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Metaldehyd

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Metaldehyd ist ein Polymer von Acetaldehyd. Er ist kristallin, geschmack- und farblos und leicht brennbar. Metaldehyd ist in Wasser, Alkohohl und Äther wenig, in Chloroform oder Benzol aber gut löslich.
 

2. Quellen

Metaldehyd kommt hauptsächlich als Schneckengift zur Anwendung. Die molluskiziden Präparate werden zusammen mit einem Ködermaterial, vorzugsweise Kleie, als gekörntes Streumittel eingesetzt. Aus diesen Ködern wird Metaldehyd über einen Zeitraum von ungefähr 10 Tagen freigesetzt. Die handelsübliche Vergällung der Schneckenkörner verhindert zwar Vergiftungen bei Kindern, kann aber der Ingestion grosser Ködermengen durch Hunde nicht entgegenwirken. Schneckenkörner enthalten in der Regel 6% Metaldehyd. Schweizer Schneckenkörner sind sehr klein, 33 Körner wiegen 1 g, und 100 Körner enthalten 182 mg Metaldehyd. Die Körner der deutschen Produkte sind etwas grösser, je nach Produkt wiegen 50-100 Körner 1 g, das heisst 100 Körner enthalten 30-90 mg Metaldehyd.
Metatabletten wurden früher als Anzündmittel und Brennstoff verwendet ("Trockenspiritus"), sind aber heute durch weniger gefährliche Stoffe wie zum Beispiel Hexamethylentetramin (= Urotropin), eine Additionsverbindung aus Formaldehyd und Ammoniak, ersetzt worden.
 

3. Kinetik

Metaldehyd wird im Gastrointestinaltrakt als Ganzes absorbiert. Im Magen dürfte ein Teil, unter der Einwirkung der Magensalzsäure, zu Acetaldehyd hydrolysiert und schliesslich zu Essigsäure oxidiert werden. Acetaldehyd und Essigsäure werden über die Nieren ausgeschieden. Ein Teil des Metaldehyds wird resorbiert und passiert die Blut-Hirn-Schranke. Beim Metabolismus wird die Beteiligung von Cytochrom-P450 vermutet, da P450-Induktoren vor einer Metaldehyd-Vergiftung schützen. Bei Mäusen werden nur 8% einer oral aufgenommenen Metaldehyd-Dosis unmetabolisiert im Urin und Fäces ausgeschieden. Die ausgeschiedene Menge im Urin bei Hunden macht weniger als 1% aus. Die Eliminationshalbwertszeit von Metaldehyd beträgt rund 24 Stunden. Obwohl die Daten über die Eliminationskinetik bei Tieren nicht bekannt sind, wird vermutet, dass das Hydrolysationsprodukt Acetaldehyd rasch in Kohlendioxid gewandelt und über die Atmung ausgeschieden wird.
 

4. Toxisches Prinzip

Metaldehyd reizt die Schleimhäute im Magen-Darm-Trakt. Der resorbierte Metaldehyd hat einen Einfluss auf das γ-Aminobuttersäure (GABA)-erge System, indem es zu einer verminderten GABA-, Norephedrin-, Serotonin- und erhöhten Monoaminooxidase (MAO)-Aktivität führt. Verminderte GABA-, Norephedrin- und Serotonin-Spiegel führen zu zentralen Exzitationen. Wie genau das GABA-erge System beeinträchtigt wird, ist noch unbekannt. Eine weitere Rolle in der Pathophysiologie der Metaldehydvergiftung spielt die Hyperthermie, die durch den starken Tremor verursacht wird. Körpertemperaturen von 42-43°C führen in allen Organsystemen innerhalb weniger Minuten zu Zellnekrosen. Zudem verstärkt die Hyperthermie die, durch den freien Acetaldehyd bedingte, metabolische Azidose. Begleiterscheinungen der metabolischen Azidose sind Hyperpnoe und zentralnervöse Depression. Bei überlebenden Tieren kann Metaldehyd zu Leberdegeneration und -zirrhose führen.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatteKaninchenHuhn
Acetaldehyd 1'930  
Essigsäure 3'310  
Metaldehyd200227-6301'250 
 

Akute inhalative LD50 (in mg/m3, über 4 Stunden):

 MausRatteMeerschweinchen
Metaldehyd203203175-700 
 

6. Umwelttoxikologie

Igel meiden metaldehydhaltige Schneckenköder und sind deshalb kaum gefährdet. Eine Sekundärvergiftung der Igel durch Aufnahme metaldehydvergifteter Schnecken konnte experimentell ausgeschlossen werden.
 

II. Spezielle Toxikologie - Wiederkäuer

1. Toxizität

Die LD50 (oral) ist wie folgt: Rind, 0.2 g/kg Körpergewicht p.o.; Schaf, 0.3 g/kg; Ziege, 0.8 g/kg
 

2. Latenz

Die Latenzzeit beträgt wenige Stunden.
 

3. Symptome

Die Metaldehydvergiftung ist durch Krämpfe und Hyperthermie ("shake and bake") gekennzeichnet.
 
3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Hyperthermie, Ataxie, Exzitation, Bewusstseinstrübung, Schwäche, Koma
  
3.2Nervensystem
Hyperästhesie, Zittern, Krämpfe, Kiefersperre
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Salivation
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Durchfall
  
3.5Respirationstrakt
Dyspnoe
  
3.6Herz, Kreislauf
Tachykardie
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Nystagmus, Mydriasis, Blindheit
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Fell, Haut, Schleimhäute
Schwitzen, zyanotische Schleimhäute
  
3.11Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Stechender Geruch nach Acetaldehyd; Blutstauung in Leber, Nieren und Lunge; Blutungen ins Interstitialgewebe der Lunge, hämorrhagische Gastroenteritis, Ganglienzelldegeneration im Gehirn. Bei Schafen wurden subkutane Ödeme am Nacken und Bauch, Schaum in Trachea und Bronchien, petechiale Blutungen in Lungen und in der Harnblasenschleimhaut gefunden.
 

5. Weiterführende Diagnostik

5.1Direkter Nachweis
Brennprobe mit verdächtigem Material im Mageninhalt, Darminhalt oder Kot: Metaldehyd brennt und bildet charakteristische weisse Flocken.
Nachweis von Acetaldehyd in Futter, Köder, Harn oder Mageninhalt mittels Farbreaktionen
Nachweis von Metaldehyd in Mageninhalt, Serum, Harn oder Leber durch Gas-Chromatographie. Bei Hunden wird weniger als 1% der aufgenommenen Metaldehydmenge unverändert im Harn ausgeschieden.
 

6. Differentialdiagnosen

Vergiftungen durch Blei, Polychlorbiphenyle, Chlorkohlenwasserstoffpestizide, Ethylenglycol, Infektionskrankheiten
 

7. Therapie

7.1Notfalltherapie
-Kreislauf: Substitution von Flüssigkeit.
-Krämpfe: Xylazin oder Diazepam.
 
7.2Dekontamination und Elimination
-Dekontamination des Gastrointestinaltraktes: Aktivkohle und Glaubersalz.
-Forcierte Ausscheidung: Diurese fördern.
 
7.3Weitere symptomatische Massnahmen
-Korrektur einer metabolischen Azidose: Na-Bikarbonat.
-Analgetika und Kolikbehandlung: Metamizol oder Flunixin.
-Regulation der Körpertemperatur: Kühlen mit kaltem Wasser.
 

8. Fallbeispiele

8.1Eine Herde von 30 Rindern hatte Zugang zu Säcken, die Granulat von 5%igen Metaldehyd enthielten. Insgesamt wurden etwa 10 kg des Köders aufgenommen. Die Herde zeigte Hypersalivation, Tremor und Krämpfe; 12 Tiere starben innert 48 Stunden. Der Sektionsbefund zeigte Kongestionen und Degeneration an Leber, Niere und Lunge aller Tiere. Ein Kätzchen, das Milch einer dieser Kühe aufnahm, zeigte ebenfalls Hypersalivation, Tremor, Konvulsionen, dazu Durchfall, Mydriasis und Ataxie (Lorgue et al, 1996).
  
8.2Eine adulte Kuh (680 kg) hatte 1 kg metaldehydhaltiger Schneckenkörner gefressen und zeigte 7 Stunden später später Salivation, Muskelzittern, Kolik, Durchfall, Tachypnoe, Tachykardie, Arrhythmien. Behandelt wurde sie mit Aktivkohle, Metamizol, Prednisolon, Xylazin, sowie Bicarbonat und Glukose i.v. Die Kuh erhohlte sich innerhalb von 3 Tagen (Schweizerisches Toxikologische Informationszentrum).
  
8.3An einem Vormittag wurde ein Tierarzt auf einen Betrieb gebeten, weil der Bauer auf der Weide eine Kuh gesehen hatte, die schwankte und taumelte. Bis der Tierarzt eintraf, zeigten auch weitere Kühe ähnlich Symptome und der Bauer hatte einen offenen Sack voll Schneckenkörner entdeckt. Die ganze Herde wurde in einen nahe gelegenen Unterstand gebracht, was für die betroffenen Tiere offensichtlich sehr anstrengend war. Von 80 Kühen waren 12 auffällig. Sie wurden von der Herde getrennt. Die weniger schwer betroffenen Tiere zeigten Salivation, Tremor, Hyperpnoe, gespitzte Ohren, Hyperästhesie und leichtgradige Ataxie. Schwerer betroffene Kühe waren hochgradig ataktisch und wiesen starke Krämpfe auf. 3 von ihnen lagen fest. Alle betroffenen Kühen schienen ein eingeschränktes Sehvermögen zu haben.
Alle betroffenen Kühen erhielten 5-7 ml 2%iges Xylazin i.m. Eine schwer betroffene Kuh erhielt zusätzlich 450 ml 20%iges Calciumboroglukonat, was aber sofort schwere Konvulsionen auslöste. 4 Kühe verstarben und eine wurde geschlachtet.
Im Ganzen nahmen die Kühe ungefähr 9 kg dieser Schneckenkörner, die 6% Metaldehyd enthielten auf (Longbottom & Gordon, 1979).
 

9. Literatur

Booze TF & Oehme FW (1985) Metaldehyde toxicity: a review. Vet Human Toxicol 27, 11-17
 
Cameron RC (1981) Metaldehyde poisoning. Vet Rec 109, 343
 
Farmer H (1987) Metaldehyde poisoning. Vet Rec 120, 119
 
Homeida AM & Cook RG (1982) Pharmacologic aspects of metaldehyde poisoning in mice. J Vet Pharmacol Ther 5, 77-81
 
Humphreys DJ (1988) Veterinary Toxicology, Bailliere Tindall, pp 173-174
 
Lewis DR, Madel GA & Drury J (1939) Fatal poisoning by meta fuel tablets. Br Med J 1, 1283-1284
 
Longbottom GM & Gordon AS (1979) Metaldehyd poisoning in a dairy herd. Vet Rec 104, 454-455
 
Lorgue G, Lechenet J & Rivière A (1996) Clinical Veterinary Toxicology (Chapman MJ ed), Blackwell Science, London, p 132
 
Moody JP & Inglis FG (1992) Persistence of metaldehyde during acute molluscicide poisoning. Hum Exp Toxicol 11, 361-362
 
Plumlee HK (1996) Rodenticides and other pesticides. In: Large Animal Internal Medicine (Smith BP ed), Mosby, St. Louis, pp 1911-1913
 
Radostits OM, Blood DC, Gay CC & Hinchcliff KW (1999) Molluscicides. In: Veterinay Medicine (Radostits OM, Blood DC, Gay CC & Hinchcliff KW, eds) Saunders Company London, p.1621
 
Simmons JR (1974) An outbreak of metaldehyde poisoning in sheep. Vet Rec 95, 211-212
 
Stubbings DP, Edginton AB, Lyon DG, Spence JB & Clark MH (1976) Three cases of metaldehyde poisoning in cattle. Vet Rec 98 356-357
 
Von Burg R & Stout T (1991) Toxicology Update: Metaldehyde. J Appl Toxicol 11, 377-378
 
Williams BM & Thomas AI (1976) Metaldehyde poisoning in cattle. Vet Rec 98, 358-359
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