2. Quellen
Phenylbutazon ist in verschiedenen galenischen Formen zur oralen, intramuskulären oder intravenösen Verabreichung im Handel.
Phenylbutazon ist auch als Salbe oder perkutaner Lösung erhältlich. Dieser Wirkstoff wird in der Klein- und Grosstierpraxis häufig eingesetzt, in der Europäischen Union ist allerdings die Verwendung von
Phenylbutazon bei lebensmittelliefernden Tieren verboten.
3. Kinetik
Phenylbutazon wird im Magen-Darm-Trakt fast zu 100 % resorbiert. Die Aufnahme erfolgt im Dünndarm, durch vorübergehende Bindung an Futterbestandteile kann die Resorption auch ins Cäcum oder Colon verlagert werden. Maximale Blutspiegel werden nach oraler Gabe in 1-2 Stunden erreicht. Im Blut kommt es zu einer starken (> 95%) Proteinbindung. Verteilungsvolumen: 0.2 Liter/kg Körpergewicht. Die Metabolisierung erfolgt in der Leber, wobei unter anderem ein wirksamer Metabolit (
Oxyphenbutazon) entsteht. Die Ausscheidung erfolgt renal. Die Plasmahalbwertzeit beträgt beim Pferd 3.5-10 Stunden, beim Hund 2-6 Stunden, beim Rind 32-78 Stunden und beim Schwein 2-6 Stunden. Nach Überdosierung können diese Halbwertszeiten jedoch stark verlängert sein.
4. Toxisches Prinzip
4.1 | Schädigung der Magen-Darm-Schleimhaut: Phenylbutazon führt zur Hemmung der Cyclooxygenasen (COX 1 und 2) und blockiert damit die Prostaglandinsynthese. Durch Verlust der cytoprotektiven Wirkung der Prostaglandine kommt es zu Ulcera im gesamten Magen-Darm-Trakt. |
|
4.2 | Zum Teil irreversible Hypoalbuminämie unbekannter Ursache: Bevorzugt bei Ponies führt Phenylbutazon zu einem starken Plasmaproteinverlust. |
|
4.3 | Knochenmarkdepression: Nach Phenylbutazonbehandlung treten Thrombocytopenie, Agranulocytose, Leukopenie (bei Mensch und Hund auch Anämie) auf. |
|
4.4 | Nephrotoxizität: Eine Verringerung der glomerulären Filtration verbunden mit Natrium- und Chloridretention führt zu Ödemen. Daneben entstehen Nierennekrosen im Papillenbereich. Diese nephrotoxische Effekte werden durch ungenügende Trinkwasserversorgung begünstigt. |
|
4.5 | Ausserdem kann Phenylbutazon anaphylaktische Reaktionen mit Bronchokonstriktion auslösen. |
|
4.6 | Nach intramuskulärer oder subkutaner Applikation von Phenylbutazonpräparaten entstehen Gewebsnekrosen, Nervenschädigungen oder Abszesse. |
5. Toxizität bei Labortieren
Akute, orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):
| Maus | Ratte | Kaninchen | Huhn |
Phenylbutazon | | 647-1'311 | 781-1'260 | |
II. Spezielle Toxikologie - Pferd
1. Toxizität
Dosen von 8-10 mg
Phenylbutazon/kg Körpergewicht/Tag über längeren Zeitraum sind vor allem für Fohlen und Ponies toxisch. Diese Dosis liegt nah bei der normalerweise empfohlenen Erhaltungsdosis für
Phenylbutazon (maximal 8.8 mg/kg täglich). Wegen der starken lokalen
Reizwirkung sind intramuskuläre und subkutane Applikationen abzulehnen.
2. Latenz
Ausser beim anaphylaktischen Schock ist durch Anwendung der üblichen Dosierung erst nach mehreren Behandlungstagen mit toxischen Reaktionen zu rechnen.
3. Symptome
3.1 | Allgemeinzustand, Verhalten |
| Depression, Anorexie, anaphylaktischer Schock |
|
3.2 | Nervensystem |
| Keine Symptome |
|
3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Ulcera der Maulschleimhaut |
|
3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Durchfall, Obstipationen, Magenulcera, Meläna |
|
3.5 | Respirationstrakt |
| Allergiebedingte Bronchokonstriktion |
|
3.6 | Herz, Kreislauf |
| Keine Symptome |
|
3.7 | Bewegungsapparat |
| Keine Symptome |
|
3.8 | Augen, Augenlider |
| Keine Symptome |
|
3.9 | Harntrakt |
| Keine Symptome |
|
3.10 | Fell, Haut, Schleimhäute |
| Ulcera der gastrointestinalen Schleimhäute, Ödeme |
|
3.11 | Blut, Blutbildung |
| Keine Symptome (siehe Weiterführende Diagnostik) |
|
3.12 | Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation |
| Keine Symptome |
4. Sektionsbefunde
Petechiale Blutungen der Magen- und Darmschleimhaut bis hin zu schweren Ulcera mit Perforationsgefahr, Colitis, Nekrosen des Nierentubulusepithels im Papillenbereich.
5. Weiterführende Diagnostik
5.1 | Nachweis von Phenylbutazon im Serum oder Harn: Im Harn des Pferdes ist Phenylbutazon in der Regel länger als eine Woche nach Verabreichung nachweisbar. |
|
5.2 | Nachweis der Blutbildveränderungen wie Trombozytopenie, Leukopenie, Hypoalbuminämie. |
6. Differentialdiagnosen
Parasitenbefall, Salmonellose, durch Campylobacter pylori verusachte Magenulcera.
7. Therapie
7.1 | Behandlungsstopp |
| Absetzen der Phenylbutazonbehandlung. |
|
7.2 | Magensäureproduktion |
| Omeprazol 1 mg/kg Körpergewicht p.o., alle 24 Stunden (hemmt die Protonenpumpe in den Parietalzellen und damit die Magensäuresekretion). |
|
7.3 | Magen- und Darmschleimhaut |
| Schleimhautschutz mittels Sucralfat (Aluminiumsalz von sulfatierter Saccharose), 2-4 g/450 kg p.o. alle 6-12 Stunden. |
8. Fallbeispiele
8.1 | Ein 4 jähriger Clydesdale Wallach litt mehrere Wochen unter Durchfall und Gewichtsverlust. Er war zuvor wegen einer Uveitis drei Wochen lang mit Phenylbutazon (in einer Dosierung von 6 mg/kg Körpergewicht 2mal täglich) behandelt worden. Es traten immer wieder Kolikerscheinungen auf. Schliesslich entwickelten sich Unterbauchödeme im Zusammenhang mit Hypoalbuminämie, Hyperfibrinogenämie und einer Neutropenie. Da rektale Untersuchung, Urinanalysen und die Zytologie des Bauchpunktats unauffällig blieben, vermutete man eine Phenylbutazonvergiftung. Der Besitzer entschloss sich zur Euthanasie. Bei der Sektion fand man eine auf Unterarmlänge ulzerierte und verdickte Kolonwand, die das Darmlumen sehr stark einengte (Hough et al., 1999). |
|
8.2 | Zehn Ponies wurde 14 Tage lang, einmal täglich jeweils 10 mg Phenylbutazon/kg Körpergewicht verabreicht. Die Ponies zeigten folgende Symptome: Depression, Anorexie, Ulcera in der Maulhöhle und Durchfall. Das Plasmaprotein war stark reduziert. Sechs Pferde starben zwischen dem siebten und dem zwanzigsten Tag, eines wurde mit Koliksymptomatik euthanasiert und drei überlebten die Studie. Bei der Sektion wurden Ulcera im Gastrointestinaltrakt und Nekrosen des Nierentubulusepithels festgestellt (McAllister, 1983). |
9. Literatur
Gunson DE & Soma LR (1983) Renal papillary necrosis in horses after phenylbutazone and water deprivation. Vet Pathol 20, 603-610
Hough ME, Steel CM, Bolton JR & Yovich JV (1999) Ulceration and stricture of the right dorsal colon after phenylbutazone administration in four horses. Aust Vet J 77, 785-788
MacAllister CG (1983) Effects of toxic doses of phenylbutazon in ponys. Am J Vet. Res 44, 2277-2279
Plumb DC (1991) Veterinary Drug Handbook. PharmaVet Publishing, White Bear Lake, pp 40-43
Snow DH, Douglas TA, Tompson H, Parkins JJ & Holmes PH (1981) Phenylbutazone toxicosis in equidae: a biochemical and pathophysiological study. Am J Vet Res 42, 1754-1759
Traub JL, Gallina A, Grant BD, Reed SM, Gavin PM & Paulsen LM (1983) Phenylbutazone toxicosis in the foal. Am J Vet Res 44, 1410-1418