2. Quellen
Die Vergiftungsquelle für Haus- und Nutztiere liegt beim Einsatz von Scillirosid in Rattenködern.
3. Kinetik
Die orale Bioverfügbarkeit von Scillirosid liegt bei ungefähr 35%. Die Ausscheidung erfolgt über Nieren und Galle in Form eines Konjugates mit Glucuronsäure. Die Ausscheidung verzögert sich über mehrere Tage, weil Scillirosid einem enterohepatischen Kreislauf unterliegt.
4. Toxisches Prinzip
Durch Reizung der Schleimhäute wirkt Scillirosid als starkes Brechmittel, ausser bei Species wie der Ratte, die nicht erbrechen können. Im übrigen ist Scillirosid ein Herzglykosid, das eine ähnliche Herzwirkungen wie die Digitalisglycoside erzeugt.
5. Toxizität bei Labortieren
Die akut orale LD
50 (in mg/kg Körpergewicht) ist wie folgt: Ratte, 0.43; Maus, 0.35.
II. Spezielle Toxikologie - Kleintier
1. Toxizität
Die letale Dosis dürfte unter 1 mg/kg Körpergewicht p.o. liegen, es existieren aber keine genauen Angaben. Die minimal letale Dosis (oral) des rohen Meereszwiebelextraktes liegt bei 145 mg/kg für den Hund und bei 100 mg/kg für die Katze.
2. Latenz
Nach oraler Aufnahme dauert es wenige Stunden bis zum Ausbruch der Symptome.
3. Symptome
3.1 | Allgemeinzustand, Verhalten |
| Unruhe, Depression, Apathie, Ataxie, kardiogener Schock |
|
3.2 | Nervensystem |
| Krämpfe |
|
3.3 | Oberer Gastrointestinaltrakt |
| Hypersalivation, Erbrechen |
|
3.4 | Unterer Gastrointestinaltrakt |
| Durchfall |
|
3.5 | Respirationstrakt |
| Keine Symptome |
|
3.6 | Herz, Kreislauf |
| Arrhythmien, Bradykardie, Kammerflimmern, Hypotonie |
|
3.7 | Bewegungsapparat |
| Keine Symptome |
|
3.8 | Auge, Augenlider |
| Keine Symptome |
|
3.9 | Harntrakt |
| Polyurie |
|
3.10 | Fell, Haut, Schleimhäute |
| Keine Symptome |
|
3.11 | Blut, Blutbildung |
| Keine Symptome |
|
3.12 | Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation |
| Keine Symptome |
4. Sektionsbefunde
Gastroenteritis; unspezifische Degenerationen der Leber, Niere und Myokard.
5. Weiterführende Diagnostik
- | Verändertes Elektrokardiogramm: Bradyarrhythmie, ventrikuläre Tachyarrhythmie. |
6. Differentialdiagnosen
- | Vergiftung mit Pflanzen, die ebenfalls Herzglykoside enthalten: Fingerhut, Maiglöckchen. |
- | Digitalisüberdosierungen |
- | Arrhythmien anderer Genese. |
- | Gastroenteritis |
7. Therapie
- | Kreislauf stabilisieren; unter EKG-Kontrolle können Kaliumhaltige Lösungen verwendet werden, um die Glykosidwirkung am Herzen zu vermindern. |
- | Atmung stabilisieren |
- | Krämpfe kontrollieren |
7.2 | Dekontamination und Elimination |
- | Emesis muss ausgelöst werden, wenn die Tiere nicht schon aufgrund der Vergiftung erbrechen |
- | Sofern guter Schluckreflex: wiederholte Verabreichung von Aktivkohle mit einem Laxans, z.B. Carbodote, Trinklösung (24 g Carbo activatus/100 ml) oder Carbovit® (15 g Carbo activatus/100 ml) |
7.3 | Weitere symptomatische Massnahmen |
- | Diuretika dürfen wegen der Gefahr einer Hypokaliämie und die dadurch verursachte Verstärkung der Glykosidwirkung nicht eingesetzt werden. |
8. Fallbeispiele
8.1 | Ein Collie (26 kg) und ein Dackel (8kg) haben unbekannte Mengen eines Rattengiftes gefressen, das 0.03% Scillirosid enthält. |
| Symptome: Rezidivierendes Erbrechen, Ataxie, Krampfanfälle, Speicheln, Harn- und Kotabsatz |
| Therapie: Aktivkohle (repetitiv), Metoclopramid, Valium |
| Verlauf: Nach einer Woche vollständige Heilung |
| (Tox Info Suisse). |
|
8.2 | Ein Terrier-Rüde (16 kg, 3 Jahre) hat vor kurzem 5 g eines Köders gefressen, der 0.03% Scillirosid enthält. |
| Symptome: Apathie, Bradykardie |
| Therapie: Emesis, Aktivkohle |
| Verlauf: Besserung |
| (Tox Info Suisse). |
9. Literatur
Gfeller RW & Messonnier SP (1997) Handbook of Small Animal Toxikology and Poisonings, Mosby, St. Louis, pp 309-310
Humphreys DJ (1988) Veterinary Toxicology, Bailliere Tindall, pp 181-182
Lüllmann H, Mohr K & Ziegler A (1994) Taschenatlas der Pharmakologie, Thieme, Stuttgart, pp 130-133
Windholz M (1983) The Merck Index, Merck & Co, Rahway, New Jersey