2. Quellen
Reinigungsmittel, Trockenreiniger, Toilettenreiniger, Batterien, Spülmaschinenpulver, Entroster, Bleichungsmittel; Knopfbatterien enthalten Kalium- oder Natriumhydroxid, Autobatterien enthalten Schwefelsäure, Eau de Javelle besteht aus Kaliumhypochlorit. Chlorhaltige Bleichmittel sind gefährlicher als chlorfreie Produkte.
3. Kinetik
Die orale Verfügbarkeit von Säuren und Laugen ist schlecht aber dennoch ausreichend gross, um den Säure-Base-Haushalt des Organismus ins Ungleichgewicht zu bringen. Je nach Art der aufgenommenen Substanz erfolgt der Abbau durch metabolische Prozesse.
4. Toxisches Prinzip
Sowohl Säuren als auch Laugen besitzen eine korrosive Wirkung auf biologisches Gewebe. Im Fall von Säuren werden Eiweisse gefällt: es entstehen Koagulationsnekrosen, die in der Regel begrenzt sind und nur bis zur Lamina muscularis vordringen. Laugen verseifen die lipidhaltigen Zellmembranen und verflüssigen Eiweisse, wodurch Kolliquationsnekrosen entstehen, die sich so weit in die Tiefe fortsetzen, bis das Gewebe die Lauge neutralisiert hat. Somit erreichen Laugen grössere Penetrationstiefen als entsprechende Säuren. Kleine Alkalibatterien können im Ösophagus stecken bleiben und zu Perforationen führen.
5. Toxizität bei Labortieren
Akute, orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):
| Maus | Ratte | Kaninchen | Huhn |
Ameisensäure | 1'100 | | | |
Ammoniak | | 350 | | |
Ammoniumchlorid | | 1'650 | | |
Ammoniumhydroxid | | 350 | | |
Borsäure | | 5'140 | | |
Calciumhydroxid | | 7'340 | | |
Calciumhypochlorit | | 850 | | |
Chloressigsäure | 55 | 165 | | |
Essigsäure | | 3'310 | | |
Kalilauge | | 270-1'230 | | |
Kaliumpermanganat | | 1'100 | | |
Natriumacetat | 6'891 | 3'530 | | |
Natriumbisulfit | | 2'000 | | |
Natriumhydroxit | | | 500 | |
Natriumhypochlorit | 5.8-6.8 | | | |
Natiumhypochlorid-Pentahydrat | | 8'910 | | |
Oxalsäure | | 7'500 | | |
Phosphorsäure | | 1'530 | | |
Salzsäure | | | 900 | |
Schwefelsäure | | 2'410 | | |
Der MAK-Wert von Ammoniak beträgt 35 mg/m
3.
II. Spezielle Toxikologie - Kleintier
1. Toxizität
Die Toxizität der einzelnen Substanzen ist sehr unterschiedlich und abhängig von der Konzentration des vorliegenden Präparates. Laugen verursachen schwerere Verletzungen im Vergleich zu Säuren. Als letale, orale Dosis werden 1 Teelöffel konzentrierte Schwefelsäure, 1 Esslöffel konzentrierte Salzsäure oder Kalilauge und 2 Esslöffel Ammoniaklösung angesehen. Bei kleinen Hunden und Katzen liegen die Dosen entsprechend niedriger.
2. Latenz
Im Fall akuter Vergiftungen kann es nur Minuten bis zum Auftreten erster Symptome dauern. Bei nachfolgenden Strikturen im oberen Gastrointestinaltrakt kann die Latenzzeit bis zu Wochen betragen.
3. Symptome
3.1 | Allgemeinzustand, Verhalten |
| Anorexie, Depression, Angst, Schmerzäusserungen, Erregung, Polydipsie, hypovolämischer oder septischer Schock, Hyperthermie |
|
3.2 | Nervensystem |
| Keine Symptome |
|
3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Hypersalivation, Ptyalismus, (blutiges) Erbrechen, Schluckbeschwerden, Dysphagie, Mundschleimhautläsionen, Zahnerosionen; zu beachten ist die Möglichkeit schwerer Ösophagusläsionen ohne sichtbare Verletzungen im Mund |
|
3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Kolik |
|
3.5 | Respirationstrakt |
| Pharynx-, Epiglottisödem, Dyspnoe, Bronchitis, Lungenödem, Aspirationspneumonie |
|
3.6 | Herz, Kreislauf |
| Hypovolämischer oder septischer Schock bei Perforation der Schleimhaut (meist im Ösophagus oder Pylorus), Tachykardie |
|
3.7 | Bewegungsapparat |
| Keine Symptome |
|
3.8 | Augen, Augenlider |
| Korneatrübung, Korneanekrose und -perforation, Blepharospasmus, Konjunktivitis, Lakrimation |
|
3.9 | Harntrakt |
| Keine Symptome |
|
3.10 | Fell, Haut, Schleimhäute |
| Hautschwellung/-reizung, Schleimhautschwellung/-reizung, Erosionen, Nekrosen, gebleichte Haare |
|
3.11 | Blut, Blutbildung |
| Keine Symptome |
|
3.12 | Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation |
| Keine Symptome |
4. Sektionsbefunde
Bei Laugen sehr deutliche, im Fall von Säuren weniger deutliche Ulcera und Nekrosen der Haut und Schleimhaut, abhängig vom Ort des Kontakts. Meist sind Maulhöhle, Ösophagus und Magen betroffen. Perforationen im Ösophagus, als Spätfolgen Strikturen oder Pylorusstenose.
5. Weiterführende Diagnostik
- | Blutchemie: Verschiebungen des Säure-Base-Gleichgewichts |
- | Eine vorsichtige endoskopische Untersuchung nach 12-24 Stunden ist sinnvoll, da das Ausmass der Läsionen in der Maulhöhle keine Rückschlüsse auf die Verhältnisse im Ösophagus oder Magen erlauben. Vorsicht: Perforationsgefahr! |
- | Röntgenologisch lassen sich verschluckte Batterien nachweisen. |
6. Differentialdiagnosen
- | Gastroenteritis |
- | Magenschleimhautentzündung |
- | Magenulkus |
- | Andere Vergiftungen, zum Beispiel mit Ethylenglykol |
- | Tollwut |
- | Andere Ursachen von Dysphagie |
7. Therapie
- | Kreislauf stabilisieren |
- | Atmung stabilisieren; bei Ödemen im Nasen-Rachenraum Einsatz eines Trachealtubus oder Tracheotomie |
- | Krämpfe kontrollieren |
7.2 | Dekontamination und Elimination |
- | Bei dermalem Kontakt: Reinigung von Fell und Haut mit lauwarmem Wasser. |
- | Wenn das Auge, beziehungsweise die Cornea in Kontakt mit der Flüssigkeit gekommen ist, muss mindestens 20 Minuten mit steriler Kochsalzlösung (oder lauwarmem Wasser) gespült werden. |
- | Aufgenommene Flüssigkeiten mit Wasser oder Milch verdünnen. |
- | Endoskopische Entfernung von Alkalibatterien sobald wie möglich, wenn sie sich in der Speiseröhre befindet; wenn die Alkalibatterien im Magen liegen, können diese auch durch provozierte Emesis entfernt werden. |
7.3 | Weitere symptomatische Massnahmen |
- | Behandlung der Kolik mit einem Spasmolytikum |
- | Analgetika |
- | Antiemetika: Metoclopramid oder Domperidon |
- | Glucocorticoide sollten nur bei schwerer Dyspnoe angewendet werden; Vorsicht: Schleimhautperforationen! |
- | Bei weitreichenden Schädigungen der Speiseröhre ist die Ernährung über eine stationäre Schlundsonde indiziert |
- | Antibiotische Versorgung, vor allem bei zusätzlicher Kortikoid-Administration, und wenn Ulcerationen vorliegen |
- | Behandlung der Corneaverletzungen mit antibiotischer Salbe und Vitamin A |
- | Die chemische Neutralisation der Säuren und Laugen ist wegen der Wärmebildung (exotherme Reaktionen) kontraindiziert |
- | Magenspülung sowie Emesis sind wegen des nochmaligen Kontaktes mit der Ösophagusschleimhaut gefährlich |
- | Aktivkohle ist wirkungslos |
8. Fallbeispiele
8.1 | Ein Rüde hat vor 2 Tagen wiederholt verdünntes Natriumhypochlorit getrunken. |
| Symptome: Immer häufiger werdendes Erbrechen, jetzt mit Blut, Appetitverlust, frisst aber noch, Hyperthermie (39.4°), keine sichtbaren Läsionen in der Maulhöhle |
| Therapie: Penicillin, Sulfonamid-Trimethoprim, flüssiges Nahrungskonzentrat |
| Verlauf: Langsame Besserung |
| (Tox Info Suisse). |
|
8.2 | Eine Hündin (3 Jahre, 30 kg) hat vor einer Stunde an einem Fleckentferner geleckt, der 95% Formamidinsäure enthält. |
| Symptome: Mehrmals schleimiges Erbrechen, Schluckbeschwerden |
| Therapie: Wiederholt Paraffinöl, Infusionen, Diät |
| Verlauf: Innerhalb von 2 Tagen vollständige Genesung |
| (Tox Info Suisse). |
|
8.3 | Ein Rüde (1 Jahr, 16 kg) hat etwa einen Esslöffel eines Toilettenreinigers (pH 10.6) getrunken. |
| Symptome: Mehrmals Erbrechen, trinkt nichts mehr, Dysphagie, Apathie |
| Therapie: Wasser über Nasenschlundsonde |
| Verlauf: Am nächsten Tag ist der Hund wieder gesund |
| (Tox Info Suisse). |
|
8.4 | Ein Kater (1 Jahr, 3.8 kg) hat vor 1 Stunde Borsäure oral aufgenommen. |
| Symptome: Mehrmals wiederholtes Erbrechen, Apathie |
| Therapie: Aktivkohle repetitiv |
| Verlauf: Rasche Besserung |
| (Tox Info Suisse). |
9. Literatur
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Coppock RW, Mostrom MS & Lillie LE (1988) The toxicology of detergents, bleaches, antiseptics and disinfectants in small animals. Vet Hum Toxicol 30, 463-473
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Gfeller RW & Messonnier SP (2004) Handbook of Small Animal Toxicology and Poisonings, Mosby, St. Louis, pp 73-77
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Penner GE (1980) Acid ingestion: toxicology and treatment. Ann Emerg Med 9, 374-379
Windholz M (1983) The Merck Index. Merck & Co, Rahway, New Jersey
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