunders Company London, p 1629
 
Scott DW (1999) Environmental skin diseases. In: Current Veterinary Therapy Food Animal Practice (Howard JL & Smith RA eds) Saunders Company Philadelphia, pp 714-720
 
Stöber M (1978) Chlornaphthalinvergiftung. In: Krankheiten des Rindes (Rosenberger G ed) Blackwell Wissenschafts Verlag Berlin, pp 1205-1208
 
Wagstaff DJ (1973) Effects of chlorinated naphthalenes on liver levels of detoxication enzymes and vitamin A. Toxicol Appl Pharmacol 25, 490-491
© 2024 - Institut für Veterinärpharmakologie und ‑toxikologie

Es kann keinerlei Haftung für Ansprüche übernommen werden, die aus dieser Webseite erwachsen könnten.