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Amphetamine

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Amphetamine sind lipophile und basische Moleküle mit einem Benzolring als Grundgerüst. Die meisten Substanzen liegen in Form weisser oder auch durchsichtiger Kristalle vor. Phenylisopropylamin ist ein Synonym für Amphetamin.
 

2. Quellen

2.1Humanarzneimittel
Amphetamine werden in der Humanmedizin als Anorektika sowie als Psychopharmaka gegen Depressionen und Antriebslosigkeit eingesetzt. Methylphenidat, das beim Menschen bei ADS/ADHS (Aufmerksamskeitdefizit-/Hyperaktivitätsstörung), bei Narkolepsie und zur Steigerung von Antidepressiva bei therapieresistenten Depressionen verwendet wird, dient bei Hunden zur Therapie von Narkolepsie und Hyperaktivität.
 
2.2Missbräuchliche Anwendung
Weil diese Substanzen dem Suchtmittelgesetz unterliegen, existiert ein ausgeprägter illegaler Handel auf dem Schwarzmarkt. Neuerdings sind die als Party- oder Designerdrogen konsumierten Pillen oder Tabletten besonders stark verbreitet. Die Stoffbezeichnungen auf dem Schwarzhandel lauten wie folgt:
-"Speed", "Uppers", "Dex", "Dexies" und "Bennies" für Amphetamin
-"Thai-Pillen", "Shabu", "Ice", "Glass", "Crystal", "Crank" und "Meth" für Methamphetamin
-"U4EUh" für 4-Methylaminorex
-"Ritas", "Pep", "Upper", "Kinderkoks" für Methylphenidat
-"Ecstasy", "XTC", "Adam" und "MDA" für Methylendioxymethamphetamin (MDMA)
-"Eve" für 3,4-Methylendioxy-N-ethylamphetamin
-"Cat" für Methcathinon.
 
2.3Khat (Catha edulis)
Wird in Ostafrika und der arabischen Halbinsel kultiviert und enthält als aktiven Wirkstoff ein dem Amphetamin ähnlich wirkendes Stimulans. Die frischen Pflanzenteile führen zu analogen Symptomen wie Amphetamine.
 

3. Kinetik

Die Resorption über den Magen-Darm-Trakt erfolgt innerhalb der ersten 2 Stunden nach Ingestion. Alle Amphetamine gelangen über die Blutbahn ins ZNS.
Die Ausscheidung der Amphetamine erfolgt über die Nieren. Durch Ansäuerung des Urins wird die renale Exkretionsrate gesteigert.
So beträgt die Plasmahalbwertszeit von Amphetamin beim Hund 6 Stunden, wenn der Urin einen pH von 7.5 aufweist, aber nur 4 Stunden, wenn der pH des Urins bei 6 liegt.
 

4. Toxisches Prinzip

Amphetamin führt zu einer erhöhten Freisetzung von Noradrenalin aus noradrenergenen Varikositäten und hemmt gleichzeitig die Wiederaufnahme von Noradrenalin aus dem synaptischen Spalt, was zu einer vermehrte Stimulation der postsynaptischen Membran führt.
Im Zentralnervensystem ist die Wirkung nicht auf Noradrenalin beschränkt, sondern umfasst auch andere Catecholamine (vor allem Dopamin). Die Noradrenalinfreisetzung bewirkt ein Zunahme der motorischen Aktivität, die Freisetzung von Dopamin führt zu Stereotypien.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatteKaninchenHuhn
Amphetamin2230  
Chlorphentermin270   
Dextroamphetamin10   
Diethylpropion160   
Dimethoxymethylamphetamin  200 
Fenetyllin347100  
Fenfluramin14513050 
Mephentermin57   
Methylendioxyamphetamin (MDA)13.3   
Methylphenidat190   
Pemolin 500  
Phentermin105   
 
Weitere Verbindungen ohne orale Toxizitätsdaten: Benzphetamin, Clobenzorex, Dimephenopan, Mazindol, Methoxyamphetamin, Phendimetrazin, Phenmetrazin, Methylendioxyethyl-amphetamin (MDEA), Methoxymethylendioxyamphetamin (MMDA), Phencamfamin, Phendimetrazin, Phenmetrazin
 

II. Spezielle Toxikologie - Kleintier

1. Toxizität

Die akuten oralen LD50-Werte von Amphetamin betragen beim Hund 20-27 mg/kg Körpergewicht; die LD50 von Methamphetamin liegt bei 9-11 mg/kg. Für Fenfluramin ist die LD50 100 mg/kg p.o. beim Hund und 60 mg/kg p.o. bei der Katze.
 

2. Latenz

Die Latenzzeit ist abhängig vom Füllungszustand des Magens; bei leerem Magen beträgt sie wenige Minuten. Nach parenteraler Applikation wirken die Substanzen sofort.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Unruhe, Erregung, Hyperthermie, Ataxie, Schock
  
3.2Nervensystem
Tremor, Krämpfe
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Salivation
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Keine Symptome
  
3.5Respirationstrakt
Tachypnoe, Dyspnoe
  
3.6Herz, Kreislauf
Tachykardie, Hypertonie, Hypotonie, Herzrhythmusstörungen, Kreislaufkollaps
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Mydriasis
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Fell, Haut, Schleimhäute
Keine Symptome
  
3.11Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Es sind keine besonderen Befunde zu nennen.
 

5. Weiterführende Diagnostik

5.1Direkter Nachweis
-Der Nachweis der Substanzen in Blut, Harn oder Speichel ist möglich.
 

6. Differentialdiagnosen

-Vergiftung mit Methylxanthinen, Metaldehyd, Strychnin, Insektiziden, Blei
-Fieberhafte Erkrankungen
-Anaphylaktische Reaktionen
-Kardiale Arrhythmien anderer Genese
 

7. Therapie

7.1Notfallmassnahmen
-Kreislauf stabilisieren
-Atmung stabilisieren
-Krämpfe kontrollieren: anstelle von Diazepam sollte bei einer Amphetamin-Intoxikation Acepromazin (0.025-0.2 mg/kg Körpergewicht i.v., i.m. oder s.c., alle 4-6 Stunden) verwendet werden, da Diazepam paradoxerweise die Amphetamin-bedingten neurologischen Symptome verstärken kann. Acepromazin blockiert die Dopamin-Rezeptoren und hemmt die Freisetzung von Dopamin (Genovese et al., 2010; Volmer, 2013).
 
7.2Dekontamination
-Das möglichst schnelle Auslösen einer Emesis ist von hauptsächlicher Wichtigkeit, zudem
-Sofern guter Schluckreflex: wiederholte Verabreichung von Aktivkohle mit einem Laxans, z.B. Carbodote, Trinklösung (24 g Carbo activatus/100 ml) oder Carbovit® (15 g Carbo activatus/100 ml)
 
7.3Forcierte renale Elimination
-Mittels Diurese
 
7.4Weitere symptomatische Massnahmen
-Behandlung der Azidose: Ringerlaktat- oder Bicarbonatinfusion
-Regulierung der Körpertemperatur: Kühlen
-Arrhythmiebehandlung/Tachykardiebehandlung mit einem β-Blocker (zum Beispiel Atenolol oder Esmolol)
 

8. Fallbeispiele

In der Literatur existieren unterschiedliche Fallbeispiele von Vergiftungen mit Amphetaminen, in denen als Symptome Hyperkinesie, Krämpfe und Konvulsionen beschrieben werden. Diese Vergiftungen lassen sich mit Antikonvulsiva gut unter Kontrolle bringen und enden selten mit schweren Folgen (Stowe et al., 1976).
 

9. Literatur

Baggot JD & Davis LE (1972) Pharmacokinetic study of amphetamine elimination in dogs and swine. Biochem Pharmacol 21, 1967
 
Baggot JD, Davis LE & Neff CA (1972) Extent of plasma protein binding of amphetamine in different species. Biochem Pharmacol 21, 1813-1816
 
Catravas JD, Waters IW, Hickenbottom JP, Hickenbottom JP & Davis WM (1977) The effects of haloperidol, chlorpromazine and propranolol on acute amphethamine poisoning in the conscious dog. J Pharmacol Exp Ther 202, 230-243
 
Cohen S (1975) Amphetamine abuse. J Am Med Assoc 231, 414-415
 
Dumonceaux GA & Beasley VR (1990) Emergency treatment for police dogs used for illicit drug detection. J Am Vet Med Assoc 197, 185-187
 
Ellenhorn MJ (1997) Medical Toxicology, Williams & Wilkins, Baltimore, pp 343-349
 
Genovese DW, Gwaltney-Brant SM & Slater MR (2010) Methylphenidate toxicosis in dogs: 128 cases (2001-2008). J Am Vet Med Assoc 237, 1438-1443
 
Gfeller RW & Messonnier SP (2004) Handbook of small animal toxicology and poisonings. Mosby, St. Louis, pp 87-89
 
Lüscher UA (1993) Hyperkinesis in dogs: six case reports. Can Vet J 34, 368-370
 
Ricaurte GA, Gorno LS & Wilson MA (1988) (+/-)-3,4-MDMA selectively damages central serotonergic neurons in non-human primates. J Am Med Assoc 260, 51-55
 
Stowe CM, Werdin RE, Barnes DM, Higbee J, Miller J, Knoll LW, Dayton RM & Sittig DC (1976) Amphetamine poisoning in dogs. J Am Vet Med Assoc 168, 504-506
 
Windholz M (1983) The Merck Index. Merck & Co, Rahway, New Jersey
 
Volmer P (2013) "Recreational" drugs, Amphetamines. In: Small Animal Toxicology, Third Edition. Eds. Peterson ME & Talcott PA. W.B. Saunders Company, Philadelphia, pp. 311-314
 
Wolff K, Hay AWM, Sherlock K & Conner M (1995) Contents of "Ecstasy". Lancet 346, 1100-1105
 
Woods CB (1977) Hyperkinetic episodes in two Dalmatian dogs. J Am Anim Hosp Assoc 13, 255-257
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